Ja Winfried, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Du die schrecklichen Bilder nicht vergessen kannst. Ich träume zwar nicht (mehr) von dem was ich erlebt habe, aber mir kriecht noch heute, fast 2 Jahre danach bei jeder minimalen temporären Verschlechterung meines Mannes die Angst ins Genick. Dadurch, dass bei uns so einige weitere Probleme im Laufe der Zeit auftraten, ist bei mir nie wirklich Entspannung möglich gewesen. Kaum, dass es aufwärts ging, kam nämlich schon der nächste Schlag.
Diese Angst, sie macht mürbe - und Dich Deine Träume (auch wenn man über Träume einiges verarbeiten kann). Ich habe in der Anfangszeit meine Priorität bei meinem Mann gesetzt und das würdest Du vermutlich ebenfalls tun, wenn Dir nicht Corona dazwischen pfuschen würde. Nun gibt es aber Corona und Du kannst nicht Deine Zeit bei Deiner Frau verbringen. Warum also aus dem Übel eine Tugend machen und nicht für Dich etwas tun, damit Du, wenn Deine Frau entlassen wird, wieder belastbarer bist?
Hast Du schon darüber nachgedacht, Dir einen Therapeuten zu suchen? Hast Du Deinen Hausarzt darauf angesprochen? Hast Du Menschen mit denen Du das Erlebte verarbeiten kannst?
Gleichgültig ob Therapeut oder Familie/Freunde... darüber sprechen können/dürfen... Angst formulieren dürfen und auch mal (Corona hin oder her) in den Arm genommen werden, das könnte weiter helfen. Mir zumindest hilft das - auch wenn ich sagen muss, dass unser Freundes/Bekannten/Familienkreis möglichst nichts davon hören wollte. Man fragte zwar, aber wenn ich auch nur ansatzweise davon erzählte, dann hat man abgewiegelt. Aber wer weiß, vielleicht hast Du mehr Glück mit Deinem Umfeld. Einen Versuch ist es wert, denn andernfalls "erstickst" Du regelrecht an Deinen "Bildern".
Aussprechen dürfen (und zu wissen, dass man es tun darf ohne zur Last zu fallen) entlastet.
Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)? - www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org (neurologen-und-psychiater-im-netz.org) ..
Zu der Frage, wie Du Pflege zu Hause organisieren kannst kann ich wenig beitragen. Ich hoffe, es melden sich die User hier noch zu Wort die Pflege im eigentlichen Sinn zu Hause durchführen.
Evlt. helfen Dir folgende Ideen weiter wie Du Deine Frau trotz Corona-Besuchsverbot im Koma erreichen könntest.
- Sprachnachrichten aufnehmen (Bücher vorlesen, Gedichte, Erinnerungen erzählen, Gedanken) und dem Pflegepersonal mit der Bitte die Nachrichten am Bett laufen zu lassen übergeben. Natürlich nicht nur eine CD oder USB-Stick, sondern auch das Abspielgerät inkl. Lautsprecher dazu. Ich würde lange Texte wählen, dazwischen Lieblingslieder einblenden, dann wieder neue Textpassagen. Das Ziel ist, dass Deine Frau Deine Stimme hört (wenn sie noch andere Bezugspersonen hat (Kinder, Enkel), auch deren Stimme).
- Falls sie einen besonderen Duft mag (Dein Rasierwasser, ihr Parfüm, Rosenduft (gibt es in kleinen Flaschen) usw.): ein Duftkissen damit besprühen, einen Teddy/Kuscheltier, ein Kuschelkissen und auch das übergeben.
Sicherlich fallen Dir noch andere Dinge ein... evtl. kannst Du meine Ideen optimieren. Du kennst ja Deine Frau.. Ziel ist es, über Hilfsmittel Deine fehlende körperliche Präsenz ein wenig zu mildern, denn ich bin fest davon überzeugt, dass es vielen Patienten geholfen hat aus dem Koma wieder heraus zu finden wenn ihnen nahestehende Menschen an ihrem Bett standen.
Ach so.. was das Mehr an Rehazeit angeht. Ich habe das damals auch so gesehen und die Rehazeit aktiv verlängert. Mir ging es damals darum, dass mein Mann wieder so mobil ist, dass er eine Etage bewältigen kann (einfach, weil er ein Sturkopf ist, Hilfsmittel verweigert hat und ich mir nicht sicher sein konnte, dass er in meiner Abwesenheit die Treppe nicht angeht. Selbst dann, wenn er noch nicht sicher Treppen steigen kann). Das war auch im Rückblick richtig so. Ich muss aber auch sagen, dass er, außer im Physiotherapeutischen Bereich (also Gehen, Aufstehen, Treppen steigen.) die schnelleren und eindrucksvolleren Fortschritte zu Hause mit den Therapeuten vor Ort gemacht hat und macht. Ich dachte damals auch, dass mein Mann nirgends mehr so eine intensive Förderung erfahren wird, stellte aber fest, dass gerade Ergo- und Logopädie sowie Gehirntraining mit den Therapeuten zu Hause um ein Vielfaches effektiver ist. Das lag u.a. sicherlich daran, dass mein Mann jetzt in den genannten Bereichen die engagierteren Therapeuten hat, sondern auch daran, dass die Therapieeinheiten länger sind.
Also mach' Dich, was die Reha-Verlängerung angeht, nicht verrückt. So lange Deine Frau noch im Koma liegt, dürfte das nicht der springende Punkt sein. Gute Therapeuten zu Hause wären wichtig (hör' Dich mal um.. telefonier Dich durch - hier wäre zu klären, ob Termine überhaupt frei wären). Sicherlich, zu Hause kommen die Therapeuten nicht mehr täglich, aber vieles kannst auch Du übernehmen. Die Therapeuten zeigen in der Regel gerne was Angehörige ebenfalls durchführen können.
So... und jetzt fällt mir erst einmal nichts mehr ein. Außer Dich einfach mal virtuell fest in den Arm zu nehmen.
Halt die Ohren steif - und wenn Du niemanden hast dem Du erzählen kannst, dann schreib' hier. Irgend jemand wird hier sein.
Amsel