#1
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Hallo Ihr alle,

ich hätte nicht gedacht, dass ich mir den Frust hier von der Seele schreiben möchte, aber ich bin emotional am Ende.

Mein Mann, 58, hatte vor 3 Wochen 2 Schlaganfälle. Der Erste "ging ja noch" -- aber der Zweite hat ihn links gelähmt, das Schluckvermögen beeinträchtigt und - vor allem - sein Gehirn dahingehend geschädigt, dass er nichts Klares mehr sagen kann. Es kommt nur Unsinn heraus, in feinstes Deutsch verpackt - aber halt eine völlige Fehlsicht "der Dinge".

Als Vorgeschichte möchte ich dazu sagen, dass er eh schon ein schwieriger Mensch war, Alkoholiker mit tendenziös gemeinen Zügen. Nie hat er mir körperlich etwas getan, aber seelisch ...das war schon etwas anderes. Oft habe ich in den letzten 4 Jahren gedacht, mich schnellstens wieder von ihm zu trennen, und das dann doch nicht durchgezogen. Das zu erläutern führt zu weit, hat aber sicher mit "Ko-Abhängigkeit" meinerseits zu tun.

Jetzt ist das, was nett, freundlich und liebevoll an ihm war, verschwunden im Nichts. Ein misstrauischer, böser, immer nur maulender Mann ist übriggeblieben, der das Krankenhauspersonal anmault und beleidigt und mich auch. Der keine Scham mehr kennt, und "unten ohne" herumsitzt, ohne sich daran zu stören. Nur auf Aufforderung zieht er die Hose hoch.

Er hat kein liebes Wort für mich,obwohl ich seine Geschäfte übernommen habe und schaue, alles am Laufen zu erhalten, ich mühe mich (noch immer gerne), ihm etwas Leckers mitzubringen -  das wird ohne Kommentar oder mit blöden Bemerkungen aufgemampft.

Ich könnte bändeweise aufzählen, was er alles moniert, wie ungerecht er sich äußert und wie "falsch" er sämtliche Bemühungen von Familie, Krankenhaus und Ärzten und mir sieht. Alle sind gegen ihn...Verschwörungstheorien werden geäußert - es hört sich an wie ein billiges B-Movie !

Die Vorstellung, mit ihm nach einer Reha wieder zusammenleben zu müssen, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Er strahlt soviel negative Energie aus, dass ich mich wie gefroren fühle in seiner Gegenwart.

War auch unsere Ehe schon nicht immer 100% schön vor dem SA, so gab es doch gute Momente, die alles andere wert machten. Im Moment bin ich so ratlos, und da er so anders ist,und nichts Vertrautes mehr an ihm ist (er sieht auch anders aus, die Augen....) fühle ich mich mutterseelen alleine.

Es ist keiner da, mit dem ich frei darüber reden könnte - seine Eltern sind 87 + , die können sich nicht um meine Befindlichkeiten kümmern. Meine Eltern sind tot. Meine Freundin ist voriges Jahr gestorben. Meine Tochter ist 400km weit weg, und ich kann sie auch nicht jeden Abend vollheulen.

Was mache ich bloß,, wie gehe ich mit seinen Gemeinheiten und dieser "Ver-Rücktheit" um ? Er ist so , als wäre er in einer völlig anderen Welt, die nichts mit  unserer Wirklichkeit gemein hat. Logisch vorgebrachten Erklärungen hört er nicht zu, murmelt vor sich hin, versteht buchstäblich alles falsch.

Wenn ich von einem Besuch bei ihm komme, bin ich immer für Stunden "fertig" - heule mich durch und verliere allen Mut.

Dankbar bin ich für Euren Input und Tips,

viele Grüße,

LaTanguera

#2
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Unbekannt

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Lass dich mal umarmen,

Ich bin auch angehörig und mein Mann hatte am21. Juli einen schweren Schlaganfall Mediainfarkt rechtsseitig, mit Lähmungen links und Wahrnehmungsstörungen.

Er hatte auch eine massive Hirnschwellung und deswegen wurde der Schädelknochen entfernt.Danach zwei Wochen Narkose.

Anfangs als er dann wach wurde und noch einige Wochen danach hat er auch ziemlich wirres Zeug von sich gegeben, das hat sich aber jetzt weitgehendst gebessert.

Mit einem Schlaganfall geht auch eine Persönlichkeitsveränderung einher. Meiner ist zwar nicht aggressiv aber Dinge auf die er früher viel Wert gelegt hat, scheint er völlig vergessen zu haben.

Er schaut uns nicht an wenn er mit uns spricht, und redet auch ständig dazwischen wenn jemand etwas erzählt, ist sehr ungeduldig, seine Sprache ist monoton, und er ist sehr weinerlich.

Aber das sind alles Folgen des Schlaganfalls, und der Aufmerksamkeitstörung

Er ist zur Zeit in der Frühreha, soll aber bald in Reha Phase C kommen.

Vielleicht kannst du dir ja einen Termin bei der Neuropsychologie der Station geben lassen

Ich leide im Moment auch unter massiven Zukunftsängsten, habe Schlafstörungen und weiss auch nicht was da noch alles auf mich zukommt, obwohl mein Mann sehr friedlich und umgänglich ist.

Es mag sich vielleicht sehr egoistisch anhören, aber ich fühle mich grade so, als wäre mein Leben, mit all meinen eigenen Interessen, jetzt auch zu Ende.Und damit tue ich mich sehr schwer.

Wir sind 53 und 54 Jahre alt

Ich verstehe dich sehr gut.

Alles liebe 

Sternchen


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Sternchen61« (26.09.2014, 21:38)
#3

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Abend LaTanguera

Ja, ich denke, das ist eine schlimme Situation, in der Du Dich befindest. Ich wünsche Dir viel Kraft und Geduld.

Irgend wie habe ich das Gefühl, dass Dein Mann nicht ein “völlig anderer“ ist. Er hat vielleicht lediglich einige positive Verhaltensweisen von früher abgelegt.

Und nun stehst Du wohl vor mehreren Baustellen:

- Du stehst vor Dir selber:
Zuerst Deine persönliche Situation klar zu überdenken, wäre ein Anfang (wenn Du aktuell dazu in der Lage bist). Einige sehr ehrliche Fragen an Dich selbst: Was beispielsweise hält Dich in dieser Beziehung, was bringt Dir diese Beziehung, was machst Du ohne diese Beziehung, was "kostet" Dich diese Beziehung, was willst und brauchst Du, welche Ängste hat Du, was solltest Du ändern und so weiter. Diese Gedanken sollten meines Erachtens ohne jedwelche Rücksichten gemacht werden dürfen. Es sind vorerst ja nur Gedanken, damit Du Deine Krise irgend wann angehen kannst.

- Du stehst vor der Krankheit Deines Mannes:
Einerseits kommt in uns Menschen der  Helfer zum Vorschein, wenn jemand in Not gerät. Das ist gut so. Trotzdem glaube ich, dass Du Dich gedanklich auch hier mal von Deinem "Helferinstinkt" lösen darfst, um zu begreifen, wo Du stehst. Du musst "nicht alles für ihn machen", auch Dein Mann muss seinen Beitrag leisten (so gut er kann) und Du hast ein Recht auf Dein Leben.


Dein Mann ist in einer extremen Ausnahmesituation, denn sein Hirn ist verletzt und es arbeitet entsprechend fehlerhaft. Für Aussenstehende ist es schwer möglich, sich in die Welt eines Gehirngeschädigten hinein zu denken. Das ist nicht böses, das ist nun einmal so. Viele Schlaganfall-Patienten verändern ihr Wesen, das ist bekannt.

Nach dem Schlaganfall beginnt der Körper, die Schäden im Hirn zu "reparieren" (= gesunde Hirnzellen trainieren und übernehmen neue Aufgaben). Das braucht viel Zeit, sehr, sehr viel Zeit. Nach drei Wochen ist Dein Mann noch ganz am Anfang seiner Genesung, da wird noch viel abgehen.

Ich (59) spüre an mir selber (mittlerweile vier Monate nach meinem Infarkt), dass ich mich in verschiedenen Situationen einfach gehen lasse, weil es sooo verdammt bequem ist und weil ich weiss, dass es mein Umfeld akzeptiert (ich bin ja sooo ein armer ...). Damit will ich sagen, dass ich einiges was latent in mir geschlummert hat, nun einfach ausleben/ignorieren kann (und teilweise auch will). Das gibt mir aber keinesfalls das Recht, meinen Weltfrust oder meine Scheisslaune auf dem Rücken meiner Frau oder wem auch immer auszuleben. Übrigens: Der Beistand meiner lieben Frau war Balsam auf meine Seele.

- Du stehst vor Deinem Mann und Eurer Beziehung:
Dein Mann war nach Deinem Empfinden bereits früher nicht der, den Du gerne als Partner gehabt hättest (so habe ich es verstanden). Ist das, was Du nach dem Schlaganfall Deines Mannes nicht mehr findest/bekommst, wirklich erst seit seiner Krankheit nicht mehr da?

- Du lebst nur einmal:
Klar, alle diese Fragen lassen sich nicht einfach so beantworten, das wird ein langer und schwieriger Prozess. Das Forum kann Dir vielleicht helfen, Deine Gedanken im ganz Groben zu ordnen. Eine professionelle Hilfe könnte Dich vielleicht schneller vorwärts bringen.

Kurz:
Die Krankheit Deines Mannes und Deine Aufopferung werden Eure Beziehung kaum von heute auf morgen zum Positiven wenden, zumal es schon früher nicht einfach war - erwarte keine Wunder. Du musst Dir bei aller Rücksichtnahme nicht alles gefallen lassen. Aber wenn Du die nötige Geduld aufbringst und Dir vielleicht jemand kräftig unter die Arme greifen kann, könnt Ihr es vielleicht schaffen, sobald Dein Mann wieder "klar im Kopf" ist. Und wenn Du nicht daran glaubst, halte ich eine Trennung zu gegebener Zeit nicht für verwerflich.

Ich jedenfalls wünsche Euch beiden von Herzen alles Gute.

Christoph

#4
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Hallo Tanguera!

Du schreibst auf der einen Seite, dass das, was "nett, freundlich und liebevoll an ihm war verschwunden" sei, auf der anderen Seite, dass er "schon ein schwieriger Mensch war, Alkoholiker mit tendenziös gemeinen Zügen". Sorry, aber ich denke, dass durch den Schlaganfall sich da nicht viel verändert hat.

Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man auf die ersten Wochen (auch Monate) nach dem Schlaganfall nicht viel geben kann. Der Mensch ist damit beschäftigt sein Chaos zu ordnen und da ist noch vieles durcheinander. Das was Du mit "Fehlsicht" beschreibst, ist eine unterschiedliche Wahrnehmung der Dinge. Vermutlich liegt auch keine böse Absicht in seinem Verhalten. Die "Außenwelt" ist für ihn nicht wirklich existent. "Er ist so, als wäre er in einer völlig anderen Welt, die nichts mit unserer Wirklichkeit gemein hat." Nix "wäre" ... er IST in einer anderen Welt.

Mein Tipp... Gib ihm (und Dir) noch etwas Zeit, denn vieles "normalisiert" sich dann.

Und (@Sternchen) es ist überhaupt nicht egoistisch, wenn man an eigenen Interessen festhält. Im Gegenteil: Eigene Interessen machen uns doch gerade aus. Durch so einen Schicksals-"Schlag" geht das Leben nicht zu Ende, sondern es geht weiter.

Bodo

#5
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auch bei mir hat das schicksal"ZUGESCHLAGEN"gegen meine persönlichkeitsänderungen kann ich nix tun. aber ich weiss das es so ist! ich bin oft weinerlich und ich habe regelrecht wutanfälle mein bewusstsein lässt sich so schwer steuern!manchmal spüre ich diese wut die hochkocht... dann gehe ich weg- mein umfeld kennt das und es wird respektiert!:-*SAnach 3 jahren...

#6

jup11

Quarnbek, Deutschland

#7
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Zitat von: Etcetera



Irgend wie habe ich das Gefühl, dass Dein Mann nicht ein “völlig anderer“ ist. Er hat vielleicht lediglich einige positive Verhaltensweisen von früher abgelegt.

Hallo Christoph,
ja, genau da liegt das größte Problem. Mein MAnn hatte schon immer diese harten, egozentrischen und manchmal auch gemeinen Züge. Das kam immer dann zum Vorschein, wenn er alkoholisiert war. Und das war er  regelmäßig.
Jedesmal zerbrach ein Bisschen meiner Liebe zu ihm, und ich empfand nur noch großen Verlust von etwas Schönem, was wir anfangs hatten.
Ich bin schon durch eine beschi**ene Ehe durch, die ich nach 23 Jahren beendet habe, nur um dann - drehbuchgerecht- in die zweite Patsche zu geraten. Habe mich in 4 Jahren Ehe nicht mit den merkwürdigen Seiten seines Wesens anfreunden können - und auch mein Umfeld/Verwandte etc. nicht.
Ich leide unter der fast paranoiden Wahnvorstellung, ALLE wären gegen IHN.
Seit gestern wirft er mir vor, ich würde mir nun ein schönes Leben machen - weil ich mir ein Festnetz Tel. MIT Anrufbeantworter gekauft habe - da ich viele Anrufe verpasse, die wichtig sind.
Da fiel mir die Kinnlade weit herunter - und ich bin einfach gegangen. War wieder mal eine heulende Nacht.
Ja, er war schon "vorher" manchmal recht eklig, aber wir hatten auch schöne Zeiten. Ich habe ein tiefes Gefühl für ihn, aber es wird langsam nur von Mitleid ersetzt, und von einem ganz starken Drang nach Freiheit für mich.
Nicht um einen anderen Mann zu finden - das liegt mir für's Erste fern.
Nur ich merke seit den 3 W ochen. die er im Krankenhaus ist, wieder , wie "MEIN" Leben aussieht:
Viel Musik (meine Sorte, die er immer verachtete), viel Ruhe (kein TV 24/7), viel Spaziergang mit Hund, Leute treffen, Wohnung schön machen. Ich gehe gerader, und trotz aller Traurigkeit ist da Energie in mir für "Neues", für Veränderung.
Das spürt er wohl, und befürchtet, mich, bezw. das bequeme Leben auf meine Kosten zu verlieren.
Ich fühle mich erbärmlich in der Zwickmühle - einerseits das politisch Korrekte, mit dem Ehemann zusammen "untergehen" oder gar nicht - andererseits: Es ist nur (m)ein Leben, das ich habe. Und wahrscheinlich nicht mehr sooo lange, da ich ein paar häßliche Krankheiten in m ir habe, die mir von heute auf morgen das Licht auspusten können.
Ich mag nicht die nächsten 5 Jahre seine Fiesnickeligkeiten ertragen, in der vagen Hoffnung auf "Besserung". Denn der wird sich im Charakter nicht zum Toleranteren, Freundlicheren ändern.
LG, LaTanguera*

 

#8
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Danke für den Link, Jürgen !!

#9
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hallo,

ich war 2 monate ähnlich wie dein mann. ich war fies, habe meinen mann beschimpft, meine söhne ignoriert und alle bezichtigt, etwas im schilde zu führen. ich habe mich ständig ausgezogen und lag meist nackt im krankenhausbett. mein mann ist trotzdem täglich für viele stunden gekommen, hat mir vorgelesen, meine gemeinheiten ignoriert und mich gekämmt und gestreichelt. aber unsere ehe war auch vor der hirnblutung sehr harmonisch und wir haben ja auch noch die 3 jungs, die damals echt klein waren.

ich wurde mit der zeit wieder lieb und nett, die entwicklung von deinem mann ist aus meiner sicht also normal ;)

#10
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Tazzi und alle,

ich komme gerade vom Krankenhaus, erstmalig hatte ich die Gelegenheit, das Krankenblatt einzusehen, und dann mit der behandelnden Ärztin ein Gespräch zu führen.

Der Fall liegt anders. Es wird keine Besserung geben. Mein Mann war Trinker seit seinem 13. Lebensjahr, und starker Raucher dazu. Beide Süchte haben bei ihm das Korsakow Syndrom ausgebildet - was ich als Schrulligkeit und Merkwürdigkeit interpretiert habe, waren schon die Frühzeichen einer Demenz (durch Saufen) und des K. Syndroms. Beides ist nun durch die 2 Schläge vertieft worden, so dass er keine Reha -Fähigkeit mehr hat. Die Aufmerksammkeitsspanne ist gleich Null.

Man hat Tests gemacht - es ist aussichtslos. Er schweift ab, hört nicht zu, weiss nicht, wer der Arzt ist, erzählt "Dönekes" aus seiner Jugend etc.

Er wird mit Pflegestufe 1 in ein Heim für "solche" Fälle müssen, wo jüngere Leute mit ähnlichem Background leben.

Ich bin geschockt - bei allen Wünschen, mich aus dieser nicht immer einfachen Ehe zu lösen, habe ich diesen Ausgang nicht erwartet. Er tut mir unendlich leid, da er nicht mal mitbekommt, was los ist. Er denkt, übermorgen geht es nach Hause....

Ich sitze hier und starre auf das Pelzchen meiner Mini-Katze und begreife die Welt nicht. Ich bin nur unendlich traurig, dass es so enden musste.

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