Hallo Gabi,
ich kann eure Situatin gut verstehen. Bei uns ist/war es ähnlich. Meine Ma hatte am 27.12.2009 einen schweren linksseitigen Infarkt. Neben anderen waren eine globale Aphasie (Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben betroffen) sowie eine Sprachapraxie die Folge. Außer ein paar Floskeln (Oh mein Gott!, so ein Mist!, Was solls? Das weiß ich nicht, Yvonne!), Ja und Nein kam nichts. Und zwar über lange, sehr lange Zeit.
Was uns geholfen hat war sicherlich, dass die körperliche Genesung sehr schnell voranging. Zumindest was das Gehen angeht. So konnte sie bald wieder selbst ihre wichtigsten Bedürfnisse stillen. Ohne danach zu fragen. Was ja anfänglich immer schief ging.
Heute kann sie deutliche Anweisungen geben. "Gib mir ein Glas". "Mach das Licht aus". "Tu das (Wasser) in die Blumen". Mein Lieblingssatz seit zwei Monaten "Kannst du mir mal einen Kaffee aufsetzen?". Diese Sätze kommen spontan, sind aber noch nicht immer zuverlässig reproduzierbar. D.h. morgen können die Worte dafür wieder fehlen. Je nach Konzentration oder nach den Stand der Sterne.
Ich glaube nicht, dass der Prozess der Rückgewinnung der Sprache ein kontinuierlicher Prozess ist. Das ist zumindest meine Hoffnung und meine Erfahrung bis hierhin. Der Prozess verläuft eher in Wellenform und im günstigen Fall in der Tendenz nach oben gerichtet. D.h. auf lange Sicht gibt es Verbesserung, auch wenn es zwischen drin mal schlechter wird. Viele Bahnen müssen dort neu geknüft werden. Andere Bahnen müssen auf Umwegen innerviert werden. Das dauert leider seine Zeit. Wir sprechen hier in einer Größenordnung von 2000 bis 5000 Wiederholungen bis neu Lerninhalte abgespeichert sind und abgerufen werden können.
Außerdem findet der Prozess nicht auf allen Ebenen gleichzeitig statt. Meine Mutter war nach dem SA im Schreiben besser, als im Lesen. Jetzt hat sie das Lesen aber häufiger geübt als alles andere. Sie hat für gewöhnlich mind. 3 Bücher die Woche verschlungen. Das fehlt ihr natürlich sehr. Ich musste der Logopädin aufschreiben (nach langem Kampf hatte ich den richtigen Satz gefunden): "Ich möchte bitte dringend Lesen lernen. Das ist das Wichtigste." Mittlerweile kann sie ab und zu schon 5-6 Zeilen laut vorlesen. Mal gelingt es aber auch nicht. Doch die Richtung stimmt wie ich finde. Nur leider nicht annähernt so schnell wie wir uns das wünschen.
Was ich eigentlich sagen will, manchmal passiert auch ganz viel Grundlegendes, das für die nächsten Schritte gebraucht wird, dass aber von außen noch nicht erkennbar ist. Anfangs haben wir wie wild Nachsprechen geübt. Genau auf den Mund schauen. Nachsprechen. Es ging einfach nicht. Dann wieder gibt es plötzlich so etwas wie einen Schub, als ob ein Knoten platzt....und es kommt das erste Wort....und von einem Wort kommt es plötzlich zu einem Sätz....oder zu dem ersten korrekten Verb....oder der richtigen Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt....oder...oder...oder
Denoch kenne ich auch noch Momente wo es mit der Verständigung einfach nicht geht. Weder über Schreiben, noch über Sprechen oder über zeigen. Schlimm. Immer wieder abartig quälend für alle. Wir versuchen es in der Regel 5 Mal. Wenn es nicht klappt verschieben wir es zusammen auf später, wenn es warten kann.
Kraft, Mut und Hoffnung. Irgenwann wird ein Schub kommen. Ich warte täglich darauf und gebe die Hoffnung nicht auf.