Hallo,
seit Monaten lese ich hier in diesem Forum wie viele Leute von einem Schlaganfall betroffen sind. Oft habe ich gedacht, das ist alles nur ein schlechter Film. Ich weiß aber heute es geht auch anders. Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich hier reinschreiben soll. Heute nach dem ein paar Monate vergangen sind, habe ich mir gedacht, das ich doch meine Erfahrungen hier aufschreiben sollte. Denn es gibt so viele Menschen, mit denen man dieses teilen sollte und man kann nie genug Hilfestellungungen geben. Hier also meine Erfahrungen und mein Bericht wie ich alles so erlebt habe.
Am 13.März 2012 hat es mir und meiner Familie die Füße weggerissen. Ich bin 33 Jahre und selber mit Leib und Seele Krankenschwester. Am 13. März hatte ich morgens ein sehr komisches Gefühl. Es war, als wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ich rief bei meinem Vater an. Keiner meldete sich. Ich probierte es immer wieder. Kein Erfolg. Da meine Eltern nicht weit von mir weg wohnen, dachte ich nun muß ich mal schauen. Der Weg war länger als sonst. Meine Angst immer größer. Mein Herz raste. Als ich am Haus eintraf und nach meinem Vater rief kam nicht die Antwort, die ich hören wollte. Sondern nur eine Art hilfe. Mir war schon da klar, mein Vater hat einen Schlaganfall. Als ich in sein Zimmer kam, lag er auf den Fußboden und seine rechte Seite war nicht mehr funktionstüchtig. Da mein Vater übergewichtig ist bekam ich ihn nicht alleine vom Fußboden hoch. Ich mußte hilfe holen. Wieder Zeit die verloren ging. Ich weiß bis heute nicht, wie ich es geschafft habe. Ich habe funktioniert. Mein Kopf war völlig gesteuert, alles was ich vor Jahren mal gelernt habe kam mir nun in den Kopf. Als mein Vater mit RTW und NRW auf Intensivstation kam war ich eigentlich guter Dinge. Ich dachte, alles wird wieder gut. Als ich aber nun meine Mutter angerufen hatte und auch mein Mann sind wir gleich los gefahren in die Klinik. Mir war ja klar, das sie erstmal ein MRT machen und ihn untersuchen. Als ich auf Intensiv ankam, dachte ich, das wird nie mehr etwas. Das ist nicht dein Vater, der dort hilflos im Bett lag. Seine Haut war grau. Es ging im sehr schlecht.
Mein Vater lag nur sieben Tage auf Inensiv, da verließ er die Station und kam in die Frühreha. Was waren wir froh darüber. Mein Vater sah schon anders aus, aber die Sprache das denken waren weg. Es kam nichts mehr. Sollte mein Vater nun ein Pflegefall mit 63 Jahren sein? Ich konnte es nicht verstehen. Mein Vater machte große Fortschritte in der Reha. Er saß nur zwei Tage im Rollstuhl, von dort an konnte er schon laufen. Ich war erstaunt, was doch in diesem Mann steckt. Auf Intensiv hatte er noch eine PEG bekommen. Über diese PEG wurde er nur noch vier Wochen ernährt, dann konnte er wieder alleine schlucken. Das essen viel ihm sehr schwer, denn gewisse Dinge kannte er nicht mehr. Sein so intilligentes Gehirrn, war einfach leer. Die Sprache wurde trotz tägliche Logopädie nicht besser. Am 1. Mai haben wir meinen Vater besucht. Als ich ihn sah, habe ich mich erschrocken. Er wirkte nicht mehr wie mein Vater, er war total in einer anderen Welt. Er redete nur wirres Zeug und wenn man ihm in die Augen sah, war dort nur noch Leere zu sehen. Mir war klar, das geht nicht gut. Am nächsten Tag, war einer von vielen Tagen die man nicht mehr erleben möchte. Mein Vater drehte in der Reha ab. Er war nur aggressiv, ließ sich nicht mehr waschen, aß nicht mehr und trinken wollte er auch nicht mehr. Eigentlich sollte nun am nächsten Tag die PEG raus, aber wenn er nicht mehr ißt und seine Tabletten nicht nimmt, war klar, er wird die PEG nicht los. Der Zustand meines Vater wurde immer schlechter, eigentlich von Stunde zu Stunde entwickelte er sich immer mehr zurück. Am dritten Tag, ging nun nichts mehr. Er lebte nur noch in seiner eigenen Welt. Und so kam es dann auch. Er wurde per richterlichem Beschluß in die Psychatrie eingewiesen. Für mich als Tochter und Betreuerin brach nun endgültig die Welt zusammen. Diagnose: HOPS ( Durchgangssyndrom). Die Schwestern in der Klink waren mehr als nur nett. Als ich nächsten Tag anrief haben sie sich wirklich die Zeit genommen und haben mit uns viel gesprochen. Sie sagten, es wäre erstmal besser, wenn wir eine Woche lang nicht kommen. Wieder Hilflosigkeit. Seit Tagen und Wochen habe ich meinen Vater begleitet und nun darf ich ihn nicht sehen? Aber es war für mich auch wieder gut, mal runterfallen und sich wieder um seine eigenen Kinder kümmern. Die Woche war um, ich hatte eine schei.. Angst. Was erwartet mich dort? Als ich ankam saß mein Vater dort, sprach gut für seine Verhältnisse und lief wie eine eins. Die Tabletten haben geholfen. Wochen über Wochen vergingen. Vor einigen Tagen kam ich zu meinem Vater und er sagte, bei mir hat es Klick gemacht. Was er damit meinte verstand ich erst nach ein paar Stunden. Mein Vater spricht besser, man kan ihn besser verstehen. Er telefoniert sogar und schaut auch über den Tellerrand hinaus. Sechs Wochen war er auf der geschlossenen. Danach ist er auf eine andere Station verlegt worden, die den Menschen ins tägliche Leben bringen. Super, denn mein Vater hat soviel gelernt, das er nun nach gut vier Monaten wieder nach Hause kommt. Seine rechte Hand wird nicht mehr so funktionstüchtig sein wie vorher, aber er hat verstanden, dass das Leben ihm eine zweite Chance gegeben hat. Das ist mehr Wert als alles andere.
Wir haben viele Stufen der Verzweiflung und der Hoffnung erlebt. Heute sage ich Frühreha ist nicht gut für mein Vater gewesen. Sie haben nicht die Zeit gehabt, die mein Vater gebraucht hätte. Er war in der besten Klink in Schleswig Holstein, aber für uns war es nur grausam. Die Pfleger hatten keine Zeit meinem Vater zu helfen. Und wenn dann haben die nur husch husch gemacht. Es sind nur Beispiele. Mir als Krankenschwester tat es nur weh zu sehen, wie kranke Menschen behandelt werden. Er sollte mehr trinken, aber wie soll er mehr trinken, wenn sie die Flasche nicht aufgefüllt haben. Ich habe soviel Tränen gelassen und war so wütend auf diese Klinik, das man dies nicht beschreiben kann. Heute weiß ich, das auch wenn man sich bei dem Gedanken einer Psychtrie nicht wohlfühlt, dies der richtige Weg für mich und meinem Vater war. Dort ist er angekommen und hat gelernt mit seinem Schicksal umzugehen.
Wir freuen uns nun auf meinen Vater, der immer noch ein Wortsalat bildet, der weiterhin Therapien machen muß, aber es war alles die beste Entscheidung.
Was ich mit meinem Bericht ausdrücken möchte, ist das im Leben nichts so kommt wie man es plant. Außerdem muß man nicht nur hoffen, sondern auch sich mit dem schlechtem im Leben auseinander setzen. Den Glauben, den darf man nie verlieren. Man sollte auch einmal Entscheidungen treffen, mit den man selbst nicht immer einverstanden ist, weil es einem so weh tut. Aber manchmal sind genau diese Entscheidungen die Richtigen. Wir als Familie haben mehr gelitten als mein Vater. Aber heute weiß ich, das dies der richtige Weg war.
Ich wünsche allen Betroffenen und Angehörigen die Kraft dieses Schicksal zu tragen. Und auch wenn man denkt es geht nicht mehr, kommt doch irgentwo ein Lichtlein her. Bitte vergessen Sie neben dem pflegen des Angehörigen sich selber nicht. Denn es bringt dem Pflegebedürftigen nichts, wenn Sie überfordert sind. Auch wenn es sehr schwer fällt, aber manchmal müssen Entscheidungen getroffen werden, die weh tun.
Alles Gute!
Sabrina aus Plön