#1
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo in die Runde,

vielleicht schreib ich das hier nur, um von euch zu hören, dass ich mich zusammen reißen muss oder dass nicht mein Mann, sondern ich den Schaden davon getragen hab ! :O

Kurzbericht für diejenigen, die unsere Situation nicht kennen :

20.11.2010  Aortariss im Brustraum bei meinem Mann, 11-Stunden Not-OP mit Kreislaufstillstand und Unterkühlung des Körpers, Herz-Lungen-Maschine, Aorta-Prothese

Schlaganfälle während der OP, 3 Wochen Koma, links gelähmt und Gesichtsfeldausfall, 3 Monate Reha

Seit einem Jahr wieder zu Hause, wunderbare Genesung, kann laufen, sprechen, braucht keine körperliche Pflege, aber viel Unterstützung, Aufmerksamkeit und Kurzzeitgedächtnis sind noch sehr betroffen.

So, statt ich mich nun langsam mal beruhige und hoffnungsvoll in die Zukunft gucke, überwiegen die schwarzen Gedanken.

Ich denke nur noch daran, wie unser Leben mal "enden" wird. Habe Angst, dass mir vor ihm etwas passiert oder dass wir beide in irgendeinem Pflegeheim dahin vegetieren werden, obwohl bis dahin eigentlich noch 20 Jahre vergehen sollten.

Eigentlich wollten wir, wenn wir beide nicht mehr arbeiten müssten, ein paar Wochen gemütlich irgendwo in der Sonne sitzen.

Jetzt hab ich nur noch den Gedanken, lieber Gott, lass ihm nicht nochmal was ganz schlimmes passieren, lass mir nichts passieren, lass meiner Mama nichts passieren, und unserer Tochter schon überhaupt nicht.

Freu mich auf nichts mehr und denk automatisch, na, wer weiß, vielleicht hat bis dahin schon wieder irgendeinen von uns "der Schlag getroffen".

Abends im Bett ist es besonders schlimm. Dann muss ich mir krampfhaft irgendeinen anderen Gedanken suchen, an dem ich mich festhalten kann.

Das ist doch nicht normal. Ich geh 6 Stunden arbeiten und hab eigentlich Ablenkung.

Dreh ich langsam durch ?  Kennt ihr so etwas auch ?

Danke fürs Lesen und liebe Grüße vom WiWu !

 

 

#2
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe WiWu,

ich für meinen Teil versuche solche Gedanken nicht zuzulassen. Was aber auch sicher daran liegt, dass unsere alltäglichen Sorgen so präsent sind, dass ich letztlich keine Zeit für solche Gedanken finde. Im Augenblick funktioniere ich einfach von Tag zu Tag. Leider ist auch wirklich jeden Tag etwas anderes!

Was mir noch hilft, ist wirklich viel darüber zu reden ... ob beim Gassi-gehen, mit der Verwandtschaft, den Ärzten oder hier mal Dampf ablassen. Zum Einen hört man dann auch mal die Sichtweise von anderen und zum Anderen hilft es beim Verarbeiten. Meine Hausärztin hat mal gesagt, gehen Sie jedem damit auf den Geist ... das hilft.

Und was ich nie gedacht hätte ... was mir wirklich eine große Hilfe ist, ist ein Psychologe. Dass er auch meinen Mann betreut, ist sicherlich eine gute Hilfe, so kennt er unsere Situation eh. Er ist da ... wie sagt man so schön ... recht pragmatisch und hat mir heute nun ein AD verschrieben und auch eine leichte Schlafpille. Ob ich die nehmen soll, weiß ich noch nicht. Das Einschlafen ist auch für mich das Schlimmste. Aber die Angst Menne dann nachts nicht zu hören, ist einfach größer.

Ein Rezept wird es sicherlich leider nicht geben! Und diesen Kopfsalat kann man einfach nicht abstellen.

#3

Maxi11

Gifhorn; Braunschweig; Wolfsburg, Deutschland

Hallo Mädels!

Ähnliche Gedanken beschäftigen mich als Betroffenen auch. Denn in letzter Zeit treten die Herzrhytmusstörungen wieder verstärkt nachts auf. Und wenn du dann so da liegst nachts oder morgens um 3 oder um 4 Uhr und deine Pumpe rappelt wie wild so daß ich schon aufgestanden und rumgewandert bin, dann kommen dir schon merkwürdige Gedanken.Die "Fehlzündungen" sind so stark, daß ich nicht auf der linken Seite liegen kann.

Kommentar der Kardiologen aus der Uniklinik in Hannover nach eingehender Untersuchung: Organisch ist nichts feststellbar! Man sieht es ganz deutlich auf dem EKG, ist aber nicht weiter tragisch.

Vielleicht sollte ich doch wieder zu den "Grinsepillen" greifen!

Ich will mit meiner Geschichte euere Probleme aber nicht "nieder machen". Sorry!



Liebe Grüße, Maxi


Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »Maxi11« (14.03.2012, 18:29)
#4
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Unbekannt

Gelöscht

Ja Maxi, dann kannst du dich beim nächsten Wandern um 3 Uhr nachts ganz lieb aus dem Ruhrpott gedanklich gegrüßt fühlen, das ist auch meine bevorzugte Herzpolterzeit. Ich kann dann auch nicht links liegen, mein Herz schlägt dann allerdings im Ohr ! :)

Claire, wenn ich von eurer oder vielen anderen Situationen hier lese, bin ich total betroffen und mein Kopp weiß doch ganz genau, wieviel wahnsinniges Glück und erstklassig funktionierende Ärzte wir gehabt haben.

Dazu passt auch der Beitrag von Jule im Wie-gehts-mir-Thread.  So positiv müsste ich auch in die Zukunft schauen.

Ich war auch nicht so irre wie jetzt, als wir am Anfang zu Hause waren. Das ist erst im Laufe der Zeit passiert. Da kam der epileptische Anfall, dann die Tia mit Sehstörungen.

Seitdem bin ich irgendwie nur noch auf Abruf nach neuen Vorfällen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass diese verflixte Hauptschlagader ja noch eine tickende Zeitbombe ist.

Ein Rest konnte nicht zu Ende operiert werden, weil man zu nah an die Hirnarterien gelangt wäre, dann wäre eh alles vorbei gewesen.

Aber so muss mein Mann alle 3 Monate in die Röhre, und man kommt gar nicht zum Entspannen.

Wir haben da 2 Baustellen, die Aorta und den Kopf.

Oder es liegt an meinen 3 Monaten Reha-Begleitung. Ich war ja die komplette Zeit am Ort, jeden einzelnen Tag von 8 bis 12 und von 15 - 19 Uhr, keinen Tag zu Hause.

Da hab ich natürlich total viele Patienten und Angehörige kennengelernt. Und alle hatten ihre persönliche Horrorgeschichte mit Schlaganfällen, Aneuyrismen, Hirnops wegen Unfällen usw.

Ich hab so viele Menschen mit Kopf ohne Schädelplatte gesehen und auch Leute sterben, die am Abend vorher noch lebendig waren.

Ich hab am Ende gedacht, es gibt nur Schlaganfälle und Hirntumore auf der Welt.

Wahrscheinlich war das ein bisschen viel auf einmal, aber ich konnte mich nicht umdrehen und meinen Mann dort alleine lassen, der zu der Zeit komplett hilflos und desorientiert war.

Freundinnen haben mir mal einen Termin bei einer Psychologin verpasst, ich bin dann am Ende da auch brav hingegangen. Aber als sie mir etwas von einem Tresor erzählte, den ich mir vorstellen sollte, um meine düsteren Bilder dort einzuschließen, wusste ich, das ist nicht meins.

Also muss es die Zeit bringen.  Es hilft für den Moment sehr, dass man sich hier austauschen kann.

Ich wünsch euch eine herzpolterfreie Gute Nacht ! :)

 

 

#5
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Unbekannt

Gelöscht

hallo ihr lieben,

ich habe auch meine angstmomente.....fühle mich eng am pflegefall vorbeigeschrammt....ich lass es zu, ohne mich zu sehr rein zu steigern.....und dann kommt wieder meine pragmatische seite......ob ich nun angst habe oder nicht, der nächste anfall kommt eh, wie er will.....das hab ich gar nicht in meiner hand.....

aber es gibt noch einen gedankenstrang.......wenn die bedrohung schon über mir schwebt, dann will ich wenigstens jeden tag so gut es geht genießen....wer weiß, wie lange noch

ich glaub auch, da muss jeder seine ganz eigene taktik finden

haltet alle den kopf oben....und hofft das beste

gruss sabine

#6
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe WiWu,

ich habe deinen Beitrag gelesen und erst einmal darüber nachgedacht bevor ich dir heute antworte. Ich hoffe ihr verzeiht mir meine offenen Worte aber alles andere wäre "nur" Small Talk den man mit "Nichtbetroffenen" führen würde.

Nein, du bist oder wirst nicht verrückt. Du bist voller Sorge um das was passiert ist, derzeit passiert, passieren könnte und das noch allein. Du und wir werden "dazu gezwungen" ein Leben zu leben das wir uns nicht ausgesucht haben. "In guten wie in schlechten Zeiten" heißt es, aber wer weiß denn was "schlechte Zeiten" sind wenn man diese Worte spricht? Das hat doch ganz bestimmt keine/r von uns erahnt, oder? Da kommt mir schon die Frage woher ein jeder betroffene Einzelne hier die Energie und Kraft nimmt dies alles bewältigen zu können. In den meisten Fällen ist es die Liebe die uns trägt aber auch die muss genährt werden. Was dann wenn das nicht mehr ist was die Liebe genährt hat und die Sorgen so groß sind wie bei dir? Es wäre schon außergewöhnlich wenn sich das alles nicht in irgeneiner Art und Weise körperlich und psychisch bemerkbar machen würde. Von daher gesehen kann ich dir nicht sagen "Reiss dich zusammen" denn das tust du ja bereits mit jeder Faser und Energiezelle die du hast! Aus einem leeren Topf kann man nichts nehmen und für mich hörst du dich so an als wenn du total ausgepowert bist. :(

Den Tresor bei der Psychologin konntest du ja leider nicht annehmen. So etwas kann ein Weg sein um sich zu entlasten. Alles von der Seele reden, alles mal "laut" aussprechen dürfen ohne das irgend etwas davon bewertet wird. Wenn ich endlich etwas ausspreche fällt er mir leichter diesen Gedanken abzuarbeiten und oft danach "begraben" zu können. Solange der Gedanke in meinem Kopf, in meinem Körper ist fühle ich mich schlecht, habe Herzschmerzen oder sonst was. Er nimmt mir die Luft zum Atmen...

All das wird dir nicht helfen weil ja jeder seine eigene Strategien hat mit Situationen umzugehen und ich und wir können uns helfen indem wir uns hier öffnen und Hilfe erfahren. Auch ich habe hier viel Hilfe erfahren. Ich wünschte ich könnte dir etwas von dem zurück geben was ich hier an Hilfe erfahren habe. Ich drücke dir jedenfalls ganz fest beide Daumen das du einen guten Weg für dich, für deinen Mann, für euch und deine ganze Familie findest. Wenn du magst kannst du mir ja eine PN schreiben. Du wohnst ja auch hier im Ruhrgebiet, oder?

Ganz liebe Grüße, Jutta


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Juledan« (09.03.2012, 00:53)
#7
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Gelöscht

Danke schön für deine Antwort, Jutta.

Natürlich hast du Recht, ausgepowert bin ich, aber das sind alle hier, die schon länger mit ihren Angehörigen um Fortschritte oder "normales" Leben kämpfen. Da beklage ich mich nicht drüber, weil es ja auch keine Alternative gibt.

Als wir im März letztens Jahres nach Hause kamen, haben wir uns auch recht schnell wieder eingewöhnt.

Ich hab irgendwie damit gerechnet, dass jetzt alles nur noch aufwärts gehen kann, langsam zwar, aber immerhin.

Ich war dann noch 4 Wochen zu Hause, habe beobachtet, wie mein Mann zurecht kommt, und konnte dann wieder arbeiten gehen, natürlich mit verkürzter Stundenzahl, da ja nachmittags Therapien und Arztbesuche anstanden.

Dann kamen die Rückschläge, auf die mich so recht niemand vorbereitet hatte.

Ich kannte keinen epileptischen Anfall, und als der kam, hab ich gedacht, gleicht bleibt sein Herz stehen und er stirbt in meinem Arm. Und wieder mit einer Hand meinen Mann beruhigt und mit der anderen die 112 angerufen.

Beim 2. Mal waren es Sehstörungen.  Da blieb mein eigenes Herz bald stehen, als ich hörte : ich seh nichts mehr.

Es ist alles gut gegangen bisher, Medikamente wurde umgestellt. Aber seitdem hab ich diese verflixte Angst, dass eben nicht immer alles nur vorwärts geht. Und wie alles irgendwann mal zu Ende gehen wird.

Vielleicht ist es aber wirklich "nur" die Tatsache, dass ich weiß, dass es in seinem Brustraum weiter brodelt.

Er ist damals ohne jedes Anzeichen von Schwindel oder Übelkeit einfach so mitten im Satz umgefallen.

Das Bild werd ich einfach nicht los. Und wenn mich jetzt jemand beruhigen möchte und sagt, dass er doch wieder so gut und gesund aussieht, dann weiß ich, ja,  so gut und vermeintlich gesund sah er am 20.11.2010 um 15.30 Uhr auch aus.

Kurze Zeit später raste der Krankenwagen mit Notarzt über die Autobahn zur Uni-Klinik.

Ich denke, diese Flashbacks werden mein Problem sein, aber die muss ich allein in den Griff kriegen.

Vielen lieben Dank aber für´s Lesen und Antworten, das hilft schon ungemein ! :)

 

 

 


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Winterwunder« (10.03.2012, 15:13)
#8
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Winterwunder und alle andren,

ich könnte glatt glauben, ihr schreibt meine Geschichte. Abends im Bett mit Herzrasen. Auf der linken Seite liegen und das Herz schlägt bis in Hals und Kopf. Tagsüber kriegt man alles organisiert und die Welt kann amn ganz pragmatisch beurteilen. Sobald es dunkel wird, kommt die Panik, die Gedanken kreisen. Autogenes Training klappt gerade mal zwei Sekunden, dann kommen die nächsten verrückten Gedanken. Morgens um 3 Uhr aufwachen, Standard.

Vor drei Jahren bekam ich einen Anruf. Ihr Mann hatte einen Schlaganfall, ist aber nicht so schlimm, er hat ja noch ihre Telefonnummer genannt. Als ich ihn 6 Stunden später, in denen ich ohne Ansprechpartner warten musste, endlich sehen konnte, sagte man mir, dass er einen sehr schweren Schlaganfall gehabt hatte und sediert werden musste, damit er die Schmerzen aushält. Ich sollte nach Hause fahren und alle paar Stunden anrufen. Als ich 4 Stunden später anrief, sagte man mir, dass akute Lebensgefahr besteht, in einer Not-OP wird gerade ein Teil der Schädeldecke entfernt, sie wissen nicht, ob er die Nacht überlebt. Er wurde in ein künstliches Koma gelegt.

Von da an habe ich jeden Morgen um 6 Uhr angerufen, ob er noch lebt. Mittagsum 12 Uhr angerufen, um 14 Uhr bgann die Besuchszeit bis 20 Uhr. Die meiste Zeit in der Besuchszeit verbrachte ich draussen auf dem Flu, weil bei den anderen Patienten und auch meinem Mann Noteingriffe, Wiederbelebungsversuche oder einfach nur pflegerische Tätigkeiten durchgeführt wurden. Wenn ich nach Hause kam, habe ich um 24 Uhr wieder angerufen. Das dauerte 3 Wochen. Dann kamen noch 3 Monate Intensivstation, in denen festgestellt wurde, dass er zu den wenigen Komapatienten gehört, deren Hüftgelenke verknöchern. Jede Bewegung schmerzt höllisch. Eine Mobilisierung war unmöglich. Nach endlosem Hin-und-Her wurde ein vorangegangener Herzinfarkt, ein Vorderwandaneyrisma und ein Loche zwischen den Vorhofkammern festgestellt. Daraufhin wurde er mit drei Herzkathetereingriffen operiert. Dann wurde gesagt, so jetzt ist er ausser Lebensgefahr, er kann von der Intensiv auf die Frühreha. Ich nehem mal an, dass ihr alle ähnlich dramatisches erlebt habt. Dass wir alle "geschädigt" sind, ist sonnenklar. Ich hab in dieser Zeit jede Nacht nur 2-3 Stunden geschlafen. Nach den Herz-OPs erst mal einen gepflegten Autounfall gebaut.

Manchmal hilft es mir, wenn ich das, was ich noch zu erledigen habe, einfach aufschreibe. Aber die Zukunftängste kriegt man so nicht weg. m Anfang nach dem Schlaganfall habe ich noch gedacht, dass ich einen Plan erstelle und dann gehts vorwärts. Aber den Plan konnte ich Stück für Stück zerreissen.

Mein Mann hatte seinen ersten epilleptischen Anfall GsD im Krankenhaus. Eine Blasenentzündung war der Auslöser. Kommt seitdem auch zu Hause immer wieder vor. Kleiner Infekt oder auch nur irgendwas, schon gehts wieder los. Mit den Medis hat sich das jetzt auf 1 mal pro Halbjahr reduziert. 

Früher hatte er nur Heuschnupfen im Sommer. Jetzt hat er ganzjährig Pollenallergie und Asthma. Im Schlaflabor hat sich herrausgestellt, dass er pro Minute (!) mehr als 60 (!) Atemaussetzer hat. Statt 8 Stunden erholsamem Schlaf, 8 Stunden Ersticken. Sein Herz rast adnn wie bei einem Marathonläufer,wenn es sich eigentlich ausruhen sollte. Jetzt hat er eine Atemmaske, die macht genausovielKrach wie ein schnarchender Mann, verrutscht, pfeifft. Und da mein Mann davon nicht wach wird, werd ich es eben. Schieb die Maske zurrecht usw. Bis an mein Lebensende.

Was ist, wenn mir mal was passiert? Ich werde für meine Kinder einen Ordner anlegen, in den ich eintrage, was sie zu machen haben. Alle Finanzen aufführen. Unser Sohn wird nächstes Jahr 18, dann werden wir auch notariell festlegen, wie es im Ernstfall weitergeht. Ich hoffe, dass mein Mann es dieses Jahr schafft alleine am Stock und mit einer Schiene zu gehen,so dass er im Notfall auch mit der Hilfe eines Pglegedienstes klar käme. Aber das setzt natürlich voraus, dass er auch ausserhalb der 3x30Minuten Physiotherapie pro Woche auch nur einen Funken Ehrgeiz entwickelt, ansonsten würde ihn ohne mich das Pflegeheim erwarten. Den Kindern will ich das, was ich hier jeden Tag mache,nicht zumuten müssen. Und wenn ich sehe, dass mein Mann könnte, aber nicht macht, werde ich wahnsinnig wütend. 

Mir hat mal ein Psychologe gesagt, dass man immer nur in kleinen Schritten denken soll. Ich kanns leider nicht. Bin auch immer schon 10 jahre weiter.

Das, was wir als Patienten und auch als Angehörige erlebt haben, hat uns traumatisiert. Uns wurde der Boden unter den Füssen weggezogen und wir haben einfach noch keinen neuen sicheren Boden zurückgekriegt, weil ja ständig etwas neues passiert. ich mach schon gar keine Pläne mehr und lass mich auch nicht mehr von anderen verplanen.

An der ganzen Belastung wird sich nie was ändern und kein Psychologe wird es schaffen, dass mich das alles nicht mehr belastet.

lg zaubernuss

#9

Maxi11

Gifhorn; Braunschweig; Wolfsburg, Deutschland

Hallo Mädels!

Es ist schon so, die wahren "Betroffenen" sind die pflegenden Angehörigen, denn was die Leisten, kann nur jemand beurteilen, der aktiv im Pflegedienst tätig ist. Aber sogar da hat man Auszeiten wie: Wochenenden und Urlaube. Ihr habt das nicht!

Ich kann euch nur empfehlen daß auch ihr euch solche Auszeiten nehmen müßt, sonst frisst es euch auf!  Und damit ist niemanden geholfen. Aber falls es eine tatsächlich schafft selbst zu einer Kur zu fahren, kommt ihr gedanklich gar nicht von zu Hause los und seid immer bei eurem Patienten. 

Ich wünsche euch eine gesunde Portion Egoismus, sonst werdet ihr euch aufreiben oder ihr müßt zu Psychopillen greifen, die helfen auch. Und die machen genau das, was ich gerade gesagt habe: die machen euch gleichgültiger!

Ihr seid schon bewundernswert und ich hoffe, ihr kriegt das irgendwie hin!

LG. Maxi


Liebe Grüße, Maxi

#10
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe WiWu und Zaubernuss,

Danke für euren offenen Worte. Ich kann euch so gut verstehen.

Mein Mann ist auch aus heiterem Himmel, vorher nicht krank oder auffällig, 1 Woche bevor wir in Urlaub fliegen wollten, zusammen gebrochen. Wir saßen morgens zusammen, haben die Kleidung für den Urlaub besprochen. Er stand auf und ging in den Flur und dann hörte ich den Knall. Nie wieder werde ich das Geräusch aus dem Kopf bekommen !!! 2 Sekunden später war ich bei ihm, ich dachte er hätte sich alle Knochen gebrochen und leistete erste Hilfe. Meiner Mutter gab ich Anweisung was sie tun sollte (Notruf absetzen, Hunde weg sperren) während dem ich horchte ob er noch atmet und ich ihn wiederbeleben muss....:( 5 Stunden sind wir durch 2 Krankenhäuser geschleust worden. Im 2. begrüßte uns der Arzt mit den Worten "Ich glaube nicht daran das es was ernsthaftes ist", untersuchte ihn, schickte uns zum CT, mein Mann konnte mittlerweile wieder laufen und wir saßen auf den Wartestühlen. Eine Sekunde schaute ich zu anderen Seite, hörte ihn gähnen, dachte noch "meine Güte ist er noch müde", dann krampfte er. Ich schrie um Hilfe und er wurde in den Notfallraum gebracht. Ich stand vor der Tür und konnte nicht um die Ecke schauen, die Tür war offen. 5.Min. später wurden alle ganz hektisch, fingen an zu rennen und ich wußte es passiert etwas ganz schreckliches. Die Tür wurde geschlossen. 10. Min. später gab man mir eine Tüte mit den durchgeschnittenen Ketten meines Mannes, kein Wort was mit ihm ist. 20 Min. später wurde er reglos daliegend, intubiert, aus dem Raum geschoben. Er war 30 Min. reanimiert worden. Das war um 15.00 Uhr. Er kam ins CT, ohne Befund! Bis 23.00 Uhr wurde er mit Medikamenten in einer ständigen Reanimation gehalten. Es war sehr kritisch und ich weiß nicht wie ich die Zeit überstanden habe. Dann die Diagnose Herzinfarkt, Verlegung in ein Herzzentrum, ein Stent wurde eingesetzt, ein anderes Gefäß blieb unbehandelt (75% Stenose) das irgendwann behandelt werden muss. Nach einer Woche erste Anzeichen das mit der re.Körperseite was nicht stimmt, nach 2,5 Wochen die Diagnose Schlaganfall im Sprachzentrum. Wahrscheinlich ein Thrombus durch die Reanimation. Komplette Hemiparese rechts, Neglect, 2 Lungenentzündungen...Nach 5 Wochen Intensiv in die Frühreha, erste 2 oder 3 Worte ca. 8 Wochen nach dem SA....

Warum schreibe ich das? Auch ich fühle mich traumatisiert. Wenn mein Mann in den Flur geht habe ich Angst den "Knall" wieder zu hören. Ich beobachte ihn beim schlafen und wenn ich ihn gähnen höre schaue ich mich direkt nach ihm um. Ich bin Altenpflegerin, dass hat mir auf der Intensiv gut geholfen weil ich mir vieles erklären konnte. Je mehr Zeit verging um so unruhiger wurde ich. In meiner Einrichtung wohnen Junge und Alte Pflegebedürftige. Die jüngste ist 22 Jahre, mehr als 1/3 der Menschen haben einen Schlaganfall. Zu Beginn der Reha sah ich in meinem Mann den schlimmsten Pflegebedürftigen den wir in der Einrichtung haben und noch lange habe ich meinen Mann wie einen Pflegebedürftigen unserer Einrichtung gesehen.Durch meinen Beruf und die Todesfälle meines Vaters und Bruders habe ich mich mit dem Thema Tod schon vor vielen Jahren auseinander gesetzt. Mittlerweile weiß ich, dass der Tod bei den Menschen am schlimmsten ist, die "unerledigtes oder ungesagtes" mit sich schleppen. Ich habe sehr gelitten weil auch ich "ungesagtes" in meinem Herzen hatte als ich neben meinem komatösen Mann saß.

Nun hatte ich die Chance das ungesagte zu sagen bzw. zeigen zu können, mehr kann ich nicht mehr tun. Ich bin, so wie auch ihr, für meinen Mann da und tue alles was ich kann. Was passieren soll wird passieren und ich kann es nicht beeinflussen. Das nimmt mir die Angst denn ich kann sagen das ich mein bestes gegeben habe und unser Leben bestmöglichst "läuft". Ich kann unsere gemeinsame Zeit wieder genießen und bin weitestgehend frei von Ängsten. Auch ich weiß ja von dem 2. Herzkranzgefäß das sich unter Umständen genau so plötzlich bemerkbar machen kann wie im letzten Jahr. Ich überlege die ganze Zeit ob ich meine Botschaft überhaupt rüber bringen kann. Was ich sagen will ist, dass ich mir und meinem Mann die Zeit die wir haben, nicht unnütz mit meinen Ängsten belasten brauche. Sollte mal was passieren kann ich sagen das unser 2., neues Leben, so schön wie es eben unter diesen Umständen ging, gewesen ist. Der SA hat ja gezeigt wie schnell das passieren kann und ich rauche bsw, immer noch. Ich glaube ich kann das nur so fühlen weil zwischen und beiden alles "geklärt" ist. Ich verschone meinen Mann auch nicht mit Alltagssorgen. Natürlich bleibt der größte Batzen an mir hängen aber auch er muss, und übernimt er auch, Verantwortung übernehmen. Wenn ich mich mal sorge sorgt auch er sich und strengt sich an. Bei Alltagsgeschehnissen finde ich das auch vollkommen in Ordnung und es bringt ihn weiter.

Na ja, ich hoffe das ich nicht zu viel geschrieben habe. Ich bin auf jeden Fall bei euch und höre immer wieder gern zu wenn sich jemand was vom Herzen schreiben möchte. Das ist allemal besser als wenn es auf dem Herzen bleibt und um 3.00 Uhr drückt.

@ Maxi, Danke für deine Worte!

LG, Jutta


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Juledan« (11.03.2012, 01:29)
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