#11

Etcetera

Basel, Schweiz

Es gibt aber auch das Gegenteil, positive Erfahrungen. Passt vielleicht irgendwie nicht ganz hierher, aber ich möchte es gerne los werden.

Unsere über dreissig Jahre dauernde Beziehung hat sich durch meinen Schlaganfall weiter gefestigt. Meine Partnerin rief den Krankenwagen und begleitete mich ins Spital. Der Infarkt war noch so frisch, dass beim Röntgen (oder Ultraschall oder was auch immer) nicht klar war, welches Ausmass der Thrombus hatte, für ein MRI blieb keine Zeit. Da ich nicht bei Bewusstsein war, musste meine Liebste im Gespräch mit den Ärzten entscheiden. Sie entschied für die  Lyse, trotz der ärztlichen Warnung, dass das eine Blutung verursachen kann und vielleicht das Gerinnsel nicht auflöst. Dank ihres raschen Handelns und Ihres Entscheides kann ich heute nach zwei Jahren wieder zu 50% arbeiten und meine Behinderungen bleiben in einem erträglichen Rahmen.

Trotzdem, die Last des Lyse-Entscheides, das Warten auf die Wirkung der Lyse und meine Akutzeit in der Neurologie/Stroke Unit hat meiner Partnerin solchermassen zugesetzt, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben musste. Davon erzählte sie mir nie, sie gab immer die Starke ... bis vor ein Paar Wochen, da hat sie sich verplappert 🙂

Meine Liebste hat – wie ich auch – innert Tagen so viel gelitten aber auch so viel an Lebenserfahrung gewonnen, dass es kaum zu verkraften war. Nachdem ich aus der Klinik kam, hat sie sich um mich gekümmert, fuhr mit mir mit Bus und Bahn zum Neuropsychologen bis ich den Weg alleine fand und und und. Sie hat mich behütet und mir geholfen, mich aber nie bevormundet oder verwöhnt.

Alles ist heute überstanden.Was bleibt sind ihre Ängste, meine veränderte Persönlichkeit und ein paar Handycaps. Ruft sie mich und ich reagiere nicht sofort, bricht bei ihr Panik aus. Bin ich nicht gut drauf, habe ich mit allem mühe und könnte meine Liebste „erwürgen“, obwohl sie nichts, absolut nichts gemacht hat. Sie wiederum gibt sich mühe, meine „Sch....laune“ zu schlucken und ich beiss mir fast die Zunge ab, um lieb mit meiner Partnerin zu sein. Sie versucht zu verstehen, dass ich nicht die Unwahrheit sage sondern vieles verwechsle oder mir einbilde und ich muss eben schlucken, dass sie sauer wird, wenn ich „Müll“ behaupte, etcetera.

Trotz dieser (und anderer) Schwierigkeiten wissen wir heute besser denn je, wer der andere ist, wie er gelitten hat und wir wissen, dass wir einander brauchen, uns verstehen und unser Lebenszweck unsere gegenseitige Bindung ist. Und wir wollen für einander da sein.

Ich gehe wöchentlich an meinen Stammtisch (=freier Abend für meine Liebste). Meine Partnerin nimmt sich ihre Freiräume, geht gerne mal alleine mit Freundinnen/Schwestern in die Ferien (also ohne mich), respektiert meine Behinderungen und nimmt mich wie ich bin; sie ist Sozialpädagogin und arbeitet mit seelisch und leicht geistig behinderten Erwachsenen – das hilft 🙂

Dann schaut sie noch zu ihrer dementen, pflegebedürftigen Mutter und kämpft mit Behörden und der Hauspflege, hat mich an der Backe und muss sich ja auch noch um sich selbst kümmern. Ich weiss nicht woher sie diese Kraft nimmt. Manchmal kommt sie an ihre Grenzen und das macht mich sehr traurig und hilflos, denn viel kann ich ihr nicht geben und helfen. Aber was geht, das tue ich gerne.


Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »Etcetera« (12.04.2016, 20:48)
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jup11

Quarnbek, Deutschland

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Hallo Zusammen, 

habt ihr schonmal über eine Pflegekraft im eigenen zu Hause nach gedacht? Meiner Mutter war bei dem Gedanken in ihrem alter von zu Hause auszuziehen sehr unwohl. Eine Pflegerin die bei ihr zu Hause wohnt und eher wie eine Freundin ist, mit der sie auch außerhalb der Pflege Zeit verbringt, war für sie gar kein Problem. Ich hatte sogar eher das Gefühl sie freut sich mit jemandem Zeit zu verbringen, Spazieren zu gehen, zu essen und allgemein jemanden zu Hause zu haben, der mit ihr Zeit verbringt. Die Pflegekraft hat uns Mecasa (https://www.mecasa.de/) vermittelt. Der Service war super. Telefonisch war jeder Zeit ein Ansprechpartner für uns da und wurden sogar bei meiner Mutter zu Hause beraten, damit auch sie ihre Wünsche und Sorgen äußern kann. Meine Mutter ist mit der Pflegerin sehr zufrieden und wirkt jetzt viel glücklicher und nicht mehr so einsam. 

Die Hemmschwelle in ein Pflegeheim zu ziehen ist nochmal einiges größer als jemaden bei sich Einziehen zu lassen. Für mich ist diese Lösung eine große Erleichterung! Wir können durchatmen und haben wieder mehr Zeit und Energie und meine Mutter ist glücklich 🙂

Falls jemand im Moment auf der Suche ist kann ich Mecasa wärmstens empfehlen!

Liebe Grüße

Antje 

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