#1
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Bosie

Gast

Hallo!

Ich habe mich heute hier angemeldet, da meine Schwägerin (42), bei der ich lebe, einen Schlaganfall hatte.

Es war glücklicherweise nur ein leichter Anfall und die Folgen sind nicht allzu dramatisch, jedenfalls nicht im Vergleich zu dem, was ich in der letzten Zeit von anderen gelesen habe!
Ihre Motorik ist eingeschränkt und sie übt jetzt mit einer Reha-Therapeutin Dinge wie schreiben, Knöpfe zumachen, sich schminken, gezielt greifen usw.
Ihr Sprachvermögen ist nur gering betroffen, sie spricht etwas langsamer und "einfacher" und sucht manchmal nach Wörtern, aber es ist wie gesagt nicht so dramatisch.

Was ich mich aber frage ist, inwiefern sich ihre Persönlichkeit wohl dauerhaft verändert hat?
Momentan ist sie "anders" als vorher, sie war vorher extrem aktiv, extrem hektisch, recht exaltiert, hatte nur ihre Karriere im Kopf, war oft unbeherrscht, hat sich viel und oft aufgeregt usw.
Jetzt ist sie sehr ruhig, nicht apathisch, nicht teilnahmslos, aber auf jeden Fall sehr still und ruhig, ihr ist vieles einfach egal, vieles interessiert sie anscheinend einfach nicht mehr.

Was ich mich vor allem frage ist, ob sie vieles nicht mehr wahrnehmen kann oder ob sie nicht will?
Ich weiß irgendwie zur Zeit nicht, wie ich mit ihr umgehen soll, so wie sie jetzt ist kenne ich sie ja gar nicht.

Mich würde interessieren, ob sich Eure Angehörigen auch von ihrer Art her sehr verändert haben? Und wenn ja, nur zeitweilig oder dauerhaft?
Das soll nicht so klingen, als wäre mir meine Schwägerin vorher lieber gewesen! Es ist nur so ungewohnt sie so zu erleben und ihr Lebensgefährte und ich wissen nicht so recht, wie wir mit ihr umgehen sollen, wir wissen nicht was in ihr vorgeht und wissen nicht, was sie nicht mehr kann  oder was sie nicht mehr will.
Wir wollen sie natürlich nicht dazu ermutigen, ihr irrsinniges Arbeitsleben wieder aufzunehmen, aber wir wollen auch nicht dass sie denkt, wir wären der Meinung sie könne nicht mehr arbeiten.
Das Problem ist halt dass wir nicht wissen, ob ihre geistigen Fähigkeiten noch vollkommen da sind oder nicht. Wir wollen sie ja nicht verletzen, aber auch nicht nerven und überfordern, das ist wirklich schwierig!

Viele Grüße an Euch alle!
#2
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Bosie, gib Deiner Schwägerin Zeit, sie muss erst einmal den SA verkraften. Ihr könnt eigentlich froh sein, dass sie nicht aggressiv ist und  alles negativ sieht. Die Folgen eines SA brauchen sehr lange, um sich wieder zu regenerieren. In den meisten Fällen ist das nicht der Fall. Also nehmt das zur Zeit so hin. Ich hatte vor 9 Jahren zwei schwere SA an einem Tag.
 
Gruß Friedrich
#3
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Bosi,
 
deine Schwägerin hat was erlebt, dass sie nachdenklich macht. Sie überdenkt zur Zei ihr ganzes Leben und wahrscheinlich auch ihre Zukunft. Sie ist sicher noch nicht so belastbar wie vorher, aber ihr Hirn dürfte wahrscheinlich nicht so geschädigt sein, dass sie euch auf eure Fragen keine Antwort gibt.
 
Frag sie ganz einfach, aber so normal wie früher. Du hast es nicht mit einer "blöden", oder mit einem Kleinkind  zu tun. Sie merkt genau den Unterschied.
 
Ihr kämpft mit Berührungsängsten, seid so normal wie vorher und wenn sie das Gefühl hat, wieder in eurer Mitte zu sein, dann kriegt ihr auch die Antwort. Sie ist mit Sicherheit noch sehr verunsichert, aber je normaler ihr sie behandelt um so eher wird sie ihr Selbstbewusstsein wieder finden.
 
Liebe Grüße Manfred
#4
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Bosie!
Leider kann man deinem Beitrag nicht entnehmen, wann deine Schwägerin ihren Schlaganfall hatte. Kannst du dir eigentlich vorstellen, was das für einen Menschen , der voll im Leben stand und aktiv war, bedeutet? Du bist ganz plötzlich hilflos und auf andere angewiesen. Du hast ständig Angst, es könnte noch ein SA folgen, der dich vielleicht entgültig zu einem sabbernden,ständig auf fremde Menschen angewiesenen Pflegefall macht.Wenn man einen SA gehabt hat, ist man ja nicht schwachsinnig geworden. (es gibt natürlich auch welche, wo hauptsächlich das Denken ,Gedächtnis betroffen ist, von denen rede ich nicht.)Ich habe das mit Absicht so brutal geschrieben. Die letzte Zeit habe ich hier öfter über  Unverständnis von Freunden oder Angehörigen gelesen, daß der Kranke so anders geworden ist, so langsam, oder so ruhig. Andere schreiben, daß der Partner oder Freund lustlos ist oder viel weint. Hallo? Wacht auf!!! Versetzt euch einfach mal in deren Lage!!!! Ich habe Gott sei Dank einen Mann, der mich immer unterstützt hat. Ohne Verständnis und Rücksichtsnahme auf beiden Seiten, geht gar nichts. Sei nicht böse, weil ich ein wenig schroff war, aber so ist ist das. Jemand, der einen SA hatte, muß lernen damit zu leben und das braucht seine Zeit. Liebe Grüße von Marion ( die heute etwas genervt war) 
#5
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Bosie,
 
ich denke, dass Marion es aus der Sicht eines Betroffenen schon richtig beschrieben hat. Auf der anderen Seite kann ich als Angehörige eines Betroffenen deine Gedanken sehr gut verstehen. Ich denke, dass es einfach ein riesiger Unterschied ist ob man selber betroffen ist, oder "aussen" davor steht.
Seit der Hirnblutung meines Mannes schaue ich ihm auch nur noch "vor den Kopf" und nicht mehr hinein. Bei der Auswirkung so einer Erkrankung gibt es aber auch mit Sicherheit gravierende Unterschiede. Wenn ich so zwischen den Zeilen von Marion lese, dann hat sie alles von Anfang an richtig mitbekommen. Bei meinem Mann jedoch war das Wahrnehmungszentrum sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Er hat seinen Zustand niemals als schlimm empfunden, während es hier andere Betroffene gibt, die alles ganz klar wahrgenommen haben. Wir als Nichtbetroffene können es wohl nie im Leben nachvollziehen, wie es den direkt Betroffenen geht, aber genauso schwierig dürfte es anders herum aussehen. Jede Ausnahmesituation kann nur der nachvollziehen, in der er selber schon einmal gewesen ist. Also macht es so wie Manfred geraten hat (und so habe ich es mit meinem Mann auch immer wieder gemacht) sprecht mit ihr und fragt sie, was sie gerade beschäftigt, was sie denkt.....
Auch wenn ein Mensch sich verändert, oft gewöhnt man sich sehr schnell daran und lebt sein Leben anders.
Nicht den Kopf hängen lassen.
Gruß Steffi 

Wir sind nur zu Besuch auf dieser Welt, also machen wir das Beste draus.....
#6
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Unbekannt

Gelöscht

Hier bin ich noch mal. Steffi hat  das richtig erkannt. Ich war immer voll da und mußte jeden Tag die Frage beantworten: Welchen Tag haben wir heute, welches Jahr und ..wissen sie wo sie hier sind? Ich fühlte mich immer, als müßte ich denen ständig beweisen, daß ich im Kopf klar war und nur  körperlich  beschädigt war. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, daß Verwandte glauben, jetzt ist sie wieder zurrück, sie kann schlecht gehen aber sonst ist sie ja gesund. Es ist jeden Tag ein Kampf, nichts ist mehr so wie es war. Körperlich bin ich nicht fit, bin ständig erschöpft und muß immer gegen die Angst ankäpfen. So etwas sieht niemand und es kann ja auch keiner verstehen.Mein Mann hat es dadurch auch nicht leicht, der hat sich seinen Ruhestand auch anders vorgestellt.Das kommt auch dazu, das Gefühl, man hat dem Partner etwas genommen, man ist eine "Spaßbremse". Das würde er mich nie spüren lassen, aber er tut mir so leid, weil er so ein fröhlicher Mensch ist.Ich bin auch nicht schwermütig aber manchmal überkommen mich diese Gedanken. NA, das war ja wohl ein blöder Satz. Ich mache lieber Schluß. Also nicht böse sein. Marion
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »hoffnung« (10.09.2007, 13:54)
#7
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Bosie

Gast

Hallo Friedrich, Manfred, Marion und Steffi!
Erstmal VIELEN LIEBEN DANK für Eure schnellen Antworten!! Ich bin ja echt froh, das Forum gefunden zu haben!

Und dann gleich das Wichtigste: Ich halte meine Schwägerin absolut nicht für blöd, schwachsinnig oder behindert! Ich hoffe, da habt Ihr mich nicht falsch verstanden! Sie ist ja nicht einmal pflegebedürftig, sie kann ja alles Grundlegende allein tun, es war ja nur ein leichter SA im Vergleich zu dem, was andere Patienten z.T. erleiden.
Und es ist auch kein Unverständnis meinerseits wenn ich sage, dass sie "so anders" ist! Es ist Unsicherheit, aber kein Unverständnis und gerade weil ich unsicher bin, frage ich andere Betroffene, eben weil ich meiner Schwägerin nicht wehtun möchte, eben weil ich ihr nicht das Gefühl vermitteln möchte, ich hielte sie nun für "schwachsinnig".

Ich bin selber auf andere Weise krank und weiß wie fürchterlich es ist, von Unwissenden für bescheuert gehalten zu werden, ich erlebe das seit meiner Kindheit regelmäßig. Ich möchte meiner Schwägerin genau das ersparen, was mir heute noch immer wieder weh tut und nervt, wie Du, Marion, es ja auch erlebst, weil andere Menschen einen aus Unwissenheit unabsichtlich verletzen und man sich wie ein Vollidiot fühlt.

Ihr SA ist erst am 6. August gewesen. Friedrich, Du hast natürlich Recht, das Wichtigste was sie braucht ist Zeit. Ich denke mit der Zeit werden sich viele Fragen die wir Angehörigen haben auch von selbst beantworten, bzw. sie wird sie uns im Laufe der Zeit beantworten.
Meine Unsicherheit besteht halt darin, dass ich sie weder nerven und überfordern, aber auch nicht unterfordern möchte. Ich möchte nicht das sie meint, ich traute ihr nichts mehr zu, aber ich möchte auch nicht das sie unter Druck gerät und meint, sie müsse uns etwas beweisen.

Und ich wüsste eben gern, was sie empfindet und was sie möchte und was nicht, ich weiß ja nicht, ob durch den SA ihr Gefühlsleben verändert ist.
Es klingt grotesk, aber vielleicht geht es ihr durch den SA besser als vorher. Sie war von irrsinnigen Schuldgefühlen zerfressen, sie hat sich selbst zerfleischt und hat sich aggressiv gegen sich selbst (physisch) und gegen andere (verbal) verhalten, sie stand ständig unter Starkstrom, hatte abwechselnd Wutausbrüche und Depressionen, hat bis zu 18 Stunden täglich gearbeitet, immer wieder bis zum Zusammenbruch, sie war jahrelang in therapeutischer Behandlung aber es ging ihr immer schlechter und sie hat sich und ihr Leben gehasst und bloß für den Beruf gelebt, in dem sie brilliant und riesig erfolgreich war.
Vielleicht geht es ihr nun besser? Seit dem SA ist keine Rede mehr von ihren Schuldkomplexen und ihrem Selbsthass und darum fragen wir uns eben, ob sie das vergessen hat oder ob sie es einfach jetzt anders empfindet? Das meinte ich mit „sie ist jetzt so anders“, aber da lag kein negatives Werturteil drin!

Bitte versteht das nicht falsch, ich halte sie nicht für geistig behindert oder sonstiges. Aber diese Frage liegt doch nahe. Auch die Frage, ob sie jetzt darunter leidet nicht arbeiten zu könne, oder ob sie vielleicht sogar froh ist? Ich weiß ja auch nicht, ob sie alles wie Marion vollkommen mitbekommt oder ob es eher wie bei Steffis Mann ist und sie ihren Zustand nicht als schlimm empfindet. Sie sagt dazu nicht viel, aber so wie wir es einschätzen ist sie in erster Linie dankbar für das Glück, das sie hatte, das sagt sie öfters.

Sicher spielt da auch das eine große Rolle, was Du, Manfred, schreibst, nämlich dass sie plötzlich ihr Leben überdenkt.

Haltet Ihr es für möglich, dass ein SA einen Menschen auch positiv verändern kann? Und bitte versteht auch diese Frage nicht falsch! Mir ist sie jetzt nicht "lieber" oder "weniger lieb" als vorher! Ich war dran gewöhnt dass sie oft so aggressiv war, ich wusste sie ja zu nehmen und ihr Lebensgefährte auch. Aber für SIE wäre ich froh, wenn sie jetzt in sich ruhiger und mit ihrem Leben zufriedener wäre, wenn sie weniger aggressiv und depressiv wäre als früher, in IHREM Sinne wäre ich froh!
Aber wahrscheinlich ist es müßig sich das zu fragen, es wird sich ja zeigen und Steffi, Du hast natürlich Recht: wir können sie ja fragen, was sie beschäftigt und sie kann entscheiden, was und wie sie antwortet.

Und wie gesagt hoffe ich dass Ihr mir glaubt, dass es mir nicht an Verständnis mangelt! Es ist schrecklich, aufgrund einer Krankheit für doof gehalten zu werden, es ist aber auch schrecklich von anderen überfordert zu werden, wenn man aufgrund der Krankheit nicht so kann wie andere. Und weil ich das aus eigener Erfahrung weiß, will ich es ihr ersparen.


Also Euch allen vieren nach mal vielen Dank und viele liebe Grüße!
Bosie

(Sorry für die HTML-Zeichen im Text, ich bin offenbar zu schlau, den Fehler zu finden und lasse es jetzt so...
;( )

Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal bearbeitet, zuletzt von »Unbekannt (Gast)« (10.09.2007, 22:15)
#8
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Bosie,
 
ich denke, dass keiner hier negativ über dich gedacht hat. So kam das für mich auch aus deinem Bericht nicht rüber. Oft hat man Angst etwas falsch zu machen und versucht sich erst bei anderen zu erkunden. Aber die einzige wahre Antwort kann Dir nur Deine Schwägerin geben. Frag sie..... Du wirst schnell erkennen, ob sie darüber reden möchte, oder ob Du sie überforderst. Ich fand es bei allen Arztterminen auch immer super ätzend, dass mein Mann ständig gefragt wurde welchen Wochentag und welches Datum wir hatten. Das Datum wußte ich manchmal sogar selber nicht, weil der Zeitfaktor für uns damals jegliche Dimension verloren hatte. Aber ich fand es einfach nur furchtbar, weil man das Gefühl hatte da reden welche mit einem Trottel und so war es ja nicht.
Wenn Du, wie Du sagst, Erfahrung mit Krankheiten hast, dann wirst Du sicherlich das Feingefühl haben Deiner Schwägerin weiterhelfen können.
Und zum Thema, ob sich jemand zum Positiven verändern kann: Warum nicht? Ich glaube bei dieser Art der Erkrankung ist alles möglich, und viele Menschen stellen ihr gesamtes bis dahin geführtes Leben in Frage und ändern es. Deine Schwägerin scheint ja ein ziemlich hektisches und somit ungesundes Leben geführt zu haben. Dass sie jetzt durch diese Erkrankung ruhiger geworden ist, ist ja nur positiv zu werten, denn in der Ruhe liegt die Kraft
;)
Alles Liebe Steffi

Wir sind nur zu Besuch auf dieser Welt, also machen wir das Beste draus.....
#9
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Unbekannt

Gelöscht

Ich glaube, Persönlichkeitsveränderungen können in alle möglichen Richtungen auftreten. Je nach dem, was im Gehirn genau geschädigt wurde.
Der Vater meines Freundes war auch immer sehr arbeitssam, ständig unter Strom und erfolgreich. Aber auch etwas egoistisch. Nach seinem SA wurde er sanftiger, ruhiger, gefühlvoller könnte man sagen. Also hat er sich definitiv nicht negativ verändert.... Das mag zum einen mit Veränderungen im Gehirn zusammenhängen. Aber auch mit der Erkenntis, dass er dem Tod nahe war... Da verblassen vorher so wichtige Sachen wie Karriere vielleicht und derjenige erkennt, dass andere Sachen eigentlich für ihn wichtiger sind im Leben. Kann mir gut vorstellen, dass sich da die Prioriäten ändern, einfach dadurch, dass man so einen "Warnschuss" erhalten hat.
 
Lg, Ruth
#10
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Unbekannt

Gelöscht

Guten Morgen Bosie, ich habe mich über deine PM gefreut. Es ist gut, dass du verstehst, was ich sagen wollte. Ich glaube auch, Menschen können sich durch einen SA verändern. Vielleicht wird deiner Schwägerin ja bewusst, dass sie jetzt die Chance hat, ihr bisheriges Leben zu überdenken. Mich hat der SA am An fang auch ruhiger werden lassen. Zum" Leidwesen" meines Mannes war das aber nur ein vorübergehender Zustand, der alte "Streithammel" ist wieder zum Vorschein gekommen.
 
 
Wenn man seine Ruhe nicht in sich findet,
ist es zwecklos, sie anderswo zu suchen.
 
Francois Duc de La Rochefoucauld
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