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Astrid68

Gast

Hallo,  ich bin neu in diesem Forum und hoffe auf einige Ratschläge weil ich aus eigener Kraft nicht weiter komme. In meinem Fall geht es nicht so sehr um medizinische Angelegenheiten, da meine „Geschichte“ eigentlich sehr gut gegangen ist. Eigentlich! B ei mir ist es die Seele und Angst! Ich hoffe Sie können mir einige Tipps geben wie ich mit meinem Problem fertig werden kann und ich hoffe Sie halten meinen „Fall“ nicht für unwichtig weil mich meine Situation sehr belastet. Also habe ich im Internet gesehen ob es ein Forum für Angehörige von Schlaganfallpatienten gibt und bin jetzt hier.  Allerdings muss ich etwas ausholen um mein Problem verständlicher zu machen. Mein Lebenspartner (58 Jahre) und ich (40 Jahre) leben beruflich bedingt nicht zusammen. Wir haben einen gemeinsamen Sohn (8 Jahre).  Nun möchte ich den schlimmsten Tag meines Lebens beschreiben. Mein Lebenspartner (damals habe ich noch zwischen Hamburg und Lübeck gewohnt) hat uns für ein Wochenende besucht… Am 29.10.07 fuhr mein Partner von uns in Richtung Bonn, da er dort einen geschäftlichen Termin hatte.
 
Während der Fahrt rief er gelegentlich an und sagte wo er sich befindet. Soweit alles normal.  Dann klingelt um 10.34 Uhr das Telefon. Keine zwei Worte und ich wusste, es ist was ganz schlimmes passiert (ein glück reagiert in schlimmen Situationen nur mein Kopf). Mein Partner sprach ganz mechanisch. „Ich bin auf der Toilette Raststätte Remscheid und habe einen Schlaganfall, du weißt was jetzt zu tun ist…mach! Während er dies sagte hatte ich mein Handy in der Hand und wollte genau wissen wo er ist um einen Rettungswagen zu rufen…das Herz konnte es nicht sein...er bekam Luft… \*pfui\* Schlaganfall weil er kaum sprechen konnte. Ich fragte ihn total unsinnige Dinge… Er war auf dem Herrenklo der Raststätte und ich wollte von ihm wissen ob jemand einen Rettungswagen gerufen hat, er meinte, ja der Mann der das Klo sauber hält, mir fielen nur dumme Fragen ein weil ich ihm Ruhe vermitteln wollte. Wo sitzt du, was hat der Klomann für Schuhe an usw…oh man war das schlimm!  Ich weiß nicht wie lange das Gespräch war- gefühlte Stunden- und ich hatte nur ein Ziel- reden und versuchen ihn wach zu halten. Dann – endlich- ich höre den Rettungswagen- viele, schnelle Schritte - Telefonat beendet!  Es ist erstaunlich wie leistungsfähig der Mensch ist wenn er unter Schock steht! Nach Beendigung des Gesprächs war klar- ich muss in die Klinik in die mein Partner kommt. Egal wo, egal wie! Also – was hab ich zu tun?
 
Ich musste also einen Babysitter organisieren und den Termin von meinem Partner in Bonn absagen. Außerdem musste ich bei meinem Arbeitgeber anrufen um die Situation zu schildern und um mich abzumelden.  Gefühlte Stunden später rief mich der Notarzt an. Sie würden meinen Lebenspartner ins Sanaklinikum nach Remscheid bringen. Telefonat beendet!  So- schnell noch ins Netz um zu gucken was dies für eine Klinik ist – oh gut Fachklinik Schlaganfall! So- Routenplaner – die Route berechnen und dann los!  Da ich keinen Porsche besitze sondern einen Opel Agila und die A 1 immer voll ist richtete ich mich auf 5 Stunden Fahrt ein.  Und mit dem Antritt der Fahrt begannen die fünf schlimmsten Stunden meines Lebens. All die Gedanken die ob ich wollte oder nicht einfach in meinem Kopf schossen – Radio an – lenkt ab- mist geht nicht – ich mache die Musik lauter –hilft auch nicht – oh gott- was ist wenn… er ein Pflegefall ist… ich baute im Geiste schon eine Rampe damit er mit einem Rollstuhl ins Haus kommt weil ich ihn nie in einer solchen Situation alleine lassen würde – wie könnte ich es schaffen einen Pflegefall – meinen Ganztagsjob, die Kinder und den Haushalt so zu organisieren, dass er ihm gut geht ?.... Und dann die Frage an mich, was wäre wenn mir so was passiert wäre? Ups - das Ergebnis war sehr ernüchternd, mein Leben bestand immer aus Pflichten, Pflichten und noch mal Pflichten. Spaß oder mal Freizeit Fehlanzeige! Da beschloss ich für mich, mein Leben nach dem 29.10. zu ändern. Zu tief und zu nah war dieses Erlebnis für mich.
 
Und was mache ich wenn ich ankomme und er lebt nicht mehr? Angst, Druck auf der Brust, die Wut warum ihm dies passiert, Ohnmacht, Trauer – mir ist schlecht! Ich muss mich ablenken aber wie? Nichts hilft! Die Angst bleibt!  Nach gefühlten Tagen komme ich endlich an. Auf dem ewig langen Weg von der Garage der Klinik ins Klinikgebäude wird mir schwindelig und schlecht und meine Tränenkanäle scheinen sich für immer zu öffnen. Nein – bloß das nicht! Alles nur das nicht- sei stark und reiß dich zusammen – dir geht’s schließlich gut –stell dich nicht so doof an. Ein Glück – hilft! Ich kann kaum sprechen und stehe nun an der Information der Klinik und frage wo mein Partner liegt… oh man – wie unübersichtlich sind eigentlich Klinikgebäude – man bekommt den Eindruck jeder Architekt baut sie um in meiner Situation noch mehr Verwirrung zu stiften – deshalb verlaufe ich mich auch – so – geschafft – ich stehe vor seinem Zimmer – soll ich anklopfen – ich hab Angst vor dem was hinter der Türe auf mich wartet – los – du schaffst das! Klopf endlich und geh rein!
 
Ich klopfe und mache die Türe auf!  Da sitzt mein Partner und sagt hallo! Was – wie – mit dieser Situation war ich total überfordert.  Ich gehe zu ihm und gucke ob noch alles dran ist – totaler Unsinn, bin ich jetzt übergeschnappt – man sieht nicht was und ob ihm etwas fehlt. Gut! Oder? Glücklich endlich in der Klinik zu sein schließe ich meinen Liebsten in die Arme. Das Sprechen scheint noch etwas schwierig weil er nach den richtigen Worten sucht (aber ich gehe darüber hinweg – überglück!).
 
Wir haben nur kurz Zeit und er sagt mir es war ein Schlaganfall – linke Seite gelähmt – Sprache sehr anstrengend, da er noch nach den richtigen Worten suchte – aber Männer besitzen ja ein – mir-tut-nichts-weh-also-kann-ich heim-gen. Mein Liebster auch, saß auf dem Bett und sagt dann kann ich ja morgen wieder heim, klar und selber fahren (500 km) wollte er auch! Ich dachte mich tritt ein Pferd! Das muss der Schock sein! Manchmal sollte Frau zu bestimmten Dingen nichts sagen. Tat ich auch nicht.  Die Türe geht auf und der Doc kommt! Diagnose: schwerer Hirnschlag, Auslöser noch unbekannt, da er links gelähmt war und an der linken Halsschlagader eine Verdickung war aber die Symptome nicht passten. Aber er hatte nichts zurückbehalten, konnte reden , laufen, sich bewegen, alle Schwestern und Ärzte sagten er hätte unglaubliches Glück gehabt. Alle Engel waren wohl zu gleiche Zeit am gleiche Ort sonst wäre mein Partner nicht so glimpflich davongekommen. Aber trotz glück hat er keine Lehre aus diesem Schuss vor den Bug gezogen. Na und mein Liebster meint, mir tut nichts weh also kann ich morgen wieder heim. Nix da, ich sagte dem Doc ganz unmissverständlich, ohne mich! Ich würde ihm alles wegnehmen bevor nicht klar ist wodurch der Schlaganfall ausgelöst wurde, würde ich ihn nicht mitnehmen. Frauen können ja wunderbar drohen. Ich sagte, ich würde seine Familie anrufen und die würden schon dafür sorgen Vernunft walten zu lassen. Half! Zuweilen helfen verzweifelte Drohungen.  Da es ihm aber „gut“ ging drängelte er weil er entlassen werden wollte! Ich fuhr jeden Tag von morgens bis abends in die Klinik weil ich Angst hatte er würde schwindeln.  Nun sollte er am Samstag (eine Woche später) entlassen werden. Die Tür ging auf eine sehr nette aber total gestresste Ärztin, die sich sehr um uns bemühte und ich ihr Löcher in den Bauch fragte, kam rein. Die Papiere waren schon fertig! Für sie war klar, mein Lebenspartner wird entlassen. Da hatte sie aber nicht mit mir gerechnet. Er sollte etwas unterschreiben damit er gehen kann, da war für mich klar- und dies sagte ich auch, muss er etwas unterschreiben dann nehme ich ihn nicht mit. Das Risiko sei mir zu groß! Die Ärztin konnte sich das Grinsen nicht verkneifen und meinte, na dann können wir ja auch die anderen Untersuchungen machen. Und dann wurde mein Liebster auf einmal blass. Wieso Untersuchungen? Na weil noch immer nicht klar war wodurch der Schlaganfall ausgelöst wurde.  Ergebnis der Herzuntersuchung war: ein Loch im Herzen (wohl von Geburt an) mit 3,5 cm Durchmesser. Ich bin natürlich zu fast allen Untersuchungen mitgegangen. Und bei der Ultraschalluntersuchung vom Herzen konnte man selbst als Leihe sehen, wie sich im Herzen immer etwas hin- und herbewegt. Der Doc erklärte durch das Loch würde „altes mit neuem Blut“ vermischt und durch die Verwirbelungen könnten Gerinnsel entstehen die dann „wandern“. Und ein solches Gerinnsel sei wohl zur Halsschlagader gewandert und hätte dann zu dem Vollverschluss im Gehirn geführt. Na bravo! Und nu? Schirmchen waren die Lösung!  Na der Entlassung fuhr ich meinem Liebsten heim und kümmerte mich noch eine Woche um ihn.
 
Zwischenzeitlich war er zur zweiten Kontrolle seiner „Schirmchen“. Er lebt wie vorher, trinkt gerne mal ein Glas Bier oder Wein und das Rauchen hat er auch nur bedingt aufgegeben. Bin ich blöd oder verdrängt dort jemand? Wie gehe ich aber damit um? Was soll ich tun?  Aber schlimmer ist diese „Typveränderung“! Der Neurologe sagte auf meine Frage was denn im Gehirn „kaputtgegangen“ ist „etwas was er nicht braucht“, na bravo!
 
Menschen die ihn nicht so gut kennen oder nur selten sehen, glauben er ist wie vorher aber ist er nicht. Das Kurzzeitgedächtnis ist nicht so doll. Ich habe versucht zaghaft dieses Thema anzusprechen aber er will oder kann nicht die Wahrheit für sich annehmen. Macht den Umgang aber sehr schwierig. Er „teilt“ aus und wenn man versucht mit ihm zu reden, ist er sehr schnell beleidigt. Er hat sich nie mit seinem Schlaganfall auseinandergesetzt. Ich habe ein Buch gekauft aber wer hat es gelesen… richtig – ich!  Ist das eine Art Schock? Ich weiß echt nicht wie ich mit ihm umgehen soll. Ich hab ihn sehr lieb aber den 29.10. werde ich nie vergessen. Ich habe mein Leben durch dieses Erlebnis total verändert.
 
Ich bin Ende Februar 08 nach Bonn gezogen, habe einen neuen Job und tue jetzt auch etwas für mich, denn treffen kann jeden so etwas und dann möchte ich zu mir sagen können, okay – so was muss Frau nicht bekommen aber du hast ein ausgewogenes Leben. Freude an der Arbeit, tolle Kinder, Freunde und hast etwas für dich getan.
 
Aber mein Partner hat große Probleme damit. Er bezieht alles auf sich. Dieses Erlebnis Schlaganfall war so schlimm für mich das ich immer denke wenn ich meinem Liebsten jetzt auf die Pelle rücke dann schade ich ihm. Vom Kopf weiß, es ist Blödsinn. Aber ich komme nicht weg davon. Ging es einem von Ihnen auch so? Mein Liebster denkt ich würde ihn nicht lieben. Wenn er bei uns ist und aus Frust über meine Berührungsängste eine Flasche Rotwein trinkt und raucht ist das viel schlimmer. Was kann ich tun, damit ich diesen Blödsinn aus meinem Kopf bekomme weil ich ihm mit meinen Zärtlichkeiten nicht schade?  Die Situation hat sich eben sehr zugespitzt, daher weiß ich nicht was ich machen soll. Ich weiß mein Beitrag ist lang aber ich hoffe auf einen Tipp. Gibt es Ärzte mit denen man über so was reden kann? Wir leiden beide unter der Situation aber ich weiß nicht wie ich diese ändern kann. Ich weiß, mein Beitrag ist lang aber ich hab wirklich keine Ahnung was ich tun soll. Ich bedanke mich schon im Voraus und bin froh hier zu sein denn ich denke so wie mir geht es vielen vielen anderen Angehörigen auch.
 
Ich baue auf Sie oder Euch.
Viellen Dank
Astrid

Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal bearbeitet, zuletzt von »Admin« (28.03.2008, 09:15)
#2
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Astrid,
 
erst ein mal ein herzliches Willkommen im Forum.
 
2. mach bitte Absätze beim Schreiben, so ist es für uns leichter zu lesen.
 
3. sind wir im Forum alle per "Du".
 
Nun, was du erlebt hast, kennen wohl alle, die mit so was in Berührung kommen, es wird einem der Boden unter den Füßen weggezogen!!!
 
Nimm dir eine kleine Auszeit und mach Nägel mit Köpfen. Mach einen Termin mit seinem Oberarzt und gehe in die Sprechstunde. Schreibe dir die Fragen zu Hause auf, die dich quälen. Der Arzt hat jetzt Zeit und all Unterlagen parat und du vergisst nichts zu fragen!!!
 
Danach geh in die Sozialstation, die helfen bei den nächsten Schritten.
 
Liebe Grüße Manfred
#3
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe Astrid,
 
fühl Dich von uns herzlich im Forum aufgenommen!
Ich bin auch "nur" Angehörige. Meine Mama hatte vor 2 Jahren einen schweren SA und war rechtsseitig gelähmt (laufen kann sie jetzt aber wieder) und hat eine schwere globale Aphasie.
Mein ganzes Leben hat sich seit dem SA verändert und wird nie mehr das alte unbeschwerte Leben sein. Das wird Dir auch so gehen, irgendwie kann man es nicht verhindern. Der Kopf weiß zwar das man auch mal abschalten muß und an sich denken muß, aber die Seele kann das einfach nicht. Man kann nie ganz vergessen. Das ist einfach so. Mach Dir also keine Gedanken drüber das das Thema SA Dich beherscht. Das ist vollkommen in Ordnung, wird nie vergehen, aber es wird sicher besser werden!
Schimpf auch mal mit Deinem Mann wenn Du nicht mehr weiterkannst, pack ihn nicht in Watte. Auch er braucht mal nen Rüffel um wieder klar zu sehen!
Vielleicht solltet Ihr mal versuchen über ne Gesprächstherapie Hilfe zu bekommen! Aber ich denke das das Dein Mann abblocken wird!
Das er sich verändert hat, damit mußt Du leider leben. Aber vielleicht schaft er es auch mit Deiner Hilfe wieder ein bißchen so wie früher zu sein! Er brauch Dich jetzt ganz sicher, auch wenn sein Stolz das vielleicht nicht zulassen kann.
Ich hoffe ich konnte Dir ein bißchen helfen!
 
Liebe Grüße Mikesch
:D
 
PS: Evtl. schick ich Dir noch was schönes per PM. Bin mir aber noch nicht sicher ob ich es hinbekomme!
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