Schlucken kann sie nach wie vor nicht. Eine Erklärung der Ärzte bzw. der Logopäden gab es bislang auch noch nicht. Es hieß immer wieder, dass es halt seine Zeit bräuchte.
Als ich 1971 im Sechsbettzimmer mit Schwerstkranken Patienten im Zimmer wieder zu mir kam, haben wir uns gegenseitig versucht Mut gemacht. "Schlimmer kann es nicht kommen!" Sowie zynisch: "Schlimmer geht immer!" sowie "Die Hoffnung stirbt zuletzt!" waren Sprüche, mit denen wir uns auf andere Gedanken brachten. Nur so konnten wir uns von den negativen Gedanken etwas Freiraum schaffen.
Bei einem Gespräch hatte die Ärztin sich verwundert darüber gezeigt, weil meine Mutter wohl auf der rechten Gehirnseite den Infarkt hatte und eigentlich, da er nicht sehr schwer gewesen ist, zu starke Beeinträchtigungen zeigt. Vor allem dürfte lt. ihrer Aussage weder das Sprach- noch das Schluckzentrum betroffen sein.
Irgendwie kamen wir dann darauf, dass meine Mutter eigentlich Linkshänderin ist, aber in ihrer Kindheit umerzogen wurde.
Darin sah sie dann eine eventuelle Erklärung dafür, warum Sprache und Schlucken beeinträchtigt sind. Die nähere Erklärung kann ich jetzt ehrlich gesagt nicht wiedergeben. Irgendwie ist dann das Gehirn anders "programmiert".
Mir ging es ähnlich, auch ich wurde vom Linkshänder zum Rechtshänder umprogrammiert. obwohl bei mir die rechte Hirnhälfte betroffen war, hatte ich Sprach- und Schluckprobleme, die sonst nur bei Schädigungen dem linken Hirnbereich auftreten.
Meine Schwester war Linkshänderin und wurde umprogrammiert. Seither schreibt sie mit links Spiegelschrift und kann diese auch normal lesen. Mit rechts schreibt sie normal.
Das viel bei ihr in der Schule auf, weil keiner ihre Schrift lesen konnte. Daher muss somit im Gehirn eine enorme Umprogrammierung stattfinden. Daher ist jetzt bei Deiner Mutter wiederum eine Neuprogrammierung erforderlich, also ein Lernprozess erforderlich. Damit der Schluckmechanismus wieder funktionieren kann. Das erfordert Zeit, Mut und Geduld.
Sie hatte gestern eine Ultraschalluntersuchung wegen des Legens der Magensonde.
Ihr wurde vor 7 Jahre der Magen wegen eines Durchbruchs entfernt, sodass erst mal abgeklärt werden musste, ob eine Magensonde überhaupt möglich ist. Das hat sich jetzt bestätigt.
Allerdings verzögert sich dieser Eingriff bis nächste Woche Dienstag. Es sind zu viele Notfälle ins KH gekommen und am WE werden solche Eingriffe nicht vorgenommen, dazu noch der Feiertag am Montag.
Im Moment bekommt sie die wichtigsten Nährstoffe und Flüssigkeit über die Armvene (?), da das Legen der Sonde durch die Nase absolut nicht mehr toleriert wurde.
Der allgemeine Gesundheitszustand von ihr ist eigentlich sehr gut. Die Ärzte sind sehr zufrieden. Die behandelte Ärztin hat mir am Dienstag gesagt, dass man jeden Tag bei ihr Fortschritte sehen kann. Sie läuft, guckt aus dem Fenster, zieht sich an, geht auf den Toilettenstuhl usw.
Das ist doch ein Erfolg. Super!
Allerdings scheint sie seit Anfang dieser Woche irgendwie depressiv zu werden.
Dafür braucht sie jetzt Zuspruch! Damit sie auf andere Gedanken kommt.
Sie hat am Dienstag bereits sehr deutlich angezeigt, dass sie nicht mehr mag.
Gestern war es dann besonders schlimm. Sie hat das Aufschneiden der Pulsadern angezeigt, den Kopf geschüttelt etc. Alles gut zureden hat nix gebracht. Sie war total muffelig und desinteressiert.
Ist das kein Wunder? Keiner hat Zeit, ihr geht es nicht gut. Da muss man sich doch als Belastung vorkommen. Von diesem Gedanken muss sie abgelenkt werden.
Sie hat in ihrer Handtasche immer ein kleines Taschenmesser. Das habe ich vorsichtshalber an mich genommen. Weiter habe ich die Schwester darauf angesprochen, dass man einfach ein Auge auf sie haben sollte. Sie hat dann auch dafür Sorge getragen, dass das Fenster abgeschlossen wird.
Besteht die Möglichkeit sie in einen Rollstuhl zu setzen und sie je nach Wetter mal nach draußen zu fahren? Ich hätte mich in dieser Situation darüber gefreut!
Als mein Vater Jahre später mit Schlaganfall im Krankenhaus lag und es ihm augenscheinlich sehr schlecht ging, habe ich den Arzt bei der Visite gefragt, (das ging damals noch) ob ich ihn mit seinem Bett mal kurz in den sonnigen Flur fahren dürfte. Der hat mich angesehen und mir das aufgrund meiner Lähmung wohl nicht zugetraut, dass ich das Schaffen könnte und dem zugestimmt. Also nahm ich mir nach der Visite sein Bett und bin mit ihm in den dunklen Flur, dass gefiel mir gar nicht. Dann in den Aufzug und nach draußen gefahren. Leider ging dabei der Infusionsschlau aus der Halterung. Mit einer Hand bekam ich ihn leider nicht wieder an die Infusion angeschlossen. War aus meiner Sicht für einen kurzen Zeitraum nicht so schlimm, dachte ich mir und blieb einige Minuten mit ihm draußen in der frischen Luft stehen. Er freute sich über das gurren der Tauben. Nachdem ich ihn wieder ins Krankenhausgebäude schob, sah ich wie er diesen Ausflug genoss. Seine Hautfarbe normalisierte sich wieder. Im Eingangsbereich bat ich eine Krankenschwester den Infusionsschlauch wieder anzuschließen. Die hat mich dann allerdings rund gemacht. "Er hätte sterben können!" war ihr Kommentar. War mir allerdings egal. Ich wäre damals froh gewesen, wenn mich jemand mal nach draußen gebracht hätte. Danach jedoch kam mir meine Mutter aufgebracht entgegen. Sie war im Krankenzimmer gewesen und hatte meinen Vater dort nicht mehr angetroffen und machte sich die größten Sorgen, was wohl mit meinem Vater passiert war. Später habe ich den behandelnden Arzt gefragt, ob das wirklich so gefährlich gewesen war. Er sagte mir, dass es meinem Vater wohl gut getan hat.
Ob das jedoch in jedem Fall so möglich ist, ist jedoch fraglich. Ich wollte mit diesem Beispiel nur vermitteln, dass es wichtig ist den Patienten ernst zu nehmen und ihn von seinem Grübeln abzulenken. Wie und womit ist dabei jedoch nur individuell zu entscheiden.
Nach Rücksprache mit dem Arzt wird sie auch ein entsprechendes Medikament erhalten, aber erst wenn die Sonde gelegt ist, da es das Mittel wohl nur als Tabletten gibt.
Eine geriatrische Reha ist beantragt und wird auch im Klinikum Ludwigshafen stattfinden. Auch davon ist sie nicht wirklich begeistert.
Eine geriatrische Reha, ob die für eine Hirnschädigung richtig ist bezweifele ich. Es geht hier nicht um Knochenbrüche oder OP Nachsorge. Hierzu würde ich mich noch bei Fachleuten erkundigen. Ob in einer geriatrische Reha Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten ins Zimmer kommen oder überhaupt eine solche Therapie vorhanden ist und wie das praktiziert werden kann, sollte vorher geklärt werden.
Liebe Grüße
Heinz