#1
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Unbekannt

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Brauche dringend einen Tipp für eine gute und menschliche Reha
Ich habe derzeit ein akutes Problem und hoffe auf einen guten Rat von selbst Betroffenen.
Mein Freund befindet sich seit einigen Tagen nach einer Hirnblutung im Krankenhaus in Hamburg Nord. Auf der Stroke Unit haben wir tolle Erfahrungen machen dürfen, Ärzte und Pfleger/ Schwestern waren trotz Corona etc. sehr bemüht und erschienen auch kompetent, konnten meinem Freund das Leben retten und den Aufenthalt angenehm machen.
 
Nun wurde er vor ein paar Tagen auf die Frühreha verlegt und dort wird er nahezu menschenunwürdig behandelt. Ich kann gerne konkrete Beispiele nennen, aber vorerst soll es reichen, zu erwähnen, dass er sich selbst als "störendendes Rädchen in deren Getriebe" und als Belegungsnummer zum Geldverdienen empfindet und in seiner Motivation und auch in seinem psychischen Wohlbefinden mittlerweile schwer leidet.
 
Ich habe vor, mich für ihn in seinem Namen zur Wehr zu setzen und ihm mit Hilfe der Krankenkasse eine andere Klinik zu verschaffen. Wenn ich nun aber nach Klinikbewertungen im Internet google, stelle ich mit Erschrecken fest, dass durchweg alle Häuser als sehr negativ dargestellt werden. Beim H. kann ich dies nachvollziehen - aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es wirklich überall so katastrophal sein soll. Deshalb wende ich mich an Sie als erfahrene Selbst-Betroffene- gibt es eine Klinik, die sie uns empfehlen können? Er befindet sich in Phase B, ist bereits teilmobilisiert und eigentlich total motiviert, alles mitzumachen, was ihm geboten wird. Die Entfernung von zuhause ist nur zweitrangig, solange es ihm gut geht, fahre ich auch bis zum Mond um seine Dreckklamotten gegen saubere Wäsche zu tauschen. Wichtig sind uns Kompetenz, gute Therapien und Menschenwürde. Ich würde mich freuen, schnell von Ihnen hilfreiche Tipps zu erhalten. Vielen Dank
 
*Anmerkung: habe das betreffende KH anonymisiert
 

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Cathleen« (22.02.2021, 10:42)
#2
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Unbekannt

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Hallo Cathleen,

leider kann ich Dir keinen Rat geben, hatte das gleiche Problem. Meine Lebensgefährtin lag nach dem Schlaganfall 1/2 Jahr im Koma, als sie dann aufgewacht ist wollten die Ärzte sie in ein Heim abschieben, das konnte ich verhindern und habe erreicht das Sie dann in eine Rehaklinik verlegt wurde, nach 3 Monaten wurde sie dann nach Hause entlassen. Das Problem ist, dass sich meine Lebensgefährtin nicht mehr selbstständig bewegen kann, ich habe erreicht das die Magensonde entfernt werden konnte und sie wieder feste Kost zu sich nehmen kann, ich muss sie füttern.

Eine ordentliche Rehaklinik gibt es nicht. Eine Krankenschwester für 10 oder mehr Patienten am Wochenende und 2 oder 3 Hilfskräfte, damit ist dem Gesetz Genüge getan. Ich war jeden Tag in der Einrichtung und musste um jeden Handschlag betteln. So ist es in jeder Rehaklinik, entweder man hat Geld genug um sich Privat zu versorgen, oder man ist einfach nur ein Fall unter vielen. Ich kümmere mich bereits seit über 3 Jahren um meine Lebensgefährtin und habe alle meine Freunde verloren, es wird nur gequasselt aber wenn man wirklich Hilfe benötigt ist niemand da.

Sieh zu das Dir die/ der Neurologe Physiotherapien verschreibt und zwar fortlaufend und organisiere einen Fahrdienst der Deinen Lebensgefährten dann zu den Therapien fährt. Ich wünsche Dir dabei viel Glück und gib nicht auf.

#3
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Unbekannt

Gelöscht

Danke, das werde ich nicht. Also Aufgeben, meine ich. Im Moment ist es so, das wir den Eindruck haben, dass er im Barthel-Index künstlich nach unten gerechnet wird, um das Bett noch ein wenig zu belegen. Er wird als renitent und begriffsstutzig hingestellt, wenn er sagt, dass er gern schlafen möchte, nachdem er 3 Stunden im Rollstuhl saß und ihm der Hintern wehtut. Angeblich verweigert er die Teilnahme, das ist jedoch seine einzige Möglichkeit, ein wenig Selbstachtung und das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu erleben, mit ihm wird überwiegend im Kasernentonfall gesprochen und er hat sich zu fügen - für jemanden, der sein ganzes Leben lang eine Firma geleitet und schwierigste Jugendliche betreut hat ist das nur schwer zu ertragen. Psychologische Hilfe gibt es keine, ich darf seit Anfang an nicht zu ihm, wegen Corona und eine freie Arztwahl findet ja wohl offenbar nicht statt, die KK sagte heute zu mir, dass es keinen legalen Weg gibt, ihn in eine andere Reha zu verlegen, wenn die Ärztin nicht bescheinigt, dass er diese verdammten 30 Punkte erreicht. Er selbst sagt, er kann sich an den Stangen halten und schon das linke Bein belasten, er kann die linke Hand größtenteils wieder verwenden und spricht einigermaßen klar und deutlich. Kognitive Einschränkungen hat er trotz 6-stündiger HirnOp kaum, sein Kurzzeitgedächtnis scheint manchmal (nicht immer) auszusteigen. Heute durfte er das erste Mal überhaupt endlich duschen, das wurde ihm seit 4 Tagen schon versprochen. Und es ging gut, er hat es genossen, endlich das Blut aus den Haaren zu bekommen. Er nimmt die ganze Situation als sehr demotivierend wahr und auch ich als eingetragener Notfallkontakt renne dauernd gegen Mauern. Eine Ärztin konnte ich erst sprechen, nachdem ich mit dem Gang zur Klinikleitung drohte, sonst wird man vertröstet und die Pfleger und Schwestern erzählen immer nur "wir dürfen Ihnen telefonisch keine Auskunft erteilen" - ja, aber rein darf ich eben auch nicht und die versprochenen Rückrufe von Ärzten erfolgen halt nicht. Ich höre gsd aber seine Sichtweise, da er zum Glück das Handy bedienen kann und auch gut spricht. Und die ist eben massiv frustriert. Wenn man schon hilflos ist, sollte sich doch wenigstens jemand kümmern dürfen, dem das auch am Herzen liegt und nicht nur überforderte und gestresste Griesgrame (ja, ich habe volles Verständnis für die besondere Umstände wegen Corona, aber für die kann er doch auch nichts.) Und auch als Angehöriger ist man so verdammt hilflos. Ich würde ihm so gern helfen und ihn aufmuntern. Er wünscht sich dort einfach nur wegzukommen. Aber er will natürlich auch wieder laufen und alleine auf Klo können. Kleinigkeiten, die auf einmal so viel bedeuten...

#4

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

.. und ich hatte schon den Eindruck, dass die Reha meines Mannes in Summe grenzwertig war. Allerdings hatte er gute Physiotherapeuten (nur leider zu kurze Therapieintervalle von 20 Minuten) Aber das was Du beschreibst, toppt die Sache noch mal.

Nun.. mich hatte die gleiche Frage umgetrieben. Eine befriedigende Antwort habe ich bis heute nicht gefunden. Dass man ein Wahlrecht vor Antritt hat ist klar, man findet aber so gut wie keine Hinweise darauf was ist, wenn eine Rehamaßnahme kontraproduktiv ist (ist ja letztendlich auch nicht im Sinne des Kostenträgers).

Sicher ist, dass in begründeten Fällen abgebrochen werden kann (Achtung: auch hier gilt es, um Nachteile zu vermeiden, sich bezüglich der "Spielregeln" zu informieren). Das macht aber bei euch keinen Sinn, da er (eigentlich) bestimmte Fähigkeiten benötigt um wieder zu Hause leben zu können.

Ich würde daher, aus heutiger Sicht, mit dem VDK Kontakt aufnehmen und mich dort informieren.

Parallel würde ich versuchen zu klären was es bedeuten würde, wenn Dein Mann die Reha abbricht und im aktuellen gesundheitlichen Zustand wieder nach Hause käme und welche Therapiemöglichkeiten dann möglich wären.  

Übrigens.. wenn man Deinem Mann unterstellt, dass er die Mitarbeit verweigert, dann wird er eher keine Verlängerung der Rehamaßnahme bekommen.

#5
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Unbekannt

Gelöscht

Ich habe gute Nachrichten, die Betreuerin der KKH (Krankenkasse) hat in der Klinik interveniert und mir zusätzlich geraten, mich ans Beschwerdemanagement zu wenden. Das habe ich am Freitag getan und mangels Reaktion gestern noch mal nachgehakt - heute früh hatte ich ein langes Gespräch mit der Dame dort und habe meine Eindrücke und seine Darstellung geschildert und um Unterstützung bei seiner Verlegung gebeten. Und um Diskretion, damit es nicht noch schlimmer wird. Sie hat daraufhin mit der Stationsleitung gesprochen und heute Nachmittag bekam ich den Anruf einer sehr angespisst (sorry) wirkenden Oberschwester. In einem langen Gespräch erzählte sie mir, dass mein Freund Wahrnehmungsstörungen hat, einen ausgeprägten Neglekt, dass er beleidigend sein soll und sehr oft Therapien und Übungen verweigere, dass quasi niemand etwas dafür kann und er sich die bevormundende, herabwürdigende Behandlung nur einbilden würde. Ich habe ihr dann seine Krankengeschichte erzählt und von den Traumatisierungen in seiner frühen Jugend, habe mein ganzes diplomatisches Verhandlungsgeschick (ich bin so stolz auf mich 😉 ) eingesetzt und immer wieder erwähnt, dass ich ihre Überforderung nachvollziehen kann und das da ganz bestimmt auch Sympathie/ Antipathie eine große Rolle spielt etc. Am Ende war sie dann ganz versöhnlich und erzählte mir - welch Wunder - das just heute nun festgestellt wurde, dass 35 Punkte auf dem Barthel-Index erreicht sind und ich morgen mit dem Entlassmanagement seine Verlegung in eine AHB in die Wege leiten kann. Seit heute früh sind plötzlich alle total freundlich zu ihm und fragen ihn alle paar Minuten, ob er etwas braucht oder was sie noch für ihn tun können. Fast schon zu viel.

Aber das Beste - ich habe ihm heute sein Lieblingsessen in die Klinik gebracht und er erwartete mich am Fenster - ich habe ihn nach 3 Wochen nun zum ersten Mal gesehen. Er hat kein hängendes Gesicht, er kann mit den Fingern und Zehen wackeln, kratzt sich ganz normal mit der linken Hand die Haut und konnte sogar ein bisschen aus dem Rolli aufstehen um das Fenster (ganz automatisch mit der linken Hand) zu öffnen. Dann nahm er mit links die Flasche Wasser vom links neben ihm stehenden Tisch, schraubte sie auf und trank. Es ist so gigantisch, wenn man bedenkt, was für ein menschliches Wrack er war, als er hier von den Sanis aus dem Haus getragen wurde - da konnte er links nichts bewegen oder fühlen, konnte nicht kucken, nicht richtig sprechen etc. Ich bin so glücklich gerade...

Nun bitte ich nur noch um Eure gedrückten Daumen, dass die Verlegung in eine neue Reha zügig klappt und er dort einen besseren Start erwischt. Das alles wieder gut wird, da bin ich mir sicher. Er ist ein toller Kämpfer. Ich bin so stolz auf ihn und so dankbar für seine Schutzengel.

 

 

#6

Annin

Bayern, Deutschland

Hallo Cathleen,

wie ist es denn bei euch weitergegangen? Ist dein Mann nun zu Hause? Wie geht es euch?

Lieben Gruß

AN


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Annin« (13.05.2021, 10:51)
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