#11

Angie

Untermettingen, Deutschland

Ich kann ihn unter normalen Umständen alleine lassen und arbeite 75 %. Bislang haben meine Kolleginnen viel Verständnis. Es wären auch viele Freunde da, die uns unterstützen würden, leider ist es so, dass mein Partner keine Hilfe von außerhalb annimmt, sich ziemlich isoliert und darauf verlässt, dass ich alles erledige. 

Im Mai war ich eine Woche mit meiner Mutter im Urlaub und hab vorher alles organisiert, pflegedienst, hausnotruf, Freunde...er hat einfach alle weg geschickt. Hat mich fassungslos zurück gelassen, aber auch klar gemacht, dass er alleine zurecht kommt, zumindest für einen überschaubaren Zeitraum. 

Es gäbe einiges, was mich entlasten würde, nur verweigert er sich jedem Vorschlag und mir. Das macht mich inzwischen auch richtig sauer, den er sieht ja, wie schlecht es mir geht, wir sprechen auch darüber, wobei ich mir nicht mehr sicher bin, wieviel er davon noch versteht. 

 

 

Das könnte mein Misanthrop sein. Egal was ich gemacht hab, egal was ich vorgeschlagen hab, egal was die Kinder sagten, alles drehte sich um ihn, ihn allein und bitteschön, wir sollten sofort springen, sollten an den Augen ablesen was er will. Niemand war bei uns willkommen. Die Therapien hat er alle sein lassen weil sie seiner Meinung nach schlecht waren. Nichts, gar nichts war recht. Tja, dann ließen wir ihn alleine. Wir alle haben gesagt, es ist Schluss, bis hierher und keinen Schritt weiter. Für mich war es vermutlich die schlimmste Zeit, ich kam mir vor als hätte ich versagt, als wäre ich der schlechteste Mensch auf der Welt. Erst hat er alles versucht alleine zu machen, dann kam so langsam die Erkenntnis was er mir, was er uns antut. Plötzlich ging es.

Du bist kein schlechter Mensch!!!! Es gehören zwei dazu das so etwas funktioniert, auf eine gesunde Weise.

#12

LILLI

Viersen, Deutschland

Hallo, es tut gut zu lesen, daß ich mit meinen Gefühlen nicht alleine stehe. Ich frage mich trotzdem, was Euch bei Euren Partnern hält? Ich habe die letzten zwei Jahre durchgehalten, weil ich die Hoffnung hatte, dass es wenigstens ansatzweise wieder wird wie früher. Aber das, was unsere Beziehung und unsere Liebe ausgemacht hat, verschwindet mehr und mehr. Er tut mir unendlich leid aber außer dem schlaganfall verbindet uns nicht mehr viel an Gemeinsamkeiten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn noch liebe oder die Erinnerung an ihn. 

#13

Anonym 0

Bonn, Deutschland

Hallo Lilli 
Ich verstehe nicht so ganz, wenn du einerseits sagst, dass du nicht weißt, ob er dich überhaupt noch versteht und andererseits er aber in der Lage ist, Freunde nach Hause zu schicken, weil er die Unterstützung für nicht notwendig erachtet? Inwiefern ist er aus gesundheitlichen Gründen auf dich angewiesen? Was für einen Pflegegrad hat er? 
Könnte er denn allein leben? Warum dreht sich alles um den Schlaganfall? Thematisiert er den ständig oder meinst du damit, dass schlaganfallbedingt das Leben anders geworden ist? Für letzteres könnt ihr beide nichts. Also nicht nur er, sondern du auch nicht!
 
Mit jemandem zu sprechen, bei dem man sich nicht sicher ist, ob er überhaupt noch was versteht, ist natürlich schwierig. 
 
 
Was mich bei meinem Mann hält? Liebe!
Mein Mann hat allerdings keine Wesensveränderung durchgemacht. Er spricht nicht viel und wenn undeutlich, aber er ist noch der, der er immer war. Und er ist auch motiviert, beispielsweise an der Sprache zu arbeiten. Wir können durchaus zusammen lachen und das gibt mir natürlich viel zurück. Ich werde mich immer um meinen Mann kümmern, aber nur so, wie ich es kann. 
Wenn er ein anderer Mensch geworden wäre, dann würde ich schon meine Prioritäten anders setzten und mehr Verantwortung für das tägliche Leben und seine Zufriedenheit abgeben. Es würde aber nichts daran ändern, dass ich mich kümmern würde. Ich habe ihm zu Anbeginn erläutert, dass ich das Leben, wie wir es hatten, so nicht allein gestalten kann und ich Unterstützung dazu hole (er kann auch jetzt gar nicht allein bleiben). Die Unterstützung ist in unserem Fall meine Entlastung durch die Betreuerin/Alltagsbegleiterin. Wenn das nicht mehr ausreicht, muss ein neuer Plan her. 
Aber: wir sind verheiratet und ich liebe ihn schon allein deshalb, weil er mich zu dem Menschen gemacht hat bzw. hat werden lassen, der ich jetzt bin und der ich sein möchte. 
 
Ich habe letzten Sommer, kurz nachdem der SA passierte, einige Bücher von Frauen gelesen, die über ihr Leben mit einem Mann mit Schlaganfall geschrieben haben. Darunter war eins, wo der einst brillante Denker und erfolgreiche Manager zum abenteuerlichen Glücksritter wurde und ständig waghalsige Finanzmanöver starten wollte. In dem Haushalt lebten noch 3 Kinder, die so zwischen 18 und 22 waren. Alle haben sich bemüht an einem Strang zu ziehen und zum Schluss ist die Autorin mit dem jüngsten Kind (die älteren waren dann zum Studium ausgezogen) in eine neue Wohnung gezogen und der Ehemann in eine eigene behindertengerechte Wohnung in der Nähe. Da wurde sich besuchsweise gekümmert. Der Mann bekam einen Hund, damit er tagsüber nicht so allein war und Betreuung. Die Autorin hat dann auch nochmal einen anderen Mann kennengelernt (eine Fernbeziehung) und den Ehemann mit dem neuen Partner, wenn der da war, zusammen betreut. Die mochten sich untereinander. Der Ehemann war auch gar nicht mehr an einer Paarbeziehung interessiert. 
 
So ein Modell wird schon erfolgreich gelebt. Vielleicht wäre das wirklich das Richtige für dich?! Vielleicht gibt es bei euch auch so was wie ne Schlaganfall-WG, wo er einziehen könnte?!
 
Ich würde auch Tacheles reden, wir meine Vorrednerinnen das empfohlen haben und meine Befindlichkeit klar darstellen.
 
LG
Al Beck 
 

 

#14

LILLI

Viersen, Deutschland

Hallo Al Beck,

Das Buch habe ich auch gelesen und fand das beschriebene Betreuungsmodell sehr spannend. Ich bin dabei eine behindertengerechte wohnung zu suchen, was leider in unserer Region sehr schwer ist. Mein Partner kann auch alleine bleiben und er will auch vieles alleine machen und überschätzt sich dabei. Gibt auch vieles, was ich nicht verstehe...er trinkt und isst nicht, wenn ich ihm nicht jeden Tag Getränke und Nahrung auf den Tisch stelle, schafft es aber mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Ich glaube, was es mir schwer macht, ist dass ich ständig Angst habe, dass etwas passiert, wenn ich nicht da bin. Als ich im Frühjahr eine Woche allein im Urlaub war, hat er in der Zeit 2 kilo abgenommen. Ich bin sicher, dass keiner von euch den Tag des Schlaganfalls vergessen hat. Am Abend haben wir noch Pläne für Weihnachten gemacht und gelacht, und am nächsten Morgen ist der Mann, den ich so geliebt habe halbseitig gelähmt. Das sich seine Persönlichkeit so verändert hat, hab ich erst im Laufe der Zeit registriert. Ich bin seit 2 Monaten bei 3 Therapeuten auf der Warteliste, aber noch kein Termin in Aussicht. 

#15

Anonym 0

Bonn, Deutschland

Hallo LILLI,

Ich finde das Modell auch gut. 

Du könntest mal bei der Kirche beispielsweise anrufen und dort die Lebensberatung in Anspruch nehmen. Man muss dafür nicht in der Kirche sein. Die beraten jeden. Ich bin da mal vor Jahren gewesen, als es familiäre Probleme gab. Das war ein sehr guter Therapie-Ersatz. Da sitzen Mitarbeiter mit therapeutischem Hintergrund und besprechen mit einem die Situation. 

Du könntest Erziehungsberatung googeln. Darunter sind sie zu finden, beraten aber auch Partner. 

LG 

Al Beck

#16

LILLI

Viersen, Deutschland

Danke für den Tipp. Habe letzte Woche die telefonseelsorge angerufen und hatte eine sehr nette Dame am Telefon. Hat mir in der Situation wirklich sehr geholfen. 

#17

Marganna

Rheinland, Deutschland

Hallo Al Beck,

Das Buch habe ich auch gelesen und fand das beschriebene Betreuungsmodell sehr spannend. Ich bin dabei eine behindertengerechte wohnung zu suchen, was leider in unserer Region sehr schwer ist. Mein Partner kann auch alleine bleiben und er will auch vieles alleine machen und überschätzt sich dabei. Gibt auch vieles, was ich nicht verstehe...er trinkt und isst nicht, wenn ich ihm nicht jeden Tag Getränke und Nahrung auf den Tisch stelle, schafft es aber mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Ich glaube, was es mir schwer macht, ist dass ich ständig Angst habe, dass etwas passiert, wenn ich nicht da bin. Als ich im Frühjahr eine Woche allein im Urlaub war, hat er in der Zeit 2 kilo abgenommen. Ich bin sicher, dass keiner von euch den Tag des Schlaganfalls vergessen hat. Am Abend haben wir noch Pläne für Weihnachten gemacht und gelacht, und am nächsten Morgen ist der Mann, den ich so geliebt habe halbseitig gelähmt. Das sich seine Persönlichkeit so verändert hat, hab ich erst im Laufe der Zeit registriert. Ich bin seit 2 Monaten bei 3 Therapeuten auf der Warteliste, aber noch kein Termin in Aussicht. 

 Genau so ging/geht's mir auch, immer Angst, es passiert was, Selbstüberschätzung und Persönlichkeitsveränderung bei meinem Mann, welche erst nach und nach zu Tage getreten ist, Essen und Trinken bekommt er am liebsten serviert, aber arbeiten und nach außen so tun als wäre alles prima usw. Er ist ja nach wie votr der Alte, liegt alles an mir. Das ist auch zum Verzweifeln. In psychologischer Behandlung bin in schon länger. 

Im Gegensatz zu vielen anderen hier sieht mein Mann das Problem nicht bei sich, sondern bei mir, da hilft kein Tacheles reden, endet nur mit Streit. Er ist nicht bereit, anzuerkennen, was der SA mit ihm bzw. uns gemacht hat. Das ist extrem belastend. 

#18

Anonym 0

Bonn, Deutschland

Der Partner sollte mit zur Beratung gehen. Vielleicht kann der Therapeut die Situation besser spiegeln. 

 

Zur Wohnungssuche: Genossenschaften haben oft behindertengerechte Wohnungen. Versuchs da mal.

 

 

#19

Angie

Untermettingen, Deutschland

Hallo, es tut gut zu lesen, daß ich mit meinen Gefühlen nicht alleine stehe. Ich frage mich trotzdem, was Euch bei Euren Partnern hält? Ich habe die letzten zwei Jahre durchgehalten, weil ich die Hoffnung hatte, dass es wenigstens ansatzweise wieder wird wie früher. Aber das, was unsere Beziehung und unsere Liebe ausgemacht hat, verschwindet mehr und mehr. Er tut mir unendlich leid aber außer dem schlaganfall verbindet uns nicht mehr viel an Gemeinsamkeiten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn noch liebe oder die Erinnerung an ihn. 

 

Da kann ich auch nur sagen, die Liebe.

Er hat es mit mir durchgemacht vor mittlerweile 12 Jahren, jetzt habe ich es mit ihm durchgemacht. Ich hatte den Schlaganfall auf der linken Seite, er auf der rechten, wir haben also beide zusammen ein Gehirn 🙂 Dazu kam nach seinem Schlaganfall die Depression, wie sie im Buche steht.

Wenn ich deinen Bericht lese, kann ich dich voll verstehen. Versuche die schon genannten Tips und entscheide dann auch, ob du ihn überhaupt noch als Partner siehst. Ich liebe meinen Mann so wie er ist, mit allen Macken. Ich bin aber auch schon knappe 19 Jahre mit ihm zusammen, das ist viel mehr als ihr habt.

#20

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Hallo, es tut gut zu lesen, daß ich mit meinen Gefühlen nicht alleine stehe. Ich frage mich trotzdem, was Euch bei Euren Partnern hält? Ich habe die letzten zwei Jahre durchgehalten, weil ich die Hoffnung hatte, dass es wenigstens ansatzweise wieder wird wie früher. Aber das, was unsere Beziehung und unsere Liebe ausgemacht hat, verschwindet mehr und mehr. Er tut mir unendlich leid aber außer dem schlaganfall verbindet uns nicht mehr viel an Gemeinsamkeiten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn noch liebe oder die Erinnerung an ihn. 

Was mich hält, jetzt schon 4 Jahre lang?

Die Liebe und noch mal die Liebe. Ich glaube, ich war noch nie mit einem Menschen so sehr verbunden wie mit ihm (manchmal verfluche ich das aber auch.) Weil seine Augen inzwischen wieder immer häufiger den Mann zeigen der mich angezogen hat seitdem ich da das erste Mal rein geschaut habe. Weil er ein sanfter (aber ziemlich sturer) Mann ist und weil ich, obwohl ich in besonders schlimmen Phasen schon darüber nachgedacht habe für meinen Mann eine andere Wohnalternative zu suchen, auch weiß, dass ich ihn unendlich vermissen würde, wenn ich ihn nicht mehr neben mir hätte. Und das, obwohl Kommunikation mit meinem Mann auch heute noch eine echte Herausforderung ist. 

Weil mein Mann regelmässige Hoch- und Tiefphasen hat (die mich an meine Grenzen bringen) habe ich wirklich schon oft an Trennung gedacht. Das sind die Momente in denen ich denke: ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr und am liebsten würde ich meinem Leben ein Ende setzen wenn ich nicht zu feige dazu wäre (bin ich wirklich, es besteht keine Gefahr. Es ist mehr die Sehnsucht nach innerem Frieden und nicht mehr müssen zu müssen). 

Mein Verstand weiß aber auch, dass mir das gar keinen Frieden bringen würde. Es wäre keine Lösung. Weder für meinen Mann (es würde ihn kreuzunglücklich machen), noch für mich.

Ich hoffe so lange durchzuhalten bis wir uns einigermaßen eingespielt haben und ich hoffe, dass mein Mann endlich weniger Tiefphasen hat.

Bei uns wird es nie wieder auch nur ansatzweise so werden wie früher. Aber ich glaube, vor 2 Jahren habe ich das, ähnlich wie Du, im Stillen immer noch gehofft. Es muss auch nicht mehr so werden wie früher. Aber ich möchte wieder dahin kommen, dass ich mit meinem Mann mehr schöne Zeiten habe anstelle dieser ganzen Mühen. 

Ja, was sind die Mühen?

- die Kommunikation - oder besser die, die aufgrund der globalen Aphasie nicht möglich ist.

- im Grunde fast alles kontrollieren müssen (wird genug getrunken, gegessen, Medikamente genommen?) - Nur den Schlaf, den muss ich nicht kontrollieren. 

- aus dem Bett scheuchen

- An Training/Übungen erinnern

- in Anhalten im Haushalt mit zu helfen (Spülmaschine, Blumen gießen, Staub saugen, Betten richten)

- zu Therapien fahren

- den kompletten Alltag regeln 

- Papierkram rund um die Krankheit

- Arztbesuche

- Hygiene kontrollieren (funktioniert in weiten Bereichen gut, aber kleinere Bereiche dann doch nicht. Sie sind nicht im Bewusstsein).

Schlimm ist für mich, dass wenn ich nicht kontrolliere, da auch mal einiges richtig schief gehen kann. Die Medikamenteneinnahme hatte lange Zeit sehr gut funktioniert (ich richte vor) und deshalb hatte ich irgendwann das nicht mehr morgens und abends kontrolliert. Tja, Irgendwann stellte ich eher zufällig fest, dass eine Einnahme übergangen worden war. Ähnlich beim Trinken, oder beim Üben. Dieser Zwang kontrollieren/anhalten zu müssen um überhaupt die Gesundheit stabil zu halten und doch noch die eine oder andere Verbesserung zu erzielen, die macht mich kirre.

Wütend macht mich, dass mein Mann sich an den Esstisch setzt und sich das Essen servieren lässt. Da hilft es auch nichts, wenn ich nur mich versorge (abgesehen davon, dass ich das lächerlich fand .. ich habe es getestet). Er ist es inzwischen gewohnt supportet zu werden und er versteht gar nicht (ich bin sicher, dass er es nicht einordnen kann, wenn ich da wütend werde), dass ich sauer werde. 

Aber auch wenn ich schreibe: die Liebe. Und andere auch. Das muss nicht für Dich bedeuten, dass das für Dich auch gelten muss. Abgesehen davon war mein Mann im ersten Jahr so schlimm (da wurde er auch gemein), dass ich das sicher nicht so lange durchgehalten hätte. Wäre das geblieben, es wäre auf einen Pflegeheimplatz für ihn hinaus gelaufen. 

Wurde schon mal ärztlicher seits geprüft, ob Dein Partner Depressionen haben könnte? 

 


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Amsel« (28.08.2023, 15:21)
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