#1
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Unbekannt

Gelöscht

Partner mit Schlaganfall, Schwiegermutter hilfebedürftig und Karriere gerade am Anfang

Hallo,

kurze Beschreibung meiner Situation:

Mein Verlobter (29) hatte 2 Schlaganfälle und hatte dennoch sehr viel Glück. Nach Prognose der Ärzte wird er wohl alles wieder erlernen, auch wenn es alles in Zukunft langsamer von statten gehen wird.

Nun habe ich natürlich in den vergangene Wochen alles allein gestämmt. Unsere Familien, bis auf seine Mutter, die selbst nicht mehr viel eigenständig kann, wohnen nicht in der Nähe.

Mittlerweile gerate ich aber an Grenzen. Unsere Hochzeit wurde abgesagt, was ich nicht schlimm finde. Die Gesundheit geht da vor, ganz klar. Ich bin zusätzlich gerade erst mit dem Studium fertig und Berufsanfängerin und komme mit den Haushalt und dem Kümmern nicht mehr hinterher.

Wenn ich darüber sprechen will, dass mir bsw. die Besuche von Schwiegermutter zu viel werden, weil ich noch allen anderen Aufgaben gerecht werden muss, fühle ich mich gemein, weil ich nicht die bin die nun "krank" ist. Und auch wenn ich Zeit für mich möchte, beanspruche ich sie nicht...

Ich weiß mittlerweile nicht, ab wann auch meine Lage wichtig ist und gehört werden sollte. Oder bin ich da zu egoistisch?

#2

jup11

Quarnbek, Deutschland

Hallo Anna,

das ist schwer da zu beurteilen, ein paar Tipps:

Deinen Verlobten solltest du nicht so viel abnehmen, es hilft ihn, wenn er es selbst machen muss, er sollte dich eher unterstützen.
Für deine Mutter scheint mir externe Unterstützung wichtig, z.B. einen Pflegedienst. Hat sie einen Pflegegrad?

Jürgen

https://www.schlaganfall-info.de/com/Drei_Jahre_danach.pdf

 

#3

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Tag Anna

Da stehst du nun in deinem jungen Leben vor einer unglaublich schwierigen Aufgabe. Logisch, dass du das nicht alles einfach so stemmen kannst. Ich finde es sehr gut, dass du dir Rat suchst.

Alles was ich hier schreibe, ist nur meine persönliche Meinung als Betroffener, also alles nicht „amtlich“ 🙂

Nein, dein Bedürfnis gehört zu werden finde ich nicht egoistisch, im Gegenteil! Ich halte es für wichtig, dass du dir deiner Grenzen bewusst wirst/bist und du dir deine Freiräume und Auszeiten schaffst/bewahrst. Wenn du dich beispielsweise wöchentlich an einem bestimmten Tag/Abend mit deinen Freundinnen triffst, ist das für dich eine wichtige und wohlverdiente Abwechslung und Ablenkung. Dein Verlobter wird sich rasch daran gewöhnen, wie auch deine Schwiegermutter.

Dein/euer Haushalt muss nicht perfekt sein. Lass ruhig liegen, was nicht unbedingt sein muss (angemessene Prioritäten setzen). Viel wichtiger ist, dass du das Wichtigste schaffst, ohne dir zu schaden. Und das vielleicht über längere Zeit nötig! Es nützt niemandem, wenn du dich verausgabst und dann nicht mehr kannst. Niemand wird zu dir stehen, wenn du zusammenbrichst. Beruflich wie privat kannst du spätestens mittelfristig kaum mit viel Verständnis rechnen, wenn du nicht mehr „funktionierst“. Das liegt nicht an dir, das ist einfach so – meistens.

Vielleicht kannst du in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige Hirnverletzter Unterstützung und Selbstsicherheit finden, oder vielleicht hat dein Hausarzt eine Idee, oder frag einmal den Arzt und die Therapeuten deines Verlobten.

Eine Lösung (zB eine externe Hilfe) für deine Schwiegermutter wäre eine grosse Erleichterung für dich. Das Problem zu bereden um eine Lösung zu finden, die nicht zu deinen Lasten geht, ist offensichtlich legitim und wohl dringend nötig.

Wie Jürgen oben bereits erwähnt: verwöhne deinen Liebsten nicht zu sehr, er muss auf eigenen Füssen stehen; das ist für euch beide wichtig. Und vergiss nicht, Männer sind geborene Machos! alle! ausnahmslos! 🙂 Je nach aktuellem Behinderungsgrad sollte dein Verlobter seinen Beitrag zum Haushalt leisten – unbedingt, wie ich meine. Einerseits zur Rehabilitierung und für sein Selbstvertrauen, andererseits für dich, damit du seinen guten Willen spürst.

Dass du dich „gemein“ fühlst, wenn du schwierige Themen ansprichst ist schon klar aber eher unbegründet. Du wirst kaum um unangenehme Gespräche herum kommen, wenn du nicht untergehen willst. Bald wirst du viele Weichen für dein künftiges Leben stellen müssen. Ja, die Themen sind heikel. Es scheint mir aber wichtig zu sein, dass dir klar ist, dass du keinerlei Schuld hast, weder am Schlaganfall deines Partners noch an der Verfassung deiner Schwiegermutter noch an der Tatsache, dass du ein Recht auf ein lebenswertes Leben hast. Es ist niemals deine Aufgabe, allen alles recht zu machen - und schon gar nicht auf deine Kosten und deine Gesundheit.

Ich wünsche euch allen alles Gute und dir viel Kraft und viel Geduld und Durchsetzungsvermögen.

Melde dich bitte wieder, wenn du Fragen oder neue Erkenntnisse hast (wenn du magst), damit hier auch andere Menschen vom Austausch profitiren können – danke.

 

Liebe Grüsse

Christoph

#4
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Unbekannt

Gelöscht

Es handelt sich nicht um meine Mutter sondern um seine. Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, aber sie ist leider sehr stolz und lässt nur Menschen aus ihrer nahen Umgebung an sich ran. Normalerweise hat das mein Verlobter gemacht, nun ist er ja nicht mehr in der Lage.

Ich habe heute auch viel darüber sprechen können. Er selbst sagt auch dass ich zurück zur Normalität übergehen soll und mir selbst Auszeiten nehmen soll. Aber es fällt mir einfach schwer.

#5
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Unbekannt

Gelöscht

Vielen Dank für die Ratschläge und die lieben Worte,

Ich denke vieles wird seinen Lauf nehmen, wenn er in Reha geht. Dann hat er intensive Zeit für sich, ich auch wieder mehr Luft für mich. Da es um ihn sehr gut steht, denke ich auch, dass das gröbste dann geschafft ist. Bis dahin versuche ich mich ein wenig zu entschleunigen und nicht für 2 oder 3 zu arbeiten, sondern einfach das zu schaffen, was Tag für Tag so geht. Meine Arbeitgeber waren zum Glück zunächst sehr kulant, nur auf Dauer bekomme ich natürlich auch keinen Freibrief.

Seiner Mutter müssen wir jetzt langsam beibringen, dass sie wenigstens eine Einkaufshilfe oder so braucht. Wie gesagt, wir hatten heute mal den Moment um viel zu reden und auch er hat eingesehen, dass weder er noch ich genug Zeit haben (besonders in naher Zukunft) um uns um ihre Alltagsdinge kümmern zu können. Vorher war alles ganz gut ausbalanciert, aber nun hat sich einfach das Blatt gewendet, so blöd das auch ist sich einzugestehen.

Aber heute habe ich zumindest Wertschätzung und Verständnis bekommen, was mir schon weiterhilft. 🙂

 

Liebe Grüße


Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »Anna92« (30.09.2018, 09:55)
#6

Etcetera

Basel, Schweiz

Danke Anna, für deine Rückmeldung

 

Dann gute Zeit, macht's gut!

Christoph


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Etcetera« (30.09.2018, 20:01)
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