#1
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Erfahrungen mit Globalaphasikern

Liebe Forumsmitglieder,

meine Mutter, 63 Jahre alt hatte vor zwei Monaten einen schweren Schlaganfall im linken Bereich des Gehirns. Leider wurde sie auch erst ein paar Tage nach dem Vorfall gefunden, so dass man ihr nicht sofort helfen konnte. 

Die Ärzte in der Stroke Unit machten mir anfangs auch kaum Hoffnungen. Meinten, dass sie in jedem Fall, sollte sie es überleben ein Pflegefall bleiben wird, da der Schlaganfall sehr viel zerstört hat. 

Da meine Mama noch sehr jung ist, und sie bereits nach 5 Tagen aus der Intensivstation auf die Reha verlegt wurde, machte ich mir doch sehr große Hoffnungen, dass sie wieder einigermaßen gesund wird. 

Nun, zwei Monate später möchte man sie aus der Reha entlassen und in ein Pflegeheim abschieben. Meine Mama kann nicht mehr sprechen und verstehen, dies ist sowohl für sie als auch für mich eines der belastensten Folgen. Den rechten Arm kann sie auch nicht mehr bewegen, sie merkt nicht, wenn sie auf die Toilette muss und das rechte Bein kann sie leicht anheben. 

Dafür konnte sie relativ schnell wieder schlucken, also essen und trinken und im Rollstuhl sitzen. :)

Als mir die Ärzte nun letzte Woche mitteilten, dass meine Mutter entlassen werden soll, fiel ich aus allen Wolken. 

Die Problematik ist nun wirklich das Verständnis der Sprache. Wir waren dann Kaffee trinken. Sie kann super umrühren (mit links), kann den Kaffee toll trinken ohne Probleme. Als ich dann fragte: Mama, schmeckt dir der Kaffee? Guckte sie mich nur verständnislos an. Also selbst die einfache Frage konnte sie nicht verstehen. 

Dann erzählte ich, dass sie nun ganz fleissig bei den Therapien mitarbeiten muss. Die Ärzte wollen sie loswerden und sie kann nicht zurück nach Hause usw. Doch hatte ich auch hier das Gefühl, dass sie es nicht verstehen kann. Selbst als ich dann komplett verzweifelt in Tränen ausbrach, hatte ich auch das Gefühl, dass sie damit jetzt so gar nichts anfangen kann. 

Auf der anderen Seite kommt sie mir aber immer total wach und helle vor. Ich glaube, sie weiß, dass ich ihre Tochter bin. Sie weiß auch, dass es ihr nicht gut geht und das man ihr helfen will. Aber ich glaube auch sie will das gar nicht. 

Nur... sie ist 63 Jahre alt. Das ist doch noch so jung. Außerdem wird meine Mama in ein paar Wochen Omi. 

Was versteht sie, was nicht? Wird sich das bessern? Ich bin dankbar, wenn mir jemand mal beschreiben könnte, wie sich ein Aphasiker in dieser schwierigen Situation fühlt und was man tun kann. :(

#2
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Liebe Niksch!

Ich versteh dich total, mein vater hatte im alter von 71 auch von heute auf morgen einen schweren linksseitigen schlaganfall.

Er konnte nicht essen, nicht trinke, nicht sprechen und nicht lesen, war im rollstuhl, bekam eine magensonde.

Die ärzte sagten uns genau das selbe wie dir, Mein vater kam vom spital direkt in die reha nach lassnitz.

Heute sag ich dir seinen zustand: Er kann gehn, selbst essen, sich selbst anziehen ( natürlich sehr langsam ) aaaaber, die glopale aphasie ist noch hier, er kann nicht sprechen und nicht lesen und dass ist das schlimmste für ihn selber.

Er hat alle möglichen therapeuten für seine gesundheit, doch sprechen wird nichts mehr werden.

Jedoch ist jeder patient anders, es kann durchaus sein, dass deine mutter mehr glück hat, du musst ihr viel zeit geben

P.s, mein papa wird von meiner mutter tag und nacht alleine gepflegt und er kommt uns nicht in ein pflegeheim, am wochende helfen meine schwester und ich wo wir nur können, im haus oder im garten, all dass was meine mutter nicht kann.

Viel glück !!!

evi


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »tochter1« (26.08.2013, 12:44)
#3
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Hallo Niksch

ich habe Dir auch eine persönliche Nachricht geschrieben aber auch hier im Forum werde ich noch mal versuchen auf deine Fragen zu antworten, vielleicht bekommst Du dann auch noch andere Reaktionen.

Der SA meiner Mutter ist jetzt drei Jahre her. Heute sitzt sie im Rollstuhl (geht manchmal ein bißchen mit einem Vierpunktstock). Der rechte Arm ist noch immer nicht zu gebrauchen. Wenn Sie auf die Toilette muss dann macht sie sich bemerkbar (dazu würde mich interessieren woher weißt Du das deine Mama nicht merkt wenn sie muss? Wenn Sie einen Katheder hat kann sie das auch nicht merken). Leider ist die globale Aphasie geblieben. Sie spricht bis heute nicht selbstständig wir versuchen soweit es möglich ist ihre Bedürfnisse zu erfragen. Außerdem hilft es Fragen so einfach wie möglich zu stellen. Sodass der Aphasiker mit Kopfnicken oder Kopfschütteln antworten kann. Also ja und nein. Auch hilft es sobald das Sprachverständnis besser wird mit Bildern zu arbeiten. Man kann z. B. auf den Rolli ein kleines Bild einer Toilette kleben und wenn man fragt mußt du auf die Toilette darauf zeigen, manchmal klappt der Zusammenhang von Bild und Gehirn besser als mit Sprache und Gehirn. Es werden dann neue Verknüpfungen erstellt. Oder auch kann man ein Bild von einem Glas nehmen und fragen hast Du Durst und darauf zeigen usw. Eine gute Anlaufstelle für dich wäre sicherlich der Logopäde aus der Reha, vielleicht kannst Du dabeisein wenn er eine Therapiestunde macht oder aber Du holst Dir einen Termin und sprichst mit ihm.

Zu dem Thema versteht sie was ich sage kann ich aus meiner Erfahrung berichten, das sowohl die Sprachproduktion als auch das Sprachverständnis geschädigt sind. In wie weit es sich bessert und was für Erfolge erzielt werden können hängt immer vom Einzelnen ab. Es kann noch ganz viel passieren da der SA ja erst zwei Monate her ist.

Ansonsten kann ich mich nur Evi anschließen die ja schon gesagt hat. Für den Aphasiker ist es sehr schlimm und belastend sich nicht auf die herkömmliche Weise verständlich machen zu können. Aber nicht nur Sprache kommuniziert sondern auch Gestik, Mimik, und vieles mehr.

Liebe Grüße

Melani

#4
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Liebe Niksch, herzlich willkommen hier im Forum. Mein Mann hatte  vor 4,5 Jahren eine Hirnblutung und einen Schlaganfall. Bei Ihm besteht eine rechtsseitige Lähmung und er hatte auch eine globale Aphasie und zusätzlich noch eine Apraxie. In der Rehazeit konnten wir uns mit ja oder nein Fragen ein wenig helfen. Nicht immer hat mein Mann verstanden, was ich erzählt habe. Deine Mutter wird viel Therapie brauchen. Es wäre schön wenn Sie noch eine Rehaverlängerung bekommen könnte. Ambulant bekommt man meist nur 2 x wöchentlich Logopädie. Bei meinem Mann hat es 1 Jahr gedauert, bis er seinen Namen wieder schreiben konnte. Er konnte dann fast alles verstehen. Mit der Zeit kamen dann einzelne Worte meist schriftlich. Das klappt bei Ihm besser. Die globale Aphasie ist bei Ihm inzwischen eine Broca Aphasie geworden. Die Aphasien verlaufen bei jedem Patienten unterschiedlich, es ist da wie mit dem SA. Mein Mann war die erste Zeit oft niedergeschlagen, besonders dann wenn ich Ihn nicht verstanden habe. Er hat gut 2 Jahre ein Antidepressivum bekommen.

Mein Mann läuft heute im Haus mit einem Vierpunktstock. Draußen brauchen wir noch den Rollstuhl.

Du kannst gern weiter fragen.

Alles Gute  LG Ingrid

#5
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Vielen Dank für die große Anteilnahme!! :)

Gestern war ich wieder in der Klinik und musste erstaunt feststellen, dass meine Mutter scheinbar nichts hören kann oder nur sehr wenig. Könnte das auch eine Folge des Schlaganfalls sein? Dann ist es nämlich kein Wunder, wenn sie gemeinsam mit der Aphasie so wenig versteht. 

Jedenfalls kam ich in ihr Zimmer und sie saß mit dem Rücken zum Fenster. Ich sagte nicht gerade leise: "Hallo Mama!"... keine Reaktion. "Mama?" Wieder keine Reaktion. Als ich sie antippte, erschrak sie. Geschlafen hat sie nicht, sie hielt ihren Therapieplan in der Hand und studierte diesen ;).

Als ich das feststellte, holte ich gleich eine Pflegerin. Die meinte dann, dass ihr das noch nicht aufgefallen wäre, aber das sie dies auf jeden Fall weitergibt und ob ich nicht auch finde, dass sie enorme Fortschritte gemacht hat. Das war nun die zweite Pflegerin, die dies sagte... während die Ärztin behauptete, dass meine Mutter die Mitarbeit verweigert und keine Lust hat, die Fortschritte zu gering sind und sie deshalb entlassen werden muss. Nun stehen zwei Aussagen (mit meiner drei!) gegen die Ärztin. Heute habe ich sofort in der Klinik angerufen und beim Stationsarzt Bescheid gesagt. Außerdem habe ich mit der Sozialabteilung gesprochen. Eventl. kann die Therapie nun doch verlängert werden, ich muss am Montag nochmal anrufen um mit dem Stationsarzt zu sprechen. 

Gestern hat meine Mutter auch sehr heftig auf meine "Neuigkeit" reagiert, dass sie in ein Heim muss (nur Vorübergehend). Sie verneinte dies und würde sich eher vor ein Auto werfen, als in einem Pflegeheim zu wohnen. Der Besuch gestern war jedenfalls sehr emotional. Naja und da wir Mutter und Tochter sind, verstehen wir uns auch ganz gut ohne Worte ;)

Ich kenne meine Mutter... entweder läuft sie aus der Reha zurück in ihre Wohnung oder... :(

Drückt mir die Daumen, dass die Therapie verlängert wird. Ich selber bin hochschwanger und entbinde in ein paar Wochen. Wenn nun meine Mutter in dieser Zeit in einem Pflegeheim untergebracht werden sollte, habe ich nicht die Zeit für sie da zu sein und es gibt sonst niemanden. Hoffentlich kann sie noch weitere zwei Monate oder so bleiben!! Hoffen wir es! Jetzt hilft beten!! 

Danke!! 

#6
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Ich möchte Dir das Buch: "Das Schweigen verstehen" von Luise Lutz sehr ans Herz legen. Es hat mir geholfen Aphasie zu verstehen und mit der ebenfalls globalen Aphasie (und Apraxie/Sprechapraxie) meines Mannesn, nach einer Gehirnblutung vor knapp 3 Jahren, besser umzugehen.

#7
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Hallo,

ich vermute mal nicht das Deine Mama schwer hört. Ich denke eher sie begreift und realisiert erst jetzt so nach und nach was passiert ist. Ich glaube auch nicht das sie ihren Therapieplan studiert hat. Sie hat es sicherlich versucht aber ich glaube nicht das sie wirklich realisiert was da steht. Ich denke eher sie fühlt sich sehr hilflos und auch einsam. Du hast geschrieben sie soll nur "vorübergehend" ins Pflegeheim... Was passiert aber wenn es nicht besser wird? Ich glaube oft wir versuchen unseren Angehörigen mehr zu schonen als es gut für sie ist. Sicherlich sollen wir hoffen, aber das schließt nicht aus auch die Realität zu sehen. Was wenn Deine Mama nicht mehr alleine leben kann, oder wenn Sie furchtbar lange braucht bis es wieder funktioniert. Ich weiß Du bist hochschwanger und freust Dich auf das Kind und magst Dich wahrscheinlich auch nicht mit negativen Gedanken belasten, aber wenn Du wirklich alleine bist und es ist niemand außer Dir da dann kommt viel auf Dich zu was geregelt werden muss. Hat Deine Mama schon eine Pflegestufe? Hättest Du überhaupt die Möglichkeit sie in einem Heim in Deiner Nähe unterzubringen? Wer wird den Aufenthalt zahlen? Alles das sind Dinge die Du auf jeden Fall mit dem Sozialdienst besprechen mußt. Und eventuell mußt Du dir auch Gedanken darüber machen wer der Betreuer deiner Mama wird und sich an ihrerer Stelle mit Finanzen und Gesundheit und den alltäglichen Dingen auseinandersetzt wenn es auch nur vorübergehend ist. Sprich mit dem Sozialdienst darüber die können Dir sicherlich wertvolle Tipps geben und versuch auch einen persönlichen Termin mit dem Stationsarzt zu bekommen und löchere ihn mit allen noch so banalen Fragen.

Bitte versteh mich nicht falsch ich will Dir keine Angst machen aber setze nicht alle Hoffnung darauf das die Therapie noch 8 Wochen verlängert wird versuche lieber soviel irgend möglich jetzt zu regeln dann kannst Du dich auf die erste Zeit mit deinem Baby freuen und diese auch genießen.

Liebe Grüße

Melani

#8
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Hallo Niksch!

Wie geht es deiner mutter in der zwischenzeit ?

#9
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Hallo ihr lieben,

meine Mama hat eine Rehaverlängerung erhalten. Diese wurde nun vor einer Woche beendet und sie wurde nun entlassen und in ein Pflegeheim in meiner Nähe untergebracht. Ich habe leider keine Möglichkeit, sie zu Hause zu betreuen oder einen Pflegedienst kommen zu lassen. 

Die globale Aphasie besteht weiterhin und es zeigen sich auch keine Verbesserungen, im Gegenteil ich habe eher den Eindruck eines Rückschritts. 

Sie bekommt nun weiterhin therapeutische Unterstützung und sie ist in dem Pflegeheim die jüngste Patientin. Anfangs war sie sehr sauer auf mich und hat geweint. Für mich war es auch nicht einfach.

Zwischenzeitlich ist auch ihre Enkelin auf die Welt gekommen und meine Mama ist total verliebt in sie. Wir sind zwei bis drei Mal in der Woche bei ihr. 

Das Leben spielt einen manchmal einen Streich und man muss lernen damit umzugehen. Bis dato schlägt sich meine Mama besser als gedacht. Morgen werde ich ihr ihren Fernseher bringen. 

Ich war der festen Überzeugung, eine global Aphasie wäre heilbar. Leider ist dem nicht so. Seit meine Mama den Schlaganfall hatte, habe ich sie eigentlich nicht mehr verstanden. 

Danke für eure lieben Worte und Unterstützung.

#10
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Hallo Niksch,

daß es deiner Mama besser geht, freut mich.

Aber wie geht es dir und deinem Baby? Ist ja auch schwer für dich,oder?

Liebe Grüße Carmen

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