#1
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Unbekannt

Gelöscht

Guten Abend zusammen, 

ich habe mich hier angemeldet weil ich mir Hilfe von Betroffenen erhoffe, von meinen Ärzten kommt leider wenig Unterstützung. Ich bin 41 Jahre alt und hatte vor 6 Monaten eine Dissektion der linken Halsschlagader. Ich hatte Glück im Unglück und habe keine Lähmungserscheinungen zurückbehalten. Seit Mitte August bin ich in der beruflichen Wiedereingliederung und diese gestaltet sich sehr schwierig. Aktuell arbeite ich täglich drei Stunden und würde eigentlich wieder auf 6 Stunden hoch gehen wollen, allerdings weiß ich nicht, wie ich das schaffen soll. Diese kognitive arbeiten erschöpft mich maximal, ich muss mich wirklich stark konzentrieren und bin nach zwei Stunden sehr erschöpft und unkonzentriert. Meine Kinder sind noch sehr klein und können auf meinen Gesundheitszustand auch keine Rücksicht nehmen. Gefühl steht mir nur die Hälfte meiner früheren Kraftreserven zur Verfügung. Kognitives arbeiten und körperliche Anstrengung sind so Kräfte zehrend. Ach so noch wichtig zu wissen, die Arterie wird verschlossen bleiben, leider. 

Mich würde interessieren, hat jemand eine ähnliche Situation erlebt? Hattet ihr mit der Zeit mehr Energie und ist das mein neuer Energiezustand mit dem ich lernen muss zu leben? Macht es Sinn den beruflichen Wiedereinstieg um ein paar Monate nach hinten zu schieben? 

Vielen Dank schon mal für's Lesen �

#2

Heinz

königswinter, Deutschland

Liebe Johanna,

jede Situation ist individuell zu betrachten.

Daher kann ich Dir keine konkrete Aussage machen.

Meine Erfahrungen haben mir 50 Jahre rückblickend gezeigt, dass das Warten die schlechteste Variante ist.

Du gewinnst nichts und wirst träge, wirst unsicher und ängstigst Dich davor „weiter zu gehen“

Auf was willst Du warten? Ohne Training kein Erfolg. Nicht der Weg des Wartens, der Weg der kleinen Schritte bringt den Erfolg. Schau nicht zurück auf das was war. Schau nach vorne auf das, was Du möchtest. Du hast eine neue Chance bekommen. Nutze sie! Gehe Achtsam mit Deiner Zeit um. Ist es das, was Du derzeit tust, was Du möchtest? Oder würdest Du lieber etwas anderes tun? Wenn Du lieber etwas anderes tun möchtest, Diene Gesundheit hat Dir diese Frage gestellt! Such Deine Antwort. Geh in die neue Richtung. Du kannst alles erreichen. Wenn nicht sofort, dann auf Umwegen. Setz Dir ein Ziel und gehe. Warten ist nicht die Lösung!

Aus meinen Erfahrungen habe ich erfahren, dass es wichtig ist eine Balance zwischen Spannung und Entspannung zu finden. Das heißt Ruhen und Arbeiten zu planen.

Öftere kleine Pausen erhöhen die Leistungsfähigkeit.

Pausen machen heißt dabei allerdings nicht nichts tun, sondern etwas anderes tun.

Hierbei hilft zum Beispiel das Autogene Training oder Yoga oder, oder, oder … Das ist individuell, hierin besteht Deine wichtigste Aufgabe. Such Dir Entspannungstechniken, die Du in den beruflichen und Familiaren Alltag integrieren kannst. Entspannung findest Du, ob beim Spazieren gehen, wenn es sich ermöglicht genauso gut. Autogenes Training oder Pausen im Beruf, oder Familiären Alltag dürfen möglichst nur so lange wie eine „Zigarettenpause“ dauern. Das bedeutet, Du musst lernen wie Du es schaffst in kurzen aber intensiven Pausen Entspannung zu finden, um dann wieder belastbarer neu zu beginnen. Mit Training ist das möglich. Du kannst es schaffen.

Es gibt eine Vielzahl solcher Techniken und Möglichkeiten. Such Dir Deinen Weg. Deinen „Neuen Weg“. Kämpfe Deinen „Wettkampf“, entspanne und siege. Das findest Du beim Sport. Das findest Du im Beruf und in der Familie, lerne. Hab keine Angst! Versuche es, dann wirst Du einen, Deinen Weg finden. Nimm den Wettkampf des Lebens erneut auf! Gib nicht auf halbem Weg schon auf. Lass Dich nicht bange machen. Du schaffst es!

Vielleicht helfen Dir meine Erfahrungen und mein veröffentlichter Erfahrungsbericht: „Schlaganfall: Ende oder Anfang? Schau im Internet nach meinem Bericht.

Liebe Grüße

Heinz

#3

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Hallo Johanna,

6 Monate nach dem Ereignis.. mh.. das ist ja auch noch keine Zeit für Dein Gehirn um sich erholt bzw. den Schaden der mit Sicherheit entstanden ist, behoben (bzw. Ersatz geschaffen) zu haben. Die Schadenskompensation verbraucht einfach Energie die Dir dann im Alltag fehlt.

Ich bin Angehörige und mein Mann ist deutlich stärker geschädigt als Du. Ich denke aber folgende Punkte kannst auch Du bei Dir überprüfen (lassen):

a) regelmässig den Blutdruck überprüfen. Meinen Mann hatten sie derart viele und starke Blutdrucksenker verordnet, dass er in seinen Therapien tatsächlich häufig am Tisch eingeschlafen ist. Ein Medikament war dabei, dass nach Einnahme den Blutdruck rapp zapp in den Keller fahren lies. Mit der Regulierung des Blutdrucks wurde das deutlich besser. Heute steht er 3 Therapien mit max 5-10 Pause dazwischen hintereinander problemlos durch.

b) es ist normal, dass Du noch mehr Schlaf/Ruhe benötigst. Das wird vermutlich auch immer so bleiben. Es stellt sich lediglich die Frage, wie häufig Du im Alltag Pausen benötigst

c) Hattest und Hast Du noch Ergotherapie? Auch wenn keine Lähmungserscheinungen aufgetreten sind, das Kognitive - die Konzentration - ist ja offensichtlich bei Dir belastet. Hier kann Dir Hirnleistungstraining weiter helfen.

d) Du selbst kannst zu Hause ebenfalls üben. Konzentrationsspiele helfen da viel.

e) mir fällt noch ein... Eisenmangel war auch ein Problem das sämtliche Ärzte ignoriert haben (prüfe mal Deine Blutwerte dahin gehend. ) Mein Mann nimmt dafür inzwischen frei verkäufliche Tabletten ein und es fällt auf, dass er, wenn er mal pausiert, ein höheres Schlafbedürfnis hat. Optimal sind seine Werte übrigens bis heute nicht und keiner weiss warum. Vor dem Schlaganfall waren sie jedenfalls im normalen Bereich.

f) ggf. noch Vitamin B12 und D3 im Blut überprüfen lassen. Wenn Du keine "Traumwerte" hast, ggf. noch zusteuern. 

Wäre ich Du, ich würde versuchen erst einmal über Therapien mehr Leistungskraft zu bekommen. Körperlich wie kognitiv. Und erst später in die Arbeit wieder einsteigen. Dein Gehirn wird wieder belastbarer sein, aber es dürfte noch alle Reserven benötigen um die Baustellen in Deinem Kopf durch Ersatzbereiche zu schließen. Gib ihm doch die Chance sofern Du Dir das finanziell leisten kannst. 

Mein Mann benötigt übrigens auch 2 Jahre danach mehr Schlaf als sonst, er ist aber deutlich belastbarer geworden. Sowohl körperlich als auch kognitiv. Also... nur Mut. Es braucht halt alles seine Zeit

Müdigkeit nach einem Schlaganfall - Post Stroke Fatigue (PSF) (schlaganfallbegleitung.de) - diesen Link finde ich recht hilfreich.

 

#4

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Abend Johanna

 

Deine Symptome sind mir bestens bekannt. Ein halbes Jahr seit dem Ereignis ist – wie schon richtig angemerkt wurde – eine kurze Zeit. Die bestmögliche Heilung eines Schlaganfalls kann viele Jahre dauern – und ist auch eine Frage, mit was Du zufrieden bist.

 

Die Müdigkeit wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. An erster Stelle steht wohl die "gute" Müdigkeit aufgrund der fortschreitenden Gesundung, denn das Hirn braucht für seine Heilung sehr viel Energie. So ist die anfängliche Müdigkeit meistens ein gutes Zeichen. Ich selber schlief anfänglich locker zwanzig Stunden täglich.

 

Es spielen aber auch Faktoren wie die Psyche/Lebenssituation und Medikamente (Nebenwirkung) eine wichtige Rolle. Schliesslich ist es auch eine Frage, wo im Kopf durch den Schlaganfall was wie stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.

 

Falls Du wirklich an einer Erschöpfungsstörung leidest (mit welcher Ursache auch immer), solltest Du mit Deiner verbleibenden Energie möglichst haushälterisch umgehen, um Dich nicht zu überfordern. Das ist wichtig, Überlastung schadet dem Hirn und dem Gemüt (und in letzter Konsequenz auch Deiner Familie)! Wenn Du die Möglichkeit hast, mache Pausen und lege Dich auch tagsüber hin und wieder aufs Ohr. Mehrmals ein kurzer Schlaf täglich hilft mir jedenfalls Tag für Tag, um wieder klar denken zu können und mich wohl zu fühlen.

 

Ich kann Dir nur empfehlen, das Thema mit Deinem Hausarzt zu besprechen. Gut möglich, dass Deinem Anliegen anfänglich nicht der Ernst entgegen gebracht wird, den Du erwartest. Das ist wohl so, weil die Mehrheit der Betroffenen anfänglich ziemlich müde ist. Also, nicht zermürben lassen. Wenn alles ergebnislos abgeklärt ist (Medikamente, Blutwerte, Vitaminspiegel und so weiter), wird Dein/e Arzt/Ärztin Dich wohl an einen Neuropsychologen überweisen, wo Du bestimmt gut aufgehoben bist.

 

Liebe Grüsse

Christoph

#5
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Lieber Heinz, liebe Amsel und lieber Christoph, 

herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mir so umfangreich und individuell auf meine Anfrage zu antworten. Ihr habt mir tatsächlich sehr gut geholfen, jeder hat einen guten Input geliefert. Ich werde den beruflichen Wiedereinstieg weiter machen, aber stark meine Stunden reduzieren. Auch sonst suche ich mir vielschichtige Hilfe und versuche mir Freiräume zu schaffen. 

Viele Grüße und danke 

Johanna 

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