So, es ist schon wieder ein Tag vorbei.
Ich war heute von 11 bis 15 uhr bei meiner mama, weil mein vater wieder mal was arbeiten musste und sie nicht alleine sein soll.
Das Sprechen geht sehr langsam voran, wir lernen, legen Namen mit Scrabble und die Logopädin kommt nach wie vor netterweise jeden Tag (obwohl laut Klinik nur 4 Tage/Woche vorgesehen sind. Ich werte das mal als Zeichen, dass sie bei meiner Mama sehr motiviert und zuversichtlich ist etwas zu erreichen). Meine Mama sagt hallo, unsere Namen ohne Vorsprechen, sagt inzwischen oft "ne" statt den kopf zu schütteln.
Sie ist seit heute auf einem normalen Zimmer und nicht mehr auf der Stroke Unit. Man hat sie in ein EInzelzimmer gelegt obwohl sie keinen Zuschlag bezahlt, aber aufgrund der SItuation ist es für sie so viel komfortabler und es ist lieb, dass die in der Klinik darauf so einfach Rücksicht nehmen.
Heute ist sie mit der Physiotherapeutin und einer Schwester den Flur entlang gelaufen und sogar Treppen gestiegen. Mit Stütze zwar, aber alle Ärzte kamen uns entgegen und haben bewundernd geguckt weil sie Mama ja noch so in Erinnerung hatten wie sie am Sonntag ankam.
Auch selbstständig zur Toilette zu gehen lernt sie jetzt, die Windeln machen ihr auch sehr zu schaffen und sie schämt sich sehr. Vor allem, weil sie die Schließmuskel sehr wohl kontrollieren kann, aber die Gefahr dass sie fällt war zu groß, deshalb durfte sie nicht aufstehen. WIr waren heute schonmal mit den Schwestern zusammen.
Morgen kriegt sie den Zugang rausgenommen und die Blutverdünner in Tablettenform, dann darf sie vielleicht auch endlich duschen und die Haare waschen. Sie fühlt sich sehr unwohl, das merkt man. Meine Mutter ist eigentlich eine sehr schicke und selbstbewusste Frau, deshalb guckt sie ständig in den Spiegel den sie für die Sprachübungen hat und kontrolliert wie ihr Gesicht aussieht wegen der rechten Seite ^^
Ich glaube, dass meine Mutter eine Broca-Aphasie hat oder jedenfalls eine Unterart davon.
Die Beschreibung trifft jetzt doch am ehesten zu wo wir wissen dass sie lesen und schreiben (zwar eingeschränkt) kann und uns auch wunderbar versteht.
Nur kommt so langsam die Angst bei mir. Angst, dass sie aufgibt, dass sie Rückschritte macht oder gar neue Anfälle erleidet, jetzt wo sie nicht mehr so stark überwacht wird. Die Halsschlagader ist immerhin zu. Allerdings ist die linke Hirnhälfte zu 95% durchblutet weil Seitenstränge der anderen Halsschlagader das übernommen haben (Wunderwerk Körper!) und das reicht auch erstmal völlig aus, außerdem kann dann die Verletzung in Ruhe heilen und wird nicht durch den Blutfluß gestört, so der Arzt.
Sie tut mir so leid. Meine Mama, die stärkste Persönlichkeit die ich kenne, die alles alleine konnte und vor nichts resigniert hat. Sie weint immernoch oft und ich kann es kaum ertragen dass sie jetzt wieder alleine im KH liegt und so hilflos ist. Ich möchte auf keinen Fall dass sie allzu depressiv wird oder gar aufgibt, deshalb hab ich heute sehr versucht, sie aufzuheitern und ich glaube es hat auch ganz gut geklappt. Sie verliert die Scheu, vor mir als Tochter ihre Hilflosigkeit zu zeigen. Sie hat auch schon viel mehr gelacht.
Es ist so süß wenn sie "hallo" sagt, sie hat irgendwie so eine richtige Kinderstimme bekommen, ganz anders als dieser dumpfe, langsame Klang den man so von anderen SA-Patienten kennt.