#1

Lieschen

Vöhl, Deutschland

KH erkennt SA nicht

Hallo, Ihr Lieben!

Ich möchte uns kurz vorstellen:

Ich bin 51, mein Mann ist 58 Jahre alt. Wir haben einen 16-jährigen Sohn und eine 14jährige Tochter und 2 Hunde. Wir wohnen am schönen Edersee in Nordhessen.

Mein Mann hatte vor 2 Jahren zu Hause einen Schlaganfall. Er kam sofort ins Krankenhaus. Weil er erbrochen hatte und sein Bauch vor Übelkeit weh tat, wurde er isoliert und 1 Woche auf einen Magen-Darm-Infekt behandelt. Er hatte keinen Durchfall, sondern nur Übelkeit, Schwindel, Gangunsicherheit und war ein bisschen Durcheinander. Ich habe mehrmals gesagt, dass ich ihn so nicht kenne und er bestimmt keinen Magen-Darm-Infekt hat. Das wurde einfach abgetan.

Nachdem mehrere Laboruntersuchungen ergeben hatten, dass er eben keinen Infekt hatte, wurde er auf die HNO verlegt. Dort hat er Cortison bekommen, das auch ein bisschen geholfen hat. Aber auch dort wurde nicht weitergeforscht, warum ihm so schwindelig ist. Kurz vor Weihnachten haben sie ihn entlassen, weil über die Feiertage die Station zugemacht werden sollte. Ich wollte ihn eigentlich gar nicht mitnehmen, weil es ihm nach wie vor schlecht ging. Falls es nicht besser werden sollte, sollte ich nach Weihnachten mit ihm in die Praxis in der Stadt kommen. Ich habe ihn kaum zum Auto bekommen. Zu Hause hat er nur auf dem Sofa gelegen und konnte kaum laufen.

Nach zwei Tagen habe ich ihn wieder ins KH gebracht in die Notfallambulanz. Er war kaum noch bei sich. Der Arzt war schockiert, als er meinen Mann gesehen hat und ich ihm die Geschichte erzählt habe. Er schickte uns sofort in die Aufnahme. Ich muss leider zugeben, dass ich nicht im Entferntesten an einen Schlaganfall gedacht habe und war damit einverstanden, dass erst am nächsten Tag ein MRT gemacht werden sollte. Es war Sonntag, die Maschine abgestellt und ein Arzt hätte erst aus dem Wochenende geholt werden müssen. Mein Mann lag im Bett und hat am ganzen Körper gezittert und war kaum noch ansprechbar.

Am nächsten Tag dann endlich das MRT mit der Diagnose: beidseitiger Hirninfarkt mit teilweise frischem Areal. Auf deutsch: Er hatte einen neuen Schlaganfall, nachdem er vor 14 Tagen schon einen ersten hatte.

Jetzt ist er vorzeitig in Rente und wir überlegen, ob wir Schadenersatz fordern sollen. Er hätte ja wahrscheinlich noch ein paar Jahre arbeiten können, wenn das KH gleich den ersten Schlaganfall erkannt hätte.

Was meint ihr? Hat jemand von euch schonmal sowas gemacht?

Vielen Dank fürs Lesen!

#2

Heinz

königswinter, Deutschland

Liebe Susanne,

aufgrund meiner eigenen 50 jährigen überlebten Erfahrungen nach meiner anfangs ebenfalls nicht erkannten Hirnblutung als 19 jähriger und den Berichten von anderen Betroffenen, ist Deine Erfahrung aus meiner Sicht kein Einzelfall. Daraus kann man sehen, dass Ärzte auch nur Menschen sind und das „erworbene Hirnschädigungen“ derart komplexe und alles betreffende ganzheitliche Schädigungen sind. Wogegen die Schulmedizin in der Akutsituation lediglich Symphtomorientierte Aufnahmebefunde ermöglichen kann. Herr Doktor untersuchen Sie mich mal und behandeln Sie mich! Der „Doktor“ prüft dann alle menschlichen Bausteine des Körpers und der Seele, das gibt es nur im Filmen wie beispielsweise in Science Fiction Filmen.

Ob aus dieser von Dir beschriebenen Begebenheiten aufgrund der Komplexität von Krankheiten, der Klinik oder den Ärzten eine Fahrlässigkeit oder eine grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen ist, die dann Erfolg auf eine Schadensersatzklage hat, bezweifele ich. Wer in eine Klinik eingeliefert wird, bekommt eine Vielzahl von Vordrucken zu unterschreiben, mit denen die Kliniken sich weitgehend vor Schadenersatzforderungen schützen. Mir ist bisher keine diesbezügliche erfolgreiche Klage zu Ohren gekommen. Fristen sind einzuhalten, Formgerechte Schreiben sind anzufertigen etc.

Hierzu solltest Du Dich an eine Anwaltskanzlei für Sozialrecht oder an Gewerkschaften bzw. an Behindertenverbände wenden.

Du solltest jedoch wissen, dass es in Rechtsangelegenheit keine Gerechtigkeit gibt. Es gibt ledig Recht. Recht haben und Recht bekommen sind die zwei Seiten, dieser Medaillier, die man im Rechtstreit nicht außer Acht lassen sollte. Ein Rechtstreit kostet viel Energie und kann auch Kosten von Euch erfordern. Entscheidet, ob Ihr die Energie die Ihr für die Klagen über mehrere Instanzen aufbringen müsst nicht lieber in die Wiederherstellung der Gesundheit Deines Mannes investieren möchtet. Überlegt und handelt. Künftig wird für beides jeweils Eure gesamte Konzentration erforderlich werden. Ihr werdet diese kaum delegieren können. Ich wünsche Euch viel Erfolg und würde mich freuen, wenn Ihr obsiegen könntet. Dann wärt Ihr wahrscheinlich Vorbereiter für eine Vielzahl von ähnlich verzweifelten Menschen. Nur wenige stehen diese Strapazen über eine längere Distanz ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen durch.

Ärzte gehen von Ihrem Wissen und ihren Erfahrungen aus. Sie sind weder allwissend noch Supermenschen. Auch sie „kochen nur mit Wasser!“. Ärzte stehen unter ständigem Erfolgsdruck. Sie sollen in Sekunden wissen, welche Person vor ihnen steht, welches Wissen, welche Erfahrungen, Neigungen, welche Vorerkrankungen vorliegen, etc. etc. etc. Leider können sie von den Angehörigen und den Patienten ebenfalls nur laienhafte Kenntnisse erwarten. Auf tagelange Diagnoseverfahren können sie in Aktsituationen leider nicht zurückgreifen. Diesbezüglich sind die Erwartungen der Patienten wurden von den Werbungen und Märchen der Gesundheitsindustrie verführt. Sie glauben, dass diese Werbung stimmt. „Herr Doktor, ich habe Schmerzen. Geben Sie mir ein Medikament oder eine OP, oder, oder. Oder. Und alles ist wieder gut!“ Der Patient braucht sich um seine Gesundheit nicht zu kümmern! Schön wäre es.

Falls Dich mehr interessiert, schau Dir meinen veröffentlichten Erfahrungsbericht „Schlaganfall: Ende oder Anfang?“ mal an.

Liebe Grüße

Heinz

#3

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Liebes Lieschen,

ich hatte meinen Mann 6 oder 8 Wochen bevor dann der Schlaganfall nicht mehr zu übersehen war schon einmal in ein Krankenhaus (Notfallambulanz - Neurologie. Die Klinik hat eine Stroke Unit) genötigt. Der Oberarzt dort hat ihn ohne CT mit den Worten "sie sind Privatpatient, sie können sich ja selbst noch ein CT organisieren" wieder nach Hause geschickt. Ein Bericht sollte folgen, kam bei uns aber nie an.

Als dann der Schlaganfall diagnostiziert war, konnte man auch eindeutig feststellen, dass es bereits seit längerem Gehirnblutungen gegeben haben muss da sich inzwischen schon wieder kleine Ersatzäderchen gebildet hatten. 

Wir gehen davon aus, dass sich, hätte man gleich ein CT gemacht, die gesundheitlichen Schäden meines Mannes nicht in diesem Ausmaß gezeigt hätten.

Ja, ich habe über eine Klage nachgedacht - zumal dieses Krankenhaus sich bei meiner Mutter auch noch einige Schlampereien über Jahre hinweg erlaubt hat. Letztendlich habe ich es unterlassen.. weil..

- ich das hätte alleine durchstehen müssen (mein Mann ist Aphasiker) und ich hatte mit 2 Pflegebedürftigen + Beruf genug um die Ohren. D.h. ich pfeife sowieso mal mehr, mal weniger, aus dem letzten Loch.

- der Erfolg unsicher gewesen wäre (ist es immer, wenn man mal zu diesem Thema recherchiert)

- und ob sich all der Stress, Ärger, nervliche Belastung in Summe gelohnt hätten? Man weiss es nicht.

Aber Du bist ja nicht alleine.. evtl. hilft Dir ja das weiter: Link (bei allem aber bitte auch die mögliche Verjährung im Auge behalten)

Zitat daraus: 

Arzthaftungsprozesse sind nicht selten mit hohen Kosten verbunden, weil die Gerichte sich zur Aufklärung der erhobenen Vorwürfe der Hilfe von medizinischen Sachverständigen bedienen müssen. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, sollte deshalb vor Erhebung einer Klage zunächst die Möglichkeit einer außergerichtlichen Beratung in Anspruch nehmen. So werben einige gesetzliche Krankenkassen, darunter die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit kostenloser und zügiger Unterstützung.

Als weitere Anlaufstelle für eine Beratung des Patienten bietet sich die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) an. Hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige Einrichtung, die vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen finanziert und vom Verband der privaten Krankenversicherer gefördert wird. Die UPD bietet eine Online-Beratung an, unterhält aber auch örtliche Beratungsstellen. Ferner gibt es mancherorts eine so genannte Patientenstelle, die in der Regel von einem gemeinnützigen Verein getragen wird. Mehrere dieser Patientenstellen haben sich in einer Bundesarbeitsgemeinschaft (BAGP) zusammengeschlossen. In deren Internetauftritt findet man ein Verzeichnis der angeschlossenen regionalen Patientenstellen.

Schließlich besteht für den geschädigten Patienten die Möglichkeit, kostenfrei die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern – hierzu gehören u.a. die Ärztekammern von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen – bzw. der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen bei der Sächsischen Landesärztekammer zu beantragen. Deren Spruch ist für keine Seite bindend, wird aber von den Haftpflichtversicherungen der Ärzte häufig akzeptiert. Fällt der Schiedsspruch für den Patienten negativ aus oder muss nach positivem Schiedsspruch mit der Haftpflichtversicherung über die Höhe der Ersatzleistung verhandelt werden, sollte aber in jedem Fall die Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch genommen werden.

#4

Lieschen

Vöhl, Deutschland

Vielen Dank für eure guten Tipps.

Ich bin eigentlich nicht jemand, der gleich vors Gericht zieht. Das wäre jetzt wirklich das erste mal.

Ich sehe einfach nicht ein, dass evtl. durch das Verhalten der Ärzte mein Mann nicht mehr arbeiten kann. Hätten sie ihn gleich richtig untersucht und meine Einwände nicht einfach so abgetan, wäre vielleicht noch was zu retten gewesen. Ich weiß: hätte, wäre, wenn...

Ärzte sind auch nur Menschen. Mich ärgert einfach, dass es so offensichtlich kein Magen-Darm-Infekt war, dass er entlassen wurde, weil Weihnachten die Station geschlossen wurde, dass meine Bedenken und Einwände nicht erhört wurden. Ich habe ebenfalls nicht an einen Schlaganfall gedacht - einfach weil ich kein Mediziner bin. Aber sein Hausarzt und auch andere haben sofort auf einen SA getippt nur aus meinen Schilderungen.

Wir werden wohl einen Anwalt zu Rate ziehen.

#5

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Ich finde es gut und richtig, wenn ihr euch erst einmal anwaltlich beraten lasst. Kein Grund sich zu rechtfertigen. 

Wie gesagt, ich habe es nicht deshalb unterlassen weil die Ärzte ja auch nur Menschen sind, sondern weil ich weder Zeit noch Nerven dafür gehabt hätte. Bei mir waren damals die Rahmenbedingungen schlechter als Deine. 

Und selbst wenn ihr nach der Beratung zu dem Ergebnis kommen solltet, dass ihr das doch nicht angehen wollt, dann war es dennoch gut investiertes Geld. Denn dann denkt ihr nicht in ein paar Jahren: hätten wir nicht... ?

 

#6

Lieschen

Vöhl, Deutschland

Ja genau. Ich habe auch gesagt, wenn wir es nicht machen, denken wir in ein paar Jahren, wir hätten es doch versuchen sollen.

#7

Heinz

königswinter, Deutschland

Wie war der Erfolg?

#8

Lieschen

Vöhl, Deutschland

Hallo!

Wir haben jetzt die Landesärztekammer eingeschaltet. Die werden erstmal versuchen, was zu erreichen. Wenn das nicht klappt, wird die Sache an unseren Anwalt übergeben, der dann wohl Klage einreichen wird.

Bin gespannt. Es wird wohl lange dauern, bis wir ein Ergebnis haben.

Drückt uns die Daumen.

Liebe Grüße und einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches neues Jahr!

#9

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Hallo!

Wir haben jetzt die Landesärztekammer eingeschaltet. Die werden erstmal versuchen, was zu erreichen. Wenn das nicht klappt, wird die Sache an unseren Anwalt übergeben, der dann wohl Klage einreichen wird.

Bin gespannt. Es wird wohl lange dauern, bis wir ein Ergebnis haben.

Drückt uns die Daumen.

Liebe Grüße und einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches neues Jahr!

Dann erst einmal toi, toi, toi. Und neugierig bin ich natürlich ebenfalls. Hast Du im Fokus, dass die Verjährung nicht einsetzt bzw., ist geklärt, ob mit dieser Aktion die Verjährung verhindert wird?

Ich drücke auf jeden Fall die Daumen und wünsche auch euch alles Gute und ein gesundes und glückliches neues Jahr! Auf dass das Neue besser werde 🙂

 

#10

Lieschen

Vöhl, Deutschland

Hallo!

Ja, das Ganze verjährt erst Ende diesen Jahres.

Der Oberarzt des Krankenhauses hat jetzt seine Stellungnahme zur Landesärztekammer gegeben. Mir wurde ganz schlecht, als ich das gelesen habe. Unser Anwalt hat sofort unsere Anmerkungen zu dem Arztbrief hinterher geschickt. Wenn die Landesärztekammer diese Anmerkungen nicht berücksichtigt, wird es es wohl zu einer Klage unsererseits kommen.

Liebe Grüße an euch alle und ein glückliches und vor allem gesundes neues Jahr!!!

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