#1
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Verena

Gast

Hallo!

Ich bin neu hier und weiß deshalb auch nicht genau, was ich mir hiervon erwarte...ich denke, ich wollte einfach nur mal die Geschichte meiner jetzigen Situation loswerden und die hat mit meinem Vater zu tun.

Mein Vater war 33, als er vor 14 Jahren einen schweren Schlaganfall hatte und ins Koma fiel. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie alles genau ablief, da ich erst 7 Jahre alt war, aber ich werde das Bild nie vergessen, als ich ihn im Krankenwagen wegfahren sah.
Irgendwann wachte mein Vater wieder auf, aber es hatte Komplikationen gegeben und große Teile seines Hirns wurden irreparabel beschädigt. Heute ist er nach wie vor auf dem geistigen Stand eines etwa 2jährigen Kindes. Er kann nicht sprechen, nicht verstehen, sich nicht erinnern, er erfasst keine logischen Zusammenhänge und er hat eine spastische Lähmung, die sich vor allem in den Händen und der Haltung ausdrückt.
Die Situation belastet mich nach wie vor sehr. Es hat viel Ärger in der Familie gegeben, weil meine Mutter meinen Vater nicht ihm Haus pflegen konnte und wollte, er lebt jetzt in einem 70km entfernten Heim mit einer überwachten Station. Und ich war seit 2 Jahren nicht bei ihm. Das zuzugeben fällt mir schwer, da ich mir manchmal so feige und egoistisch vorkomme. Aber jedesmal, wenn ich ihn sehe muss ich weinen und er kann mit dieser Empfindung nicht umgehen, er reagiert ausschließlich auf lachen. Hinterher fühle ich mich jedesmal völlig ausgelaugt, ich bekomme Alpträume und Weinkrämpfe - und wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass es wieder für lange Zeit der letzte Besuch gewesen sein wird. Aber dieses Jahr werde ich ihn besuchen. Ich will nicht irgendwann an seinem Grab stehen und sagen müssen, dass ich nicht bei ihm war.
Manchmal bin ich völlig irrational wütend auf ihn, weil er mich allein gelassen und die Lebensabschnitte seines kleinen Mädchens, wie etwa Schulabschluss und Studiumsbeginn im letzten Jahr, nicht mitbekommen hat. Dennoch liebe ich ihn, denn er ist -irgendwie- wohl immer noch mein Vater. Und das Trauma meines Lebens.

Verzeiht mir, wenn dieser Bericht etwas lang und emotional geraten ist, aber der Schlaganfall meines Vaters ist das Ereignis, das lange Jahre mein Leben bestimmt und geprägt hat.
Vielleicht gibt es hier Menschen, die Ähnliches durchgemacht haben und die Interesse daran hätten, ihre Erfahrungen und vielleicht auch Gefühle mit mir zu teilen?

Liebe Grüße, Verena

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Unbekannt (Gast)« (08.02.2008, 00:33)
#2
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe Verena, mir geht es im Moment fast genauso wie dir. Im Moment kämpfe ich um das Leben von meienm Mann, 52 Jahre. Er liegt nach einer OP im Koma seit zwei Wochen. Seine Mutter ist im Pflegeheim, beschützender Bereich wegen Alzheimer. Seit der Hirnblutung von meinem Mann am 28.8.07, hat sich super erholt gehabt, wusste alles konnte sprechen und hat auch wieder angefangen seine linke gelämte Seite zu bewegen, bis die OP zum Deckel einsetzen erfolgte.  Das werden jetzt am Montag drei Wochen. Was ich dir aber sagen will ist, meine Schwiegermutter ist mir immer mehr eine Mutter gewesen wie meine eigene und ich habe sie wirklich lieb, auch heute noch obwohl sie mich nicxht mehr erkennt und auch nichts mehr weiß. Sie lebt halt in ihrer eigenen Welt. Vor dem Unfall von meinem Mann war ich oder wir, mein Mann und ich 2-3 mal in der Woche bei ihr im Heim. Seit dem Unfall war ich gerade mal 2 mal für ein paar Minuten bei ihr. Ich verkrafte es einfach nicht zwei Menschen leiden zu sehen die ich wirklich vermisse und über alles liebe.
Gerade gestern habe ich sie so vermisst. Sie hat uns immer geholfen und jetzt stehe ich alleine da. Unsere Kinder sind zwar immer für mich und meinem Mann da , aber ich möchte sie nicht immer mit meinen Sorgen zu sachütten.
Sie haben ein Recht auf ihr eigenes Leben. Es ist auch für sie nicht einfach.
Ich weiß nicht ob ich es ohne unseren Kindern ,33 J, 26 Jahre und 18 Jahre  geschaft hätte. Aber sie haben auch ihre Arbeit und müssen der nachgehen. Unsere Tochter hat drei Kinder, und die hängen sehr an ihrem Opa, jetzt muss meine Tochter stark gegenüber den Kids sein, wenn sie nicht mehr kann, geht sie zum weinen in den Keller, damit die Kids nicht mitbekommen wie es um ihren Opa steht.
 
Du siehst, du bist nicht alleine.
 
Libe Grüße Heike
#3
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Verena,
 
ich verstehe, dass du auf deinen Vater, nein eigentlich auf die ganze Welt wütend bist, aber dein Vater leidet darunter wahrscheinlich noch mehr, weil er für seine Familie ausgefallen ist.
 
Es wäre ihm zu wünschen, dass er nichts mitbekommt, aber sicher ist das nie. Ich bin dahinter gekommen, dass Menschen, die so beurteilt waren wie dein Vater, sehr wohl klare Gedanken hatten.
 
Und ich finde es wichtig für dich selber,- für deine Seele,  dass du ihn besuchst und ihm verzeihen kannst.
 
Angenommen, dein Vater stirbt, machst du dir das ganze Leben Vorwürfe.
 
Du hast diese Kraft, die man braucht von niemandem gelernt und wenn sie deine Mutter nicht hatte, von wo solltest du sie haben?
 
Nimm dir vor deinen Vater manchmal zu besuchen, er freut sich bestimmt, auch wenn er das nicht so zeigen kann!!!
Dir wird es gut tun.
 
Liebe Grüße Manfred
#4
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Verena,
 
ich kann es auch gut nachvollziehen, wie es Dir geht.
 
Auch ich hatte Angst meinen Vater zu besuchen. Mittlerweile habe ich andere Angstfaktoren. Ihm gegenüber zeige ich immer Stärke, Verständnis und Kraft. Aber wie oft bin ich von der Reha nach Hause gefahren und habe einfach nur geheult auch jetzt noch. Seinen Vater so hilflos zu sehen - tut mir immer wieder weh. Er kann - durch seine globale Aphasie nicht verständlich mit uns reden und wenn er nach etwas bestimmten fragt, wir nicht antworten können, wird er wütend. Das schafft mich auch.
Ich bin für ihn mittlerweile eine ganz besondere Kontaktperson geworden - viele Dinge lehnt er ab aber wenn ich ihm etwas vermittel dann nimmt er es. Das gefällt mir und gibt mir Kraft.
Ich mache alles erdenkliche, was in meiner Kraft steht - aber es kostet auch mich viel Kraft. Schön, dass ich zu Hause einen Menschen habe, der mir Rückenhalt und das nötige Verständnis mitbringt.
 
In diesem Sinne - besuche Deinen Vater - es wird euch beiden verdammt gut tun!
Grüße kiriku
#5
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Verena

Gast

Danke für den Beistand, das hilft mir schon sehr weiter!

Ich hatte immer das Gefühl, ich stehe mit meiner Situation allein da...mein Bruder war erst 3 Jahre alt und kann sich gar nicht an diese frühe Zeit erinnern und meine Mutter hat ihren Schmerz selten gezeigt - sie dachte wohl, sie müsse uns Kinder schonen, aber für mich war das genau das falsche Verhalten. Aber das ist wohl einer ihrer Charakterzüge, sie ist eine unglaublich starke Frau, die bei sich selbst Schwächen kaum zulässt und sie hat es gut gemeint.

Heike, dass mein Vater wie wohl auch deine Schwiegermutter in ihrer eigenen Welt leben, das habe ich schon oft gehört und ich bin froh, dass es vermutlich auch so ist. Denn trotz allem will ich, dass er ein schönes Leben hat und -auch in seinem Zustand, wie auch immer der zu definieren wäre- glücklich ist.

Naja, jedenfalls danke ich euch, denn ich habe neuen Mut bekommen, ihn zu besuchen und dabei an ihn, statt nur an mich zu denken! Ich werde berichten wie es war!

Liebste Grüße, Verena

#6
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Unbekannt

Gelöscht

[quote]Zitat von Manfred_Mader
Hallo Verena,
 
ich verstehe, dass du auf deinen Vater, nein eigentlich auf die ganze Welt wütend bist, aber dein Vater leidet darunter wahrscheinlich noch mehr, weil er für seine Familie ausgefallen ist.
 
Es wäre ihm zu wünschen, dass er nichts mitbekommt, aber sicher ist das nie. Ich bin dahinter gekommen, dass Menschen, die so beurteilt waren wie dein Vater, sehr wohl klare Gedanken hatten.
 
Und ich finde es wichtig für dich selber,- für deine Seele,  dass du ihn besuchst und ihm verzeihen kannst.
 
Angenommen, dein Vater stirbt, machst du dir das ganze Leben Vorwürfe.
 
Du hast diese Kraft, die man braucht von niemandem gelernt und wenn sie deine Mutter nicht hatte, von wo solltest du sie haben?
 
Nimm dir vor deinen Vater manchmal zu besuchen, er freut sich bestimmt, auch wenn er das nicht so zeigen kann!!!
Dir wird es gut tun.
 
Liebe Grüße Manfred
[/quote]
Lieber Manfred.
:Ohat Verenas Vater sich den Schlaganfall ausgesucht??Deine Argumentation verstehe ich nicht?Gruss vom Twinspapa
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