#1
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hallo zusammen,

erst einmal möchte ich den machern dieses forums danken, menschen, die von einem schlaganfall betroffen sind (ob selbst oder familiär) diese möglichkeit des austausches zu geben! ich habe schon viel im forum gelesen und muss sagen, dass der umgang hier von freundlichkeit und respekt geprägt ist - keine selbstverständlichkeit im heutigen netz ...

nun zu unserer geschichte: mein papa hatte vor 1,5 wochen einen schweren schlaganfall, der weite teile der linken hirnhälfte geschädigt hat. ich versuch die geschichte kurz zu fassen:

-weihnachten klagte er über taubheitsgefühle in der rechten körperhälfte
- ende januar bemerkte ich gehäuft wortfindungsstörungen und unkonzentriertheit
-vor 3,5 wochen auf der arbeit dasselbe und zusätzlich konnte er zwei stunden
lang den rechten arm kaum bewegen -durch mich zum arzt gezwungen
- 7 tage später in der "röhre" - befund: 3 cm langer thrombus in der linken hauptader zum hirn
-sofortige einweisung auf die stroke-unit ITS in der greifswalder uniklinik
- 24 h danach op bei örtlicher betäubung.
-7h später telefonat mit unserer mutti - alles soweit o.k. -aber starke schmerzen
- weitere 2 h später anruf durch mich: sprache deutlich eingeschränkter, nur noch "ja" oder "nein"
- weitere 3 stunden später anruf des krankenhauses: "ihr vater hat einen schlaganfall erlitten"
(dieselbe stelle des halses hatte sich 12 stunden nach der op wieder zugesetzt. auf dem zur not-op
kam dann der schlaganfall ...)
- 10 h nach dem SA erfolgte auf anraten der ärzte op mit öffnung der schädeldecke - um platz für
eine evtl. schwellung des hirns zu schaffen - welche dann auch stattfand ...
-heute ist tag 11 nach SA ...

in den letzten 11 tagen ist sein zustand immer stabiler geworden (auch blutdruck usw.). wenn er die nächsten 3 tage keine lungenentzündung bekommt, dann kann er zur frühreha in das neurologische reha-zentrum der uni greifswald verlegt werden. vor 3 tagen hat er gesundheitlich einen "quantensprung" gemacht, d.h. er ist seitdem wach, also ansprechbar und bewegt die linke körperhälfte fast mühelos. Er schaut auch mit klarem blick immer zu dem, der gerade spricht. Den rechten oberarm und das rechte bein versucht er auch schon ein bisschen zu bewegen. Die lippen beginnt er auch schon zu formen …wenn er sich doch nur verständlich machen könnte …

Unsere größte sorge im moment ist seine traurigkeit. Sein blick ist ein mix aus trauer, wut, verzweiflung, angst und hoffnungslosigkeit. Er verweigert sich den schwestern, lässt sich die zähne nicht putzen usw. wenn die ärztin ihn ermahnt, lässt sein wiederstand dann etwas nach.

Meine familie hat nun sorge, dass er sich aufgibt. Ich meine aber, mein vater ist nicht der typ, der laut nach einem lila knetball ruft und „hurra – her mit der reha!“ schreit. Nütz es etwas, ihn immer wieder aufzufordern mitzumachen und sich nicht aufzugeben? Sollte man ihm diese phase der verzweiflung nicht zugestehen? Es wird doch auch wieder besser, oder? Welche erfahrungen habt ihr gemacht?

Ich danke euch schon im voraus für eure antworten

daniel


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »spencer« (02.03.2008, 17:15)
#2
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Hallo Daniel,
 
für Deinen Vater ist es bestimmt nicht einfach, aus dem vollen Leben gerissen zu werden. Es muß auch jedem Menschen wenn er dann Aufwacht eine Zeit gegeben werden das zu verarbeiten, was er dann merkt und was vorher ging und jetzt nicht mehr.
 
Ich kann Dir nur die Erfahrung mit meiner Mutter sagen und die hat einen rechts und einen links. Sie ist bis heute sehr schwierig das fängt schon beim waschen an. Ich denke aber es liegt auch im naturell eines Menschen wie er damit umgeht und wie er solche Probleme wegsteckt. Sicher wird er nicht mehr so wie er mal war.
 
Bei denn Therapien muß er natürlich, Daß müßt Ihr im klar machen.
 
Rede Ihm Mut, Kraft und Freude zu, gib Ihm zu verstehen das er Geduld brauch.
 
Liebe Grüße
 
Rüdi
 
#3
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hallo rüdi,

danke für deine antwort. nur wie macht man das mit der verständigung, wenn man nicht recht weiß wie?
hast du - habt ihr - ein paar tipps? die ärzte sagen, dass er durch die schädigung des sprachzentrums weder
sprechen noch verstehen kann (letzeres glaub ich aber nicht ...)

danke, daniel
#4
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versuche es mit geschlossenen Fragen "ja" und "nein " als Antwort und dazu kann er mit einmal augen zwinkern ja mit zweimal nein, oder die linke Hand drückt bei einmal ja bei zweimal nein. Ich habe in der ersten Zeit meines SA auch sehr viel geweint und wollte alles garnicht verstehen, wichtig war für mich damals dass meine Angehörige mich immer noch für "voll genommen" haben. Erzähle ihm, dass es viele gibt, die sich von diesem Krankheitsbild erholt haben, selbst wenn er dich nicht versteht und das bezweifle ich, wird er den Tonfall verstehen.Ich drücke Euch die Daumen, mir persönlich hat der Spruch, "wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren" in der Anfangszeit sehr geholfen

#5
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Hallo!
 
Ihr seid jetzt in der Ausnahmesituation, in der wohl die meisten hier im Forum schon mehr oder weniger waren. Dass Dein Vater verzweifelt ist, ist normal. Mein Vater weint ständig, seit er vor 1,5 Jahren den SA hatte. Es ist natürlich besonders schwer, wenn man sich plötzlich nicht mehr verständlich machen kann.
 
Mein Vater hat auch erst nur Ja und Nein sagen können, allerdings war sein Sprachzentrum nicht betroffen. Es war ihm aber trotzdem nicht möglich, mehr zu sagen, vielleicht auch wegen Schocks.
Es muss einfach unbeschreiblich furchtbar sein, wenn einen plötzlich der eigene Körper mit einem Schlag verläßt. Bisher kannte man seinen Körper, er war mit seinen Funktionen selbstverständlich da und dann: peng: wird einem so viel genommen. Körper und Seele sind mit einem Schlag keine Einheit mehr.
Hinzu kommt sicherlich panische Angst.
 
Uns haben die Ärzte auch erzählt, dass mein Vater nichts mehr verstehen würde. Ich hatte aber ein ganz anderes Gefühl, wie Du scheinbar auch. Vielleicht verstehen sie nicht mehr hoch intelektuelle Dinge, Zahlen und Formeln, aber gefühlsmäßig und situativ denke ich sehr wohl, dass die meisten Patienten alles wahrnehmen. Mein Vater kann sich mittlerweile ganz normal unterhalten, weiss alles, erinnert alles. Soviel zur Einschätzung der Ärzte.
 
Wir haben in der non-verbalen Zeit meinem Vater eine große Pappe mit Fotoausdrucken hingestellt: Fotos von der Familie, aber keine Fotos, die ihn an sein verlorenes Leben erinnern (also nichts von seinem Hobby, nur ein Portraitfoto von ihm, keine Aufnahme, wo er freudestrahlend steht oder so). Diese haben wir dann in Sichtweite im Krankenhaus und in der Frühreha hingestellt. Die Therapeuten haben dann die Namen der Familienmitglieder auf Zettel geschrieben und mein Vater hat diese richtig zugeordnet.
 
Ich habe hier im Forum auch schon gelesen, dass Angehörige eine Art Bilderbuch gemacht haben: einfach eine Mappe/Schnellhefter, wo ihr selbst Symbole oder Abbildungen wie Wasserglas, Essen, reinkommt. Z.B. ein geöffneter Mund, wo eine Gabel reingeht. Da könnte er dann drauf zeigen, wenn er z.B, Durst hat. So einen Schnellhefter könntet Ihr sogar am Bett/Bettgitter hinlegen. Anregungen könntest Du da über die Cliparts bei Word oder so bekommen.
 
Wir haben in der Anfangszeit meinem Vater auch zweierlei Essenssachen hingehalten und gefragt, was er davon probieren möchte, er solle doch versuchen, darauf zu zeigen.
 
Ich habe auch mal gelesen, dass man ruhig alles, was man macht, kommentieren soll "So Papa, ich mache jetzt mal das Fenster zu." "Papa, möchtest Du Wasser oder Saft? Hier in der linken Hand habe ich den Saft, in der rechten das Wasser". Man sollte auch ruhig die betroffenen Körperhelften streicheln und massieren und wiederholen: siehst Du, ich massiere Dir gerade Dein rechtes Bein". Damit das Gehirn angeregt wird, diese Begriffe wieder einzuordnen.
 
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es schnell zu Frustrationen führen kann, wenn man zu viele Fragen stellt, die der Betroffene nicht beantworten kann. Man muss also ganz behutsam vorgehen. Wenn Du merkst, dass Dein Vater auf die Frage: Möchtest Du Saft oder Wasser nicht antwortet oder auch nicht auf einen Deiner Hände deutet, dann sag einfach sowas wie "dann fangen wir heute mal mit Wasser an".
 
Weiterer Hinweis: mein Vater hat in den ersten Wochen etwas "Stimmungsaufhellendes" bekommen. In dieser Zeit hat er nie geweint. Wir überlegen mittlerweile, ob wir dieses Medikament wieder beim Arzt anfragen, damit er erst einmal seine körperlichen Fähigkeiten wieder verbessert statt sich seiner verständlichen Despression hinzugeben. Fragt doch auch mal die Ärzte nach dieser Möglichkeit.
 
Viel Glück! Beste Grüße von Kate
#6
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Hallo Daniel,
 
was Hexe und Kate Dir da schreiben dem will ich nicht mehr viel hinzufügen.
 
Du mußt versuchen alles auszutesten, bei meiner Mutter war das so da Sie sich bei Ärtzen  komplett verschlossen hat. Sie lag dann da als ob Ihre letzte Stunde geschlagen hat. Wenn die KG kam schrie Sie schon wenn er die Tür aufmachte.  Bei der Familie oder Freunden war Sie anders.
 
Da Sie eine Lähmung im Nacken hatte ging das auch nicht mit dem nicken, sprechen konnte Sie auch nicht. Mit den Augen die Zeichen geben hat Sie irgenwie nicht verstanden. Schreiben konnte Sie nicht also blieben nur Handzeichen. Ich habe das dann so gelöst, einmal mit dem Zeigefinger ist ja, zweimal ist nein. Das hat dann nach einiger Zeit funktioniert.
 
Heute kann Sie nicken und denn Kopf bewegen nur mir damit Antwort geben macht Sie nur im Notfall. Kein Bock halt.
 
Wenn man eine Person gut kennt dann kan man auch erkennen, an der ganzen Art geht es Ihr gut oder schlecht.
 
Macht im die Situtuation klar und gibt im zu verstehen das er muß. Kate gibt Dir sehr gute Hilfe macht es so.
Ich hatte meiner Mutter einen Ordner gemacht, habe mit Ihr geschrieben, bin die Tagenzeitung durchgegangen und habe das mit Ihr gemacht was  Ihr vorher Freude gemacht hat.
 
Liebe Grüße
 
Rüdi 
#7
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Hi Daniel,
Dein Vater hat durch den Schlaganfall weite Teile der linken Hirnhälfte geschädigt.

Man weiß, daß das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte  ist.

Diese Sprachstörung nennt man APHASIE.

Und ich bin davon überzeugt, daß die Aphasie die Ursache für seine Traurigkeit ist.
....der Schlaganfall  ist schlimm und noch schlimmer ist, wenn man nicht darüber reden kann.

Die wenigsten verfügen über ein Wissen über die Aphasie.

Ich denke, es ist für dich ratsam, wenn du dich per Google de über die Aphasie informierst.

Du wirst 'ne Menge Fundstellen haben.

Im Moment kann ich dir nur Folgendes sagen:

Die Sprachtherapie bei einem Logopäden sollte schon kurz nach dem Schlaganfall erfolgen....
erste Sprachübungen  usw.

Bemühe dich um einen Logopäden für deinen Vater, und lass ihn nicht allein mit seiner Sprachstörung.

Leider muß man sagen, daß diese Therapie eine langwierige Geschichte ist. Und,.. laß dich nicht durch die Ärzte
negativ beeinflussen.

Das Gehirn ist erstaunlich flexibel und eine Sprachstörung nach einem Schlaganfall kann sich daher teilweise und manchmal vollständig wieder zurückbilden.

Ja,. das Gespräch ist natürlich im Moment sehr schwierig.
 Aber,.. nimm ihn für ernst, selbst wenn er sich etwas
seltsam artikuliert.
 In den restlichen Antworten sind schon  erste Tipps gegeben, wie  ihr euch  am Anfang
behelfen könnt.

Es wird lange dauern,.. aber gebt die Hoffnung nicht auf.

Auch hier im Forum war jemand, der seine Aphasie überwunden hat.


Tschüs, alles Gute, viel Erfolg, und eine gute Zeit.

:)
#8
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Unbekannt

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hallo spencer,
statt zu raten will ich dir etwas erzählen. als ich nach meiner hirnblutung meine lage halbwegs einschätzen konnte, das wa vor ca. dreieinhalb jahren, da wollte ich mit musik nichts mehrzu tun habe.
mit musik hatte fast  mein gesanter lebensinhalt zu tun gehabt. das ging nun nicht mehr, rechtsseitig gelähmt wie ich einmal war.
vor einigen wochen habe ich mit musik vom rechner wieder angefangen.. es ist zwar nicht das gleiche aber trotzdem, mein leben hat ausser der musik noch anderr lebensinhalte gefunden.
ich weis nicht ob dir dieser beitrag hilft. doch um etwas zuversicht zu  finden muss dein vater seine lage einschätzen können.  ich würde raten etwas zeit zu geben.
auf jeden fall wünsche ich euch viel glück.
margy

margy hat seine geschichte und viel mehr aufgeschrieben unter www.margy-plauen.de

#9
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Hallo Daniel,
 
ich persönliche kenne eine Dame, die ein locked in Syndrom mit Aphasie hatte, heute kann ich wieder mit Ihr telefonieren, also es gibt Leute die sich fast vollkommen davon wiederholen, wie hier ja auch unser Beersche, außer das er ein wenig langsam spricht, würde man niemals denken, dass er eine zeitlang dieses garnicht konnte. Klar gibt es auch andere Fälle, ein Bekannter spricht seit 3 Jahren nicht mehr als ja und nein und ade, aber die Hoffnung stirbt zuletzt insofern glauben wir einfach fest daran.
;)
#10
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hallo zusammen,

ich danke euch sehr herzlich für eure antworten und wertvollen tipps!

@kate: stimmungsaufheller bekommt er schon seit langem vor dem SA
(cipramil)

@hemi_1: über aphasie werde ich mich umfassend informieren. kennst
du das buch " Auf einmal hat sich alles geändert" -wenn ja, ist es gut?
 
irgendwo habe ich hier die aussage gelesen, dass geduld bei schlaganfall
eine ganz neue dimension bekommt - der satz geht mir nicht mehr aus dem kopf
und beruhigt mich aber auch ein wenig ...

donnerstag geht es ersteinmal in die reha und dann können wir endlich auch
seine geliebten enkelkinder mitnehmen - das motiviert ihn (hoffentlich) auch
ein wenig ...

lg, daniel
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