#1

Glukose

Bad Homburg, Deutschland

Hallo,

meine Mutter hatte vor einiger Zeit eine schwere Hirnblutung durch ein geplatztes Aneurysma. Der Verlauf war leider nicht so toll, sodass das Krankenhaus zum Schluss kam, dass man nach einer Phase F-Einrichtung/Intensivpflege zu suchen muss. Der Sozialdienst vom Krankenhaus unterstützt mich zwar, aber es gibt scheinbar nur wenige Orte in der Nähe von Frankfurt-Umgebung und noch weniger mit freien Plätzen. Erschwerend hinzu kommt, dass meine Familie leider kein Auto hat - also gehen nur Öffis.

Viele die in Frage kämen haben schon abgesagt.

Nach einiger Zeit kam ein Anruf aus einer Einrichtung in der "Nähe" (1,5 h mit Öffis). Allerdings hat die Einrichtung bei den Google Rezensionen nicht gerade eine tolle Bewertung - die schlechteste von allen Einrichtungen um genau zu sein. Jetzt wäre die Zeit für die Reise schon ein Manko, aber meiner Meinung nach nicht das Schlimmste (sind mit einfachem Weg aktuell 2-3 Std unterwegs zu meiner Mutter). Das Schlimmste wäre für mich, dass meine Mutter in einer Einrichtung ist, wo sie vernachlässigt/schlecht behandelt wird und keine Fortschritte mehr macht.

Sie ist jetzt 60 Jahre und ich habe immer noch die Hoffnung, dass sie Fortschritte machen kann. Das tut sie jetzt schon in kleinen Schritten, indem sie mit ihrer Hand zum Fenster zeigt oder Fragen mit dem Kopf beantworten kann - wenn sie einen guten Tag hat. Entsprechend besorgt bin ich über die Berichte. Wir werden zwar selbst die Einrichtung besuchen, aber die Grundlage ist nicht gerade die beste, wenn ihr versteht, was ich meine.

Der Sozialdienst vom Krankenhaus meinte anfangs, dass alles steht und fällt mit den aktuellen Leuten in der Pflege und dass man sich nicht so ganz auf Rezensionen der Vergangenheit verlassen kann.

Aber ich frage mich vor allem, was passiert wenn wir jetzt nach dem Besuch zum Schluss kommen: Keine gute Idee. Was passiert mit meiner Mutter ? Kann man einfach rausgeworfen werden aus dem Krankenhaus, wenn wir nichts passendes finden ?

Ich hoffe jemand mit Erfahrung auf dem Gebiet kann mir weiterhelfen.

Viele Dank.

#2

Heinz

königswinter, Deutschland

Lieber Angehöriger,

das geschilderte ist eine sehr schwierige Situation.

Hast Du keine Möglichkeit zur häuslichen Betreuung?

Ich habe erleben müssen (hatte nichts mit Schlaganfall zu tun, war jedoch eine andere schwere Erkrankung) dass ein Patient, der nicht nach Hause entlassen werden konnte, weil die Klinik aus ihrer Sicht keine Verbesserung mit ihren Therapien mehr herbeiführen konnte. Diese Person in eine Intensiv Pflegeeinrichtung verlegte. Dort gab es zwar viel Pflegepersonal für die Pflege (Beine wickeln, Wundversorgung etc.) Jedoch keine Therapie und Essensversorgung etc. Der Raum musste vom Patienten gemietet werden. Ein Bett und das Zubehör wurden geliehen. Er musste sich somit selbst mit Lebensmitteln versorgen. Ich konnte das nicht verstehen. Daher habe ich dies der Entsprechenden Krankenkasse gemeldet und mich bei der Klinik die dies veranlasste um eine Auskunft für diese Situation gebeten. Deren Antwort: Uns blieb keine andere Möglichkeit. Diese Einrichtung kann die Pflege gewährleisten.

Ich hoffe und wünsche Dir, dass Du eine bessere Reha Lösung für Deine Mutter finden kannst.

Vielleicht ist eine zu Hause unterstützte Pflege die bessere Lösung. Zu Hause kann mit Eurer Unterstützung sowie mit Therapeuten aus dem Wohnumfeld sicherlich wieder eine Verbesserung ihrer Selbständigkeit erreicht werden.

Überlegt ob es vielleicht, wenn mehrere Personen Dich unterstützen, zu Hause klappen kann.

Ich wünsche Euch viel Kraft und Glück für das was jetzt auf Euch zukommt.

Liebe Grüße

Heinz

 

#3

Glukose

Bad Homburg, Deutschland

Hallo,

danke dir erstmal für deine Antwort.

Gesundheitlich ist meine Mutter monitorpflichtig wg. Tracheostoma. Entsprechend muss alles gestaltet sein wie in einem Krankenzimmer und jemand 24 h jemand da sein. Leider ist es so, dass wir jetzt zu dritt sind in einer kleinen Mietswohnung. Zudem ist mein Vater schon etwas älter und kann die Pflege meiner Mutter nicht alleine stämmen. Alleine ist er deswegen, weil für ihn eine fremde Person die 24h bei uns ist, nicht gewünscht ist. Zudem weil ich voll berufstätig bin und mein Bruder mitten im Studium. Mein Vater müsste also den Großteil machen und wir beide könnten ihn nur unterstützen, selbst wenn ich beruflich die Stunden reduzieren würde.

Wie gesagt, ist ja noch was rauszuholen bei meiner Mutter, aber sie kann nichts mehr alleine - kann uns also nicht unterstützen, wenn wir ihr helfen. Von der Seite hatten wir uns überlegt, dass es besser für sie wäre in einer Einrichtung zu sein, die speziell für ihre Gesundung ausgelegt ist (Phase F). Für erste zumindest. Wenn es ihr besser geht wollten wir sie nach Hause holen und mit einem Pflegedienst, der zu gewissen Zeiten kommt und nicht ständig da ist, pflegen.

Der Knackpunkt generell ist, dass sie ja nicht wirklich mit uns kommunizieren kann. Wenn es ihr schlecht geht/behandelt wird, kann sie uns das nicht mitteilen.

Ich hab auch mit dem Sozialdienst geredet, aber der hat auch gemeint, dass die Krankenkasse das nicht ewig aufschieben will. Irgendwann müssen wir uns entscheiden. Wir müssen uns also eine der vorgegebenen Einrichtungen nehmen. Wir können uns aber auf eine Warteliste setzen lassen und hoffen, dass was frei wird, wo wir gerne hin möchten.

Krankenkasse hatte ich auch angerufen, aber die hätten nur positive Resonanzen von der Einrichtung. Aber wie verlässlich die Aussage ist, weiß ich nicht. Langsam werde ich paranoid, wem ich vertrauen kann wegen meiner Mutter und wer nur die ganze Sache erledigt haben möchte.

Besonders "Hilfreich" ist der ganze Kram außen rum. Z.B dass das Gericht meinen Aufgabenbereich noch nicht erweitert hat. Aber alles muss jetzt schnell gehen. Ich hab das Gefühl ich platze gleich mit der ganzen Überforderung.


Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal bearbeitet, zuletzt von »Glukose« (23.09.2022, 14:14)
#4

Annin

Bayern, Deutschland

Es tut mir leid, dass du dich im Moment mit so vielen unschönen Entscheidungen herumschlagen musst.

Deine Mutter macht Fortschritte, das ist gut. Und sie wird sicher noch mehr machen.

A und O dabei ist, dass ihr auch alle für sie da seid. Da bietet sich immer eine Einrichtung in der Nähe an. Ihr könnt öfter vor Ort sein (am besten täglich!) und dabei mit ihr „arbeiten“, aber auch die Pflege unterstützen und euch ein Bild von den Gegebenheiten vor Ort machen. Wenn deine Mutter mehrere Stunden entfernt ist, wird das alles schwieriger und macht eventuell die Sache nur sinnvoller, wenn es richtig gut ist.

In der Phase F wird auch nicht besonders viel an Fortschritten gearbeitet; wenn da noch etwas passieren soll, müsst ihr dahinter sein. 

Insgesamt kenne ich nicht allzuviele Einrichtungen und kann nicht viele Tipps dazu geben.

#5

Glukose

Bad Homburg, Deutschland

@Annin Ja, das mit dem vor Ort sein steht außer Frage. Selbst jetzt wo wir insgesamt 4-6 Std pro Tag unterwegs um meine Mutter in der Frühreha zu besuchen, haben wir versucht, dass so gut wie jeden Tag jemand von uns da ist. Aufgrund der Corona-Bestimmungen vor Ort war es nur für 1-2 h möglich, aber hat fast immer täglich geklappt. Schlaucht halt extrem und leider war meine Mutter oft eher schläfrig und wenig reaktiv. In letzter Zeit hat sie zum Glück wachere Momente.

Die Angebote zur Therapie waren für uns ausschlaggebend speziell nach Phase F-Einrichtungen zu gehen. Und wir gehören mit unserem Wohnort zu den wenigen Glücklichen, die wenigstens zweistellige Auswahl hatten, wenngleich alle bis auf zwei abgesagt hatten. Da wir wenig bis keine Ahnung haben auf z.B. dem Gebiet der Physio, sollte die Einrichtung entsprechende Angebote haben, um weiter Fortschritte zu erzielen - so zumindest die Hoffnung.

Mittelfristig würden wir uns in eine Warteliste aufnehmen lassen für eine Einrichtung in der Nähe und langfristig eben zuhause, wenn sie endlich die Trachialkanüle los wird. Solange müssen wir wohl mit der Distanz leben, was immer noch besser ist als aktuell.

Könntest du vielleicht oder andere Betroffene mir Tipps geben, was wir als Angehörige machen können, um ihren Zustand zu verbessern ? Bislang reden wir immer mit ihr, erzählen über unseren Tag, stellen ihr Fragen, die sie mit Kopf schütteln oder nicken beantworten kann....wir sind im Prinzip da. Was für Übungen können wir z.B. machen oder ähnliches ?

#6

Annin

Bayern, Deutschland

Zunächst könnt ihr die Therapeuten und Pfleger vor Ort fragen, was ihr machen könnt.

Dann würde ich mit sanften Massagen an den Händen beginnen, bis zum Ellenbogen oder auch mal die Zehen leicht kneten. Kann sie die Beine bewegen? 
Für die Massage kannst du ein Öl verwenden; ihr könnt gemeinsam am Öl riechen und den Geruch beurteilen mit Gesten.

Dann würde ich zwei Tennisbälle mitnehmen und sie kann den Ball anfassen oder was eben geht. Am besten selbst auch einen Ball in der Hand haben.

Sprechen kann sie gar nicht? Sonst könntet ihr ganz leise miteinander singen.

Oder Musik anmachen und einfach miteinander dazu bewegen, ihre Hände in die Hand nehmen und etwas schaukeln.

Du könntest ihr ganz sachte die Haare bürsten und ihr die Bürste dann in die Hand drücken, dann kann sie es selbst probieren.

Es gibt billige Vibratoren für Therapiezwecke bei amazon für um die 10€, damit kann man die Finger durch massieren oder auch Signale an Körperstellen setzen.

Ich würde immer einen Mix aus bekannten und neuen "Therapien" mit ihr machen. 
Ich hoffe, es ist etwas dabei für euch.


Edit: wenn sie mit der Hand zeigen kann, kannst du den Tennisball immer wieder anders halten und sie soll darauf zeigen. Wenn sie auf das Fenster zeigt, will sie evtl raus? Könnt ihr mit Rollstuhl nach draußen?


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Annin« (24.09.2022, 00:30)
#7

Heinz

königswinter, Deutschland

Du brauchst Dir wegen der erforderlichen bestmöglichen Therapie keine allzu großen Sorgen zu machen. Ihr könnt nicht viel falsch machen. Wie ich lese organisiert ihr den Besuch optimal. Das ist anfangs das wichtigste. Die Schläfrigkeit kann mit den Medikamentengaben der Klinik oder mit der anfangs noch eingeschränkten  Konzentrations- und Leistungsfähigkeit zusammenhängen.

Ihr Gehirn setzt jetzt viel Energie um, um die großen Leistungen mit dem Heilungsprozess zu ermöglichen. Das benötigt Ruhe, Anregung und Freude bei dem neuen Verknüpfen von verlorenen Synapsen Verknüpfungen. Wie kleine Kinder muss das Gehirn angeregt werden und neu lernen. Die "Chemie" zwischen Therapeut und Patient ist eine wichtige Voraussetzung für den Heilungsprozess. Schaut Euch an wie die Zusammenarbeit in der Klinik funktioniert und gleicht bei Bedarf aus. Manchmal ist es besser den Therapeuten zu bitten mit einem Kollegen oder Kollegin zu wechseln.

Ich gehe davon aus, dass im Krankenhaus Physiotherapie und Ergotherapie durchgeführt wird. Versuch mit den Therapeuten zu sprechen und fragt, wie ihr deren Therapie am besten unterstützen könnt.

Dann werdet ihr schnell feststellen dass sich Fortschritte einstellen. Macht Euch daher nicht zu große Sorgen wie es weitergeht. Eure Sorgen werden vom Patienten gespürt und belasten Eure Mutter. Sie kennt Euch auch und sieht Euch an was ihr denkt.

Viel Erfolg und Glück

Liebe Grüße

Heinz

 

#8

D Kleinert

Gütersloh, Deutschland

Also, da mein Vater ab Montag zur Kurzzeitpflege (2 Monate) kommt habe ich schonmal versucht weitere Reha/Therapien zu organisieren.

Ergotherapie könnte klappen, aber alle Physiotherapeuten die ich hier kontaktiert habe winken ab mit dem Hinweis auf fehlendes Personal und Terminknappheit.

Jetzt hoffe ich mit der Pflegeleitung dass die im Heim auftauchenden Therapeuten ihn sozusagen ab und zu mal dazwischenschieben können.

Ansonsten siehts schlecht aus mit Physio.

Und ich denke dass Rezensionen durchaus hilfreich sind, wenn ich die Wahl habe zwischen einer Einrichtung die von verschiedenen Leuten über einen längeren Zeitraum positiv bewertet wird und einer die viele schlechte Kommentare, gerne mit wiederkehrenden Kritikpunkten (essen, betreuung, Hygiene) kassiert dann würde ich ganz sicher kein Lotteriespiel daraus machen.

In dem Stift wo mein Vater jetzt hinkommt war bereits der Onkel meiner Chefin untergebracht und da denke ich dass das keine Absteige ist und bei anspruchsvollen Leuten wohl kaum angenommen würde wenn da was nichts taugt.

#9

Glukose

Bad Homburg, Deutschland

Erstmal danke an alle für eure Antworten. Die jetzige Situation ist komplettes Neuland und daher etwas besorgniserregend. Die Angst ist da, mangels Unkenntnis, Fehlentscheidungen für meine Mutter zu treffen, die ihre (potentiellen) Fortschritte zu Nichte machen würden. Das Rechtliche drum herum als gesetzlicher Betreuer macht es nicht einfacher. Das alles nur weil ein paar Idioten im System ihre Angehörigen ausbeuten (Konten leerräumen etc.) anstatt für sie da zu sein.

@Annin Das Einzige was sie jetzt kann (willentlich), ist manchmal auf Fragen mit dem Kopf zu antworten. Zeigebewegung sind selten und mit viel Kraftaufwand für sie verbunden. Ganz am Anfang, als sie frisch in der Intensiv war, konnte sie mit dem Lippen Sätze formen und es schien generell so, dass sie mehr verstanden hat. Ich weiß nicht, was im Verlauf passiert ist, aber nach und nach wurde sie schläfriger - vielleicht die späte Entscheidung einen VP-Shunt zu setzen... keine Ahnung. War natürlich frustrierend, dass dieser große Erfolg weg war. Aber wir versuchen mal deine Tipps umzusetzen.

@D Kleinert Ja, wenn wir nur die Auswahl hätten zwischen guter und schlechter Einrichtung. Es ist eher so, dass die Auswahl besteht zwischen schlecht und weniger schlecht. Zudem kommen nicht so viele Einrichtungen in Frage, weil meine Mutter noch eine Trachialkanüle hat und entsprechend mehr Aufmerksamkeit benötigt. Traurigerweise ist das in sofern hilfreich, weil sie erst dadurch für Intensivpflege-Einrichtungen qualifiziert ist und dadurch das Finanzielle zum Großteil (incl. Eigenanteil) von Krankenkasse und Pflegeversicherung gezahlt wird.

Egal wie es kommt, wir werden uns die Einrichtung mal ansehen und hoffen, dass das Positive überwiegt. Mittelfristig hoffe ich, dass was in der Nähe frei wird. Ich meine beim Krankenhaus hatten wir auch keine Auswahl und es hat einigermaßen funktioniert. Ich versuche positiv zu bleiben, mehr kann ich nicht machen


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Glukose« (24.09.2022, 12:31)
#10

Heinz

königswinter, Deutschland

was @Annin schrieb kann ich nur unterstreichen.

Falsch machen könnt ihr aus meiner Sicht wenig. Folgt euerm Gefühl. Jede Erkrankung ist immer individuell, geprägt von den Lebenserfahrungen und Möglichkeiten zu betrachten. Die Selbstheilungskräfte des Körpers spielen dabei eine große Rolle. Jeder positive Reiz hat Erfolgsaussichten zur Verbesserung der Situation und Erholung des Schlaganfall Patienten. Gibt es etwas, was Eure Mutter interessiert und worüber sie sich als Mutter gerne Gedanken machen würde. Jede Ablenkung von ihrer Lage hin zu positiven Gedanken kann für sie hilfreich und motivierend wirken.

Schaut euch alternativ mal die Hospiz Vereine in eurem Bereich an. Bei dem Hospiz Verein geht es meines Erachtens nicht nur um die Sterbebegleitung, sondern um die Unterstützung schwerstkranker Menschen. Ich habe schon mal Menschen im Hospiz besucht und musste erkennen, dass diese dort ehrenamtlich arbeitenden Menschen alles Mögliche für ihre zu betreuenden Patienten unternehmen. Vielleicht lässt sich auch dort, unter besten Bedingungen, eine vor Ort Therapie ermöglichen. Fragt einfach mal nach. Würde mich freuen wenn ich richtig liegen und wäre über eine diesbezügliche Rückinformation sehr dankbar.

Liebe Grüße

Heinz

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