Hallo Winterwunder und alle andren,
ich könnte glatt glauben, ihr schreibt meine Geschichte. Abends im Bett mit Herzrasen. Auf der linken Seite liegen und das Herz schlägt bis in Hals und Kopf. Tagsüber kriegt man alles organisiert und die Welt kann amn ganz pragmatisch beurteilen. Sobald es dunkel wird, kommt die Panik, die Gedanken kreisen. Autogenes Training klappt gerade mal zwei Sekunden, dann kommen die nächsten verrückten Gedanken. Morgens um 3 Uhr aufwachen, Standard.
Vor drei Jahren bekam ich einen Anruf. Ihr Mann hatte einen Schlaganfall, ist aber nicht so schlimm, er hat ja noch ihre Telefonnummer genannt. Als ich ihn 6 Stunden später, in denen ich ohne Ansprechpartner warten musste, endlich sehen konnte, sagte man mir, dass er einen sehr schweren Schlaganfall gehabt hatte und sediert werden musste, damit er die Schmerzen aushält. Ich sollte nach Hause fahren und alle paar Stunden anrufen. Als ich 4 Stunden später anrief, sagte man mir, dass akute Lebensgefahr besteht, in einer Not-OP wird gerade ein Teil der Schädeldecke entfernt, sie wissen nicht, ob er die Nacht überlebt. Er wurde in ein künstliches Koma gelegt.
Von da an habe ich jeden Morgen um 6 Uhr angerufen, ob er noch lebt. Mittagsum 12 Uhr angerufen, um 14 Uhr bgann die Besuchszeit bis 20 Uhr. Die meiste Zeit in der Besuchszeit verbrachte ich draussen auf dem Flu, weil bei den anderen Patienten und auch meinem Mann Noteingriffe, Wiederbelebungsversuche oder einfach nur pflegerische Tätigkeiten durchgeführt wurden. Wenn ich nach Hause kam, habe ich um 24 Uhr wieder angerufen. Das dauerte 3 Wochen. Dann kamen noch 3 Monate Intensivstation, in denen festgestellt wurde, dass er zu den wenigen Komapatienten gehört, deren Hüftgelenke verknöchern. Jede Bewegung schmerzt höllisch. Eine Mobilisierung war unmöglich. Nach endlosem Hin-und-Her wurde ein vorangegangener Herzinfarkt, ein Vorderwandaneyrisma und ein Loche zwischen den Vorhofkammern festgestellt. Daraufhin wurde er mit drei Herzkathetereingriffen operiert. Dann wurde gesagt, so jetzt ist er ausser Lebensgefahr, er kann von der Intensiv auf die Frühreha. Ich nehem mal an, dass ihr alle ähnlich dramatisches erlebt habt. Dass wir alle "geschädigt" sind, ist sonnenklar. Ich hab in dieser Zeit jede Nacht nur 2-3 Stunden geschlafen. Nach den Herz-OPs erst mal einen gepflegten Autounfall gebaut.
Manchmal hilft es mir, wenn ich das, was ich noch zu erledigen habe, einfach aufschreibe. Aber die Zukunftängste kriegt man so nicht weg. m Anfang nach dem Schlaganfall habe ich noch gedacht, dass ich einen Plan erstelle und dann gehts vorwärts. Aber den Plan konnte ich Stück für Stück zerreissen.
Mein Mann hatte seinen ersten epilleptischen Anfall GsD im Krankenhaus. Eine Blasenentzündung war der Auslöser. Kommt seitdem auch zu Hause immer wieder vor. Kleiner Infekt oder auch nur irgendwas, schon gehts wieder los. Mit den Medis hat sich das jetzt auf 1 mal pro Halbjahr reduziert.
Früher hatte er nur Heuschnupfen im Sommer. Jetzt hat er ganzjährig Pollenallergie und Asthma. Im Schlaflabor hat sich herrausgestellt, dass er pro Minute (!) mehr als 60 (!) Atemaussetzer hat. Statt 8 Stunden erholsamem Schlaf, 8 Stunden Ersticken. Sein Herz rast adnn wie bei einem Marathonläufer,wenn es sich eigentlich ausruhen sollte. Jetzt hat er eine Atemmaske, die macht genausovielKrach wie ein schnarchender Mann, verrutscht, pfeifft. Und da mein Mann davon nicht wach wird, werd ich es eben. Schieb die Maske zurrecht usw. Bis an mein Lebensende.
Was ist, wenn mir mal was passiert? Ich werde für meine Kinder einen Ordner anlegen, in den ich eintrage, was sie zu machen haben. Alle Finanzen aufführen. Unser Sohn wird nächstes Jahr 18, dann werden wir auch notariell festlegen, wie es im Ernstfall weitergeht. Ich hoffe, dass mein Mann es dieses Jahr schafft alleine am Stock und mit einer Schiene zu gehen,so dass er im Notfall auch mit der Hilfe eines Pglegedienstes klar käme. Aber das setzt natürlich voraus, dass er auch ausserhalb der 3x30Minuten Physiotherapie pro Woche auch nur einen Funken Ehrgeiz entwickelt, ansonsten würde ihn ohne mich das Pflegeheim erwarten. Den Kindern will ich das, was ich hier jeden Tag mache,nicht zumuten müssen. Und wenn ich sehe, dass mein Mann könnte, aber nicht macht, werde ich wahnsinnig wütend.
Mir hat mal ein Psychologe gesagt, dass man immer nur in kleinen Schritten denken soll. Ich kanns leider nicht. Bin auch immer schon 10 jahre weiter.
Das, was wir als Patienten und auch als Angehörige erlebt haben, hat uns traumatisiert. Uns wurde der Boden unter den Füssen weggezogen und wir haben einfach noch keinen neuen sicheren Boden zurückgekriegt, weil ja ständig etwas neues passiert. ich mach schon gar keine Pläne mehr und lass mich auch nicht mehr von anderen verplanen.
An der ganzen Belastung wird sich nie was ändern und kein Psychologe wird es schaffen, dass mich das alles nicht mehr belastet.
lg zaubernuss