#1
Avatar

Unbekannt

Gelöscht

Hallo liebes Forum,

auch wenn ich eigentlich ungern solche privaten Einblicke zulasse, aber ich freue mich, eine passende Anlaufstelle gefunden zu haben ... und bitte Vorsicht, recht viel Text. Mich abzulenken ist mir in den letzten Tagen nie möglich gewesen und das wird auch so bleiben.

Wo fange ich an? Meine Mutter hat mit ihren 65 Jahren bis dato alles wie immer selbst geregelt. Nur wenn es an PC und Smartphone ging, benötigte sie meine Unterstützung und ist bezüglich des Internets skeptisch, was Themen wie die Datensicherheit angeht. Vor Jahren hatte ich ihr zwar einen Laptop eingerichtet, den sie auch gern fürs Abrufen der Nachrichten usw. verwendet hat, welcher aber irgendwann nicht mehr hochfuhr und anscheinend auch nicht zu retten war. Das damalige Einfach-Smartphone gab auch irgendwann seinen Geist auf und ich überließ ihr mein robustes Outdoorhandy ohne Touchdisplay und mit ewiger Akkulaufzeit. Dessen proprietärer Ladestecker war im Sommer 2020 allerdings auch durch und schwer erhältliche Nachbauten waren mehr gestört als funktionstüchtig. Das "Erlernen" des neuen Smartphones inkl. Flat wollten wir immer üben, aber eigentlich war ihr das zu viel (unsicheres) "Neuland". In Summe war sie nur in meiner Zweitwohnung erreichbar, wenn ich z.B. von Zuhause auf anrief.

Wie gesagt erledigte sie alles, was heutzutage ohne Rechner und Telefon zu machen ist, völlig eigenständig und meist eine Stufe wissenschaftlicher als gefordert. Bei diversen Behörden usw. natürlich am besten persönlich mit dem Bearbeiter, aber dann kam Corona. An Ihrem Wohnort war man schnell dabei, alle Anlaufstellen dichtzumachen (oder nur noch auf telefonische Vereinbarung im Einzelfall hereingeholt zu werden). So besuchte sie mich dann doch öfter, auch um Behördenkram etc. durchzuarbeiten. Gesundheitlich war an sich auch alle in bester Ordnung, nur beim Trinken, umfassenden Essen und Dingen wie längerem/schnellem Treppensteigen haperte es. Für ihr Alter meisterte sie aber auch ordentliche Wegstrecken und das Tragen von Einkäufen usw. sehr gut. Ob bei mir, während der Telefonate oder im Nachhinein berichtete sie mir allerdings seit etwa zwei Jahren von unregelmäßigen Drehschwindelanfällen und starken Kopfschmerzen (mehrmals im Monat), deren Ursache für sie eine Mangelversorgung mit lebenswichtigen Elementen war. Sie erlebte diese oft so, dass ein großes Glas (Salz-) Wasser und eine gewisse Zeit Ausruhen im Sitzen Besserung brachten. Wegen der ansonsten manchmal aufgetretenen Brustschmerzen hatte sie (wenn, dann) eher Befürchtungen, im höheren Alter irgendwann einmal Krebs diagnostiziert zu bekommen. Vor etwa einem Jahr fiel sie (wohl infolge sehr abrupter Bremsung eines Zuges, wöhrend sie mit Gepäck die Treppe heruntergehen und aussteigen wollte), verfolgte das aber nicht weiter (da war/ist wohl auch eine Kopfwunde vorhanden). Man muss wissen, dass sowohl sie (Schwierigkeiten mit Behörden/Rentenversicherung, Vermieter u.ä.) als auch ich (beruflich, Finanzamt, betrügerische Kunden meiner selbständigen Zeit etc.) viele Fristen, elendig lange Schriftverkehre usw. abzuarbeiten haben (wobei sie mich natürlich immer unterstützen wollte und z.B. aktuelle rechtliche Änderungen, Entscheidungen und Entwicklungen verfolgte und festhielt).

Einkaufen, Haushaltstätigkeiten, gesund kochen etc. erledigte sie auch gern und ohne Auffälligkeiten. Nur mit dem Gang zu jeglichen Ärzten hatte sie es weniger, auch weil diverse Behörden z.B. lange Zeit die Rentenbearbeitung verschleppten und nicht klar war, ob sie am Ende als Zechpreller vor dem Arzt stehen würde. Hinzu kamen die medialen Coronahinweise, weshalb sie sich erst recht in kein Wartezimmer (oder in Folge gar eine Klinik) mehr traute, wo sie wirklich nach allen Möglichkeiten Obacht gab, im Alltag davon verschont zu bleiben.

Eines normalen Wochentages war sie wegen neuer Briefe usw. wieder in meiner Zeitwohnung zu Besuch. Am Nachmittag/Abend konnten wir den ganzen Schriftkram nicht mehr zu Ende bringen und wollten am nächsten Nachmittag (also nach meiner Arbeit im Homeoffice) weitermachen. Als gesundheitsbewusster Mensch habe ich auch einen Tageskalender mit entsprechenden täglichen Beiträgen hängen, über dessen Inhalt ich mich gern mit ihr austausche. Ich weiß nicht mehr, was in mich fuhr, aber wegen des Zeitmangels am frühen Morgen riss ich das "alte" Blatt ausnahmsweise schon am alten Tag ab (was ich mindestens in den letzten Jahren nicht gemacht hatte), der Inhalt war leider ein böses Omen für den Folgetag.

Am nächsten Morgen wachte ich mit bleibenden Brustschmerzen bis in den Rücken und Hals auf. Wir gingen beide unseren Dingen nach. Sie half auf Besuch gern im Haushalt, ich war im Arbeitszimmer tätig. Als sie sich das zweite Frühstückbrot mit Kaffee zubereitet hatte, legte sie Frischkäse und Käse wieder ordentlich in den Kühlschrank zurück. Ich war nach der Toilette zufällig gerade in der Nähe sah, dass sie sich an der Kühlschranktür festklammerte. Ich schloss diese und sie hat sich wegen des "üblichen" Drehschwindelanfalls kurz mit umklammerter Brust hingelegt. Das ebenso übliche Wasser wollte sie aber nicht trinken, den Kaffee später auch nicht ... Ich fragte zwischen der Arbeit einige Male nach, aber sie wollte nichts und winkte immer nur ab. Den Einfall, Hilfe zu rufen, hatte ich nicht, zumal sie sich wegen der Umzugssituation, am Vortag gelieferten Kartons im Flur und den vollen Wäschekörben erfahrungsgemäß geschämt hätte. Auch hatten wir beide nur einfache Freizeitsachen an (das sind leider Nebenerscheinungen, wenn es "nur" das Homeoffice sein muss), weshalb Besuch erst recht ungebeten war.

Ich hatte bis zum Dienstschluss noch so viel erledigen wollen und machte mich immer wieder an die Arbeit. Dass sie beim Nachsehen zwischendurch auch Schmerztabletten usw. ablehnte, war normal. Und in Gesten statt Worten zu antworten, kannte ich von meinen eigenen Migräneattacken, das kam mir nicht unnormal vor. Irgendwann saß sie plötzlich in der Tür des Gästezimmers, blickte ich an, winkte aber immer nur ab. Irgendwann googelte ich zwischen den Arbeitsschritten und kam zu dem Entschluss, bei dem kleinen Schwindel noch etwas abzuwarten, zumal der Missbrauch des Notrufes auch nicht ohne wäre. Auch die Mundwinkel waren nicht heruntergezogen.

Als sie dann erbrochen hatte und wiederholt Laute von sich gab, versuchte ich krampfhaft, sie aufs Bett/auf einen Stuhl/zur Haustür zu bewegen, was ich körperlich nicht schaffte (erst im Nachhinein fielen mir das/der einseitig schlaffe Bein/Arm auf). Ich putzte das Erbrochene weg und versuchte erfolglos, ihr frische Sachen anzuziehen, nachdem sie sich der "schämenswerten" Sachen zum größten Teil selbst entledigt hatte. Zwischendurch reichte sie mir wie selbstverständlich die eingenässte Hygieneeinlage. Ich kämmte sie, legte ihr eine Decke über, machte mich schnell frisch und räumte noch etwas auf. Ich ging wegen ihres Schames (die Blicke, die Gesten!) ins entfernteste Zimmer und kam immer nur bis zur "11". Zwischendurch sah ich immer wieder nach ihr. Bis dahin schaute sie mich immer noch "normal" an. Erst, als sie plötzlich einen kurzen Schrei abgegeben hatte, vervollständigte ich zitternd die "112". Selbst im Gespräch war mir der Ernst der Lage noch nicht bewusst und ich entschuldigte mich fast noch, zu stören.

Das spätere Klingeln erschreckte sie (wie ein Schlag durch den Körper), da das ungebetener Besuch sein musste. Gegenüber dem Rettungspersonal reagierte ich immer noch irgendwie "geschockt/abwesend/geschäftlich" und mir fiel auf, wie viel und doch wenig ich trotz sehr intensiver Bindung von meiner sehr eigeninitiativen Mutter wusste. Bis dann auch RTW und Feuerwehr (Trage über mehrere Stockwerke) eintrafen, dauerte es noch. Nachdem die Mitarbeiter eine Ewigkeit später etwas von einem evtl. "Schlaganfall" und den in Frage kommenden Krankenhäusern gesagt hatten, riss sie plötzlich starr die Augen auf und blickte mich an (mir kam es so vor, als wenn sie sich wirklich sehr vor den fremden Leuten in der Wohnung schämte und dem Krankenhaus fürchtete). Als ihre Pupillen danach untersucht werden sollten, bekam sie ihre Augen nicht mehr auf. Sie hatte wohl auch mitbekommen, dass schon gefühlt das ganze Haus neugierig geworden war ...

.....

An die Details erinnere ich mich erst mit größerer Verzögerung. Erst sehr spät kam mir in den Sinn, dass die Frage nach einer (nicht vorhandenen) Patientenverfügung doch keine formelle Routinefrage war. Mein Schuldgefühl steigt ins Unermessliche. Hätte sie mit nur 65 Jahren, wenn ich richtig und schnell reagiert hätte, geringere Schäden davongetragen? Waren die "kleineren" Anfälle davor auch schon Schlaganfälle und das Hirn zunehmend geschädigt oder bin ich völlig allein für das Fiasko verantwortlich? An Schlaf ist nicht zu denken, ans Trinken nur notdürftig, ans Essen so gut wie nicht. Kopfschmerzen. Ständige Heulanfälle tags wie nachts. Alles unverändert lassen und mit ihr sprechen, wo sie sich aufgehalten hat. Unzählige Gebete.

.....

Die Kommunikation verlief sehr schleppend. Erst am nächsten Abend durfte ich sie "ausnahmsweise" im Krankenhaus besuchen. Schwerer Schlaganfall links ... bleibende Lähmungen rechts und Sprachstörungen ... künftig bleibendes Sprachverstäöndnis fraglich ... nahezu komplette linke Gehirnhälfte tot und sichtbare Verschiebungen ... OP ja/nein, falls es notwendig wird? Eigentlich lehnte sie jegliche Intensivmedizin strikt aber, aber hätte ich den angekündigten sofortigen Tod im Falle des Falles verantworten können, wo ich bis dahin doch schon genügend danebengelegen habe? Bei meinem Besuch reagierte sie anscheinend auf alle meine Aussagen, ich musste sie aber wohl öfters wieder aufwecken, als ich Redepausen gemacht hatte. Sie reagierte auch beim Sprechen von rechts, aber Arm/Hand/Bein/Fuß waren auf dieser Seite nur schlaff und reaktionslos. Ihre Augen blieben geschlossen, die Sprache war nicht vorhanden. Ich versuchte es mit positiven Umschreibungen der Situation und dass ich die diversen dringenden Termine usw. gut hätte klären bzw. verschieben können (sie anzulügen war extrem schwierig, doch wollte ich auf keinen Fall negative Stimmung verbreiten). Ich merkte es an ihrem dann verzogenen Gesicht, dass sie mir die ganzen plötzlichen "Klärungen" nicht abgenommen hat. Auch meinen krampfhafter Versuch, auf schöne Erlebnisse und einen guten Ausgang hinzuarbeiten, schien sie sehr skeptisch wahrzunehmen. Leider musste ich die Station coronabedingt recht bald wieder verlassen (auch wenn das nach späterem Blick auf die Uhr doch gar nicht kurz war).

Die Fahrten zum/vom Krankenhaus vergingen gefühlt niemals, ich fühlte mich wie im Tunnel gefangen. Diese Schuld! Was wäre gewesen, wenn ich nur richtig reagiert hätte? Wie soll das weitergehen?

Noch auf der Rückfahrt erhilet ich die Information, dass nun operiert werden müsse ... wie ich herausfand, handelte es sich um die tückische Hemikraniektomie – noch mehr Schuld, noch mehr Zukunftsängste. Die Notwendigkeit eines Betreuers (mich) ist ein Hohn gegenüber meiner so selbständigen und ehrvollen Mutter. Alpträume über sie habe ich schon einige gehabt, aber die waren irgendwann vorüber. Nun kann ich mich zwicken, wie ich will, aber das kalte Grauen nimmt kein Ende.

.....

In der Nacht der Anruf, dass die OP zwar erst einmal ohne Schwierigkeiten überstanden wäre, aber erst die nächsten Tage zeigen würden, wie meine Mutter aus der Narkose zurückkommt.

.....

Ich sehe sie gedanklich noch immer daliegen und kann nichts verändern. Sie sitzt und liegt auch an ihren gewohnten Stellen, aber ist nicht fassbar. Bitte, greif meine Hand und antworte mir. Bitte versuch, mir irgendwie zu verzeihen.

Wie soll das nur weitergehen? Ausgerechnet als meine Mutter bei mir war, reagiere ich völlig falsch. Und habe es auch zuvor nicht geschafft, sie zum Arzt zu bewegen. Wahrscheinlich wäre es besser ausgegangen, hätte der Schlaganfall auf offener Straße, im Zug, beim Einkaufen ... zugeschlagen. Es sind auch so viele Dinge noch nicht geklärt, ich kenne mich so wenig über ihre Unterlagen aus und nicht zuletzt fehlt sie einfach an jeder Ecke. Es ist einfach völlig anders, als wenn sie zwischen den Besuchen (oder gemeinsamen Ausflügen usw.) Zuhause und nur nicht telefonisch erreichbar wäre.

Mir hätte es zu keiner Zeit so wenig ausgemacht, wenn mein ungeklärter Bluthochdruck, die Brustschmerzen, Migräneattacken usw. jetzt final zuschlagen würden. Bitte lange unentdeckt und ohne Intensivbehandlung. Und an die Arbeit ist auch nicht zu denken, habe ich diese doch fälschlicherweise einer rechtzeitigen Entscheidung über das gesunde Leben meiner Mutter vorgezogen. So habe ich in wenigen Stunden unser beider Leben unwiederbringlich zerstört. Diese schwere Schuld kann ich durch nichts mehr aufwiegen, kein Ausweg in Sicht.

Liebe Grüße

#2

Heinz

königswinter, Deutschland

Lieber Anonym,

Deine Beschreibung für eine erworbene Schädigung im Zentralen Nervensystem gibt die Situation und Problematik in der wir Betroffenen und Angehörigen stecken sehr gut wieder.

Für Dich gilt es jetzt Dich zu beruhigen. Nur in der Ruhe kannst Du jetzt die richtigen Schlüsse ziehen. Es ist jetzt wichtig auf Deine Gesundheit zu achten. Das sagt sich leicht. Es ist aber wichtig. Denn nur so kannst Du Deiner Mutter am besten helfen.

Gründe für eventuell falsches reagieren könnten fast bei jedem gefunden werden. Wer ist schon medizinisch auf dem neuesten Stand. Vorwürfe und Selbstvorwürfe helfen in dieser Corona geprägten Situation nicht. Jetzt und gerade in dieser Corona Zeit brauchst Du die Zuversicht, dass es wieder besser werden kann und wird. Glaub daran, dass sich die gesundheitliche Situation Deiner Mutter wieder bessern wird. Dieses Vertrauen benötigt ihr Beide.

Wichtig ist jetzt, dass Du nicht daran zweifelst und gemeinsam mit Deiner Mutter nach Lösungen suchst. OK am Anfang und bei einer rechtsseitigen Lähmung ist es eine Herausforderung. Sie wird nach meinen Erfahrungen nicht schnell Antworten können. Sie wird Dich jedoch verstehen! Das führt oft dazu, dass sie unter Umständen unwirsch reagiert, wenn Du ihre Reaktionen und Zeichen nicht oder zu langsam verstehst. Geduld und Zeit werden benötigt. Geh davon aus, dass die Ärzte mit dem heutigen Wissen vieles möglich machen. Trotzdem musst Du trotz Corona, ein Gespräch mit Ihnen und den Pflegern suchen. Lass Dich jedoch nicht von deren pessimistischen Aussagen und ihrem geschäftigen Treiben beeindrucken. Es wird meist besser werden wie sie es beschreiben. Jetzt ist Geduld, Mut und Kampf angesagt. Mut um nicht zu verzweifeln und Kampf Deiner Mutter mit dieser Situation. Sie muss anfangs wie ein Baby alles neu lernen. Es gibt Fortschritte und Stagnation, sowie bei Untätigkeit auch wieder Rückschritte. Ich bin mir nahezu sicher, dass ihr gemeinsam einen neuen Weg finden werdet, der Euch stärkend zusammenwachsen lässt. Ich wünsche Euch viel Glück, Gelassenheit, Achtsamkeit und gute Nerven. Glaub daran, dass ihr gemeinsam einen individuell zufriedenstellenden Weg findet.

Liebe Grüße

Heinz

#3

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Nun.. Anno... Du kannst jetzt jammern, wehklagen und bedauern, oder Du kannst "es" anpacken. Was denkst Du, was macht das Beste aus der Situation?

Ich glaube kaum, dass Dich folgendes in Deinem "mea culpa-Rausch" tröstet, ich schreibe es aber dennoch - man weiß ja nie. Vielleicht denkst du ja doch darüber nach.

...

Bei meinem Mann stellte ich ca. 5/6 Wochen vor seinem diagnostizierten (weil nicht mehr ignorierbaren) Schlaganfall leichte Wortfindungsstörungen fest. Ich fand das "komisch", war mir nicht sicher, bat meinen Mann aber mehrfach und eindringlich (Bitten, betteln, drohen, weinen) sich untersuchen zu lassen. Erst war er beleidigt, dann kam (nach Tagen) ein.. na gut (aber mit vorwurfsvollen Blick) die Zusagen, dass er sich einen Arzt suchen würde. Nun, sämtliche Ärzte die er anrief meinten "wir nehmen keine Patienten mehr auf" (das ist bei uns nicht ungewöhnlich), weshalb ich ihn in die Notaufnahme des Krankenhauses "nötigte". Ich mache es kurz. Dort hat man ihn "ohne neurologischen Befund" wieder nach Hause geschickt. Der schriftliche Befund kam nie bei uns an, den habe ich mir dann persönlich nach dem Ereignis dort abgeholt (weil ich sicher sein wollte, dass mein Mann mich nicht angelogen hat). Lange Rede, kurzer Sinn. 6 Wochen nach diesem Arzttermin hatte mein Mann abends so schwere Wortfindungsstörungen (dazwischen funktionierte die Sprache aber wieder gut und sämtliche anderen Schlaganfallsymptome waren sowieso nicht vorhanden), dass ich meinen Mann ins Krankenhaus nötigte (ja, selbst in dieser Situation musste ich noch Druck ausüben.

Lange Rede, kurzer Sinn. Die Diagnose war so übel, dass man ihn am gleichen Tag noch in die Uni gefahren hat. Er hatte Blutungen, so dass man keinen Eingriff wagte. In der Nacht verschlechterte sich dann sein Zustand und das blieb die folgenden 6 Tage auch so. Jeden Tag ein wenig schlechter, so dass man sich dazu entschloss meinem Mann im M1 einen Stent zu setzen. Die Entscheidung ist in der Uni nicht leicht gefallen weil bei meinem Mann das Risiko hoch war, aber es war die einzige Chance, dass er das überlebt.

Er hat den Eingriff überlebt. Er kam in die Reha. Und dort sagte man mir schon in der ersten Woche: Ihr Mann wird ein Schwerstpflegefall. Ihn können sie nicht zu Hause pflegen. Suchen Sie einen Pflegeplatz. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine rechtseitige Lähmung (Bein + Arm) Schluckstörungen und eine schwere Aphasie.

Mein Mann ist seit einem guten Jahr zu Hause. Er geht ohne Hilfsmittel, langsam und rechts leicht schlurfend, je nach Tagesform zwischen 1 und 2 km. Die Sprache ist bis heute nicht so, dass man das Unterhaltung nennen kann, aber die Worte kommen wieder. Daran hätte in der Reha auch bei der Entlassung niemand geglaubt. Seine Kognitiven Fähigkeiten werden ebenfalls immer besser. Was ihm, meinen früher sehr dynamischen Mann abhanden gekommen zu sein scheint ist der Antrieb (obwohl sich auch das langsam bessert).

Vor einigen Tagen habe ich ihn bei einer unserer Diskussionen (ja, auch das kann man.. diskutieren mit einem Menschen der kaum einen Satz formuliert bekommt. Man muss sich nur gut kennen) von ihm zu hören bekommen dass er glücklich ist und ihm das Leben Freude macht. Das sagte mir mein Mann, der heute nicht mehr (richtig) lesen, rechnen und noch weniger sprechen kann und früher seine Freude an Wortwitz und guten Formulierungen hatte. Der ein wandelndes Lexikon und ein Schöngeist mit Hang zum Praktischen war. Ja, ein Mensch mit einer Vielfalt wie man sie selten findet. Dieser Mensch.. er lebt gerne und ist glücklich. Trotz seiner Einschränkungen. Ich glaube, ich bin unglücklicher über seinen Zustand als er selbst.

Es wird Zeit, dass ihr - Du und Deine Mutter - eure Scham ablegt und das Leben anpackt. Schaut was da ist, und dann schau' Du, was Du wo Du unterstützen kannst. Meine Erfahrung ist (leider), dass man sich weder auf Ärzte noch auf Pfleger voll verlassen kann. Mitdenken schadet nicht. Wäre es nach den Ärzten gegangen, mein Mann läge heute im Pflegeheim.

Lange Rede, kurzer Sinn: Schau nicht zurück, schau in Hier und Jetzt und suche die Vision für die Zukunft. Und dann geht es an.

Und ja, ich weiss wie schwer das ist und ja, ich hadere auch heute noch so manches mal …. es ist aber die einzige Option zur Resignation.

#4
Avatar

Unbekannt

Gelöscht

Hallo Heinz und Amsel,

danke für eure Worte, aber ...

Mir geht die entscheidende Zeit einfach nicht aus dem Kopf. Nach und nach kommen mir immer mehr Details in den Sinn, nachdem ich am Tag des Schlaganfalles so handlungsunfähig/ignorant nachdachte, während die vielen Stunden an diesem schwarzen Tag so schnell wie nie vergingen. Ihre hilflosen Blicke, ihre Laute, ihr Schrei, die Kälte auf ihrer Haut, der Drang, ihre nasse Unterhose loszuwerden, die hilflosen Schläge gen die Tür, der linke Arm zum (erfolglosen) Hochgehobenwerden, das angewinkelte linke Bein zum Aufstehen. Die Lähmung kann auch nicht so schnell dagewesen sein, fielen mir mittlerweile doch auch ihr abgestreiftes langärmeliges Oberteil und ihre abgestreifte Hose ins Gedächtnis. Obwohl es ihr wahrscheinlich viel zu kalt war. Augen und (schleimige) Lippen konnte sie recht problemlos öffnen. Und ich dachte irgendwann, sie atme nur wegen weiterem Erbrochenen "schwer" und könne deshalb nicht sprechen. Ich versuchte ewig, sie auf die Seite zu bekommen, damit sie "es" loswird. Da war ihre rechte Seite aber schon schlaff und kalt.

Und wie unzählige Leute von Notdienst, RTW, Feuerwehr, Nachbarn usw. zugesehen haben ... das hatte sie in ihrem Blick des starren Entsetzens schon geahnt und seitdem (bislang!!!) die Augen verschlossen.

Verändern kann ich am Zustand der Wohnung von diesem Tag nichts, es bleibt alles stehen und liegen, weil ich sie gedanklich an all ihren Stellen sitzen/stehen/liegen sehe. Ich führe dort mit ihr "Gespräche" und stelle ihr Kaffee und Essen hin, doch da ist vielleicht nichts. Über ihre Liegefläche steige ich vorsichtig drüber und vermeide jeden Gang dort entlang. Ich greife auf der Couch und im Bett erfolglos nach ihr und vermeide jede kleine Verhaltensweise, die sie an mir weniger mochte.

Hinzu kommen die ganzen Fristen, doch wo legt sie welche Briefe und Akten ab, welche hat sie mitgebracht? Wo kann ich nur die einzureichenden Unterlagen finden? Es ist gruselig, in ihren Privatsachen zu suchen ... und da hat sie auch einige Dinge über mich aufgehoben, die ich längst vergessen habe. Warum haben wir eigentlich nie auch nur halbwegs aktuelle Fotos gemacht? Im Krankenhaus durfte ich ihr leider nichts Persönliches dalassen. War es überhaupt richtig, der Hemikraniektomie zuzustimmen, obwohl sie die Intensivmedizin eigentlich grundsätzlich ablehnt? Wäre es für uns beide nicht besser, jetzt "woanders" zusammenzusitzen?

Und nochmals fast 24 Stunden um, ohne dass sie überhaupt aus der Narkose erwacht wäre. Was, wenn sie beim Anruf wieder sagen werden, dass sich an ihrem sehr kritischen Narkosezustand nichts verändert hat? Und wird sie dann ihre Augen wieder öffnen? Mittlerweile kam mir ihre Träne (?) am linken Auge in den Sinn, als ich sie das eine Mal im Krankenhaus besuchen durfte. Doch um welches Thema ging es dabei gerade?

Wann kann ich sie wieder besuchen? Wann kann ich endlich die nötigen Therapien in die Wege leiten? Wie kann ich den in Gang gewesenen Umzug aus ihrer alten in die von mir nur für sie gekaufte neue Wohnung aufhalten/verzögern, ohne dass all ihre Erinnerungen für immer geräumt werden? Wird sie in ihrer neuen Wohnung überhaupt leben können, jetzt, wo wir schon alle Umbauten usw. besprochen hatten? Wieso habe ich gerade zu diesem falschesten Zeitpunkt versagt?

#5

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Anno.. möchtest Du Deiner Mutter helfen? Falls ja, dann bringen Dich im Moment Selbstvorwürfe und der Blick zurück nicht weiter. Den Blick zurück kannst Du Dir erlauben wenn Du alles für das Jetzt und die Zukunft geregelt hast. Das was Du gerade betreibst, das schwächt Dich und macht die handlungs- und entscheidungsunfähig.

Und glaub' mir, ich spreche da aus Erfahrung. Papiere/Dokumente habe ich noch ein Jahr danach gesucht. Bei uns war auch wenig bis nichts geregelt.

Hast Du eigentlich eine Generalvollmacht von Deiner Mutter? Falls ja, dann bist Du besser dran als ich das damals war.

Ja, Du hast die Zeichen nicht richtig gedeutet. Ja, man könnte damit sagen, dass Du versagt hast. Fakt ist aber auch, dass in den letzten Monaten recht viele Mediziner, Therapeuten und Pflegekräfte erlebt habe, die Zeichen nicht beachtet und wenn, falsch interpretiert haben. Du bist ein Mensch, Du bist noch nicht einmal Mediziner. Was erwartest Du von Dir? Kennst Du keine Gnade für Dich? Wie würde Deine Mutter Dich beurteilen?

Und ich sage Dir... Du bist auf dem besten Weg ins nächste Versagen zu schippern wenn Du so weiter machst wie jetzt. Dieses Mal hast Du es aber in der Hand.

Deshalb.. hör' auf damit Dir die Frage zu stellen was Du hättest besser machen können und hör' auf Dein schlechtes Gewissen zu zelebrieren. Fang' damit an Dir die Frage(n) zu stellen, was Du JETZT und in Zukunft für Deine Mutter tun kannst.

Was ihre Wohnung betrifft. Diese Frage solltest Du Dir erst stellen wenn Deine Mutter einige Wochen Reha hinter sich hat. Eine Rehamaßnahme wird in der Regel von der Klinik organisiert. Da musst Du nichts tun (und falls doch, dann wird Dich dazu der soziale Dienst der Klinik ansprechen).

Du schreibst, Sie ist noch nicht aus der Narkose erwacht. Nun.. meinen Mann hat man bewusst recht lange sediert - fast 3 Tage. Was sagen die Ärzte dazu?

Was die Ablehnung von Intensivmaßnahmen angeht. Nun.. mein Mann meinte früher ebenfalls, dass er schnell sterben und kein Pflegefall werden möchte. Als es aber damals um die Frage: operieren (mit den verbundenen Risiken) oder nicht ging, habe ich ihm die Frage gestellt: kämpfen? Ja oder nein? (mehr war er gar nicht mehr in der Lage zu erfassen). Damals kam von ihm eindeutig die Antwort: kämpfen. Mich hat die Antwort überrascht - und auch wieder nicht. Denn ich habe es in der Vergangenheit mehrfach erlebt, dass Menschen, die im gesunden Zustand geäussert haben, dass man sie schnell sterben lassen soll, sich im Ernstfall dann doch für den Kampf entschieden haben. Wenn man in der Situation ist, beantwortet man diese Frage(n) dann häufig doch ganz anders.

Ich denke heute auch (und ich war mir da lange Zeit nicht sicher), dass mein Mann damals wusste was er sagte, denn wir haben uns erst vorgestern über die Frage ausgetauscht, ob er trotz seiner nicht unerheblichen Einschränkungen glücklich ist (er war früher ein intellektuell und körperlich sehr aktiver Mensch - das ist alles nicht mehr möglich). Und er meinte, dass er es sei.. und er fügte noch hinzu .. .. alles ist gut mit Dir.

Nun sollte ich erwähnen, dass ich meinem Mann nichts schenke. Dass ich es ihm nicht leicht mache und ihn "antreibe". Und dennoch sagt er "es ist gut mit Dir". Was mich dazu bringt Dir zu sagen.. Deine Mutter braucht Dich und Deine Zuversicht, Deine Zuwendung, Deinen Stolz auf sie und Deine Liebe. Und keinen Sohn (keine Ahnung warum ich denke, dass Du ein Mann bist) der hadert und jammert. Es mag sich wie eine Phrase lesen.. dennoch.. es ist so. Sie braucht jetzt einen starken Sohn und sie braucht einen, der ihr Mut macht wenn Du wieder zu ihr darfst.

Pack' das Leben an. Schau was Du aus dem was Dir das Leben vor die Füsse gekippt hast Gutes gestalten kannst. Für Deine Mutter und auch für Dich.

Ich kann mir vorstellen, dass Du mit meinen Worten nichts anfangen kannst. Aber versuch' bitte, das eine oder andere mal sacken zu lassen.

Du stehst unter Schock. Ich denke auch, dass Du Unterstützung im realen Leben brauchst. Dringend. Die Kliniken bieten Seelsorge an. Auch für Menschen die keine praktizierenden Christen sind. Diese Seelsorger haben schon viel gesehen und gehört. Evtl.. wäre ein Gespräch hilfreich für Dich. Oder, falls Du zu Deinem Hausarzt hast, sprich ihn an. Evtl. kann er Dir die Fragen beantworten für die die Ärzte in der Klinik keine Zeit haben. Oder die Telefonseelsorge (es gibt gute und weniger gute.. ein Versuch wäre es wert).

Hast Du Freunde? Ruf' sie an und erlaube Dir zu weinen.

Wenn Du beten kannst, dann mach's - und zwar so, wie Du mit "Ihm" sprechen möchtest, nicht so, wie man sich allgemein beten vorstellt.

Und da Du ganz sicher z.Zt. nicht in der Lage bist strukturiert zu denken: Erstelle eine Liste der offenen Fragen. Sortiere dann nach Dringlichkeit. Und dann schau wie Du diese klären kannst. Wenn es um Fragen geht die man allgemein beantworten kann, dann frage hier im Forum. Evtl. hat jemand eine Idee.

Glaub' mir. Wenn Du es zulässt, dann findet sich immer wieder jemand der Dir ein kleines Stück weiter hilft. Bei mir war es damals der Nachtportier der Klinik in der mein Mann lag. Jeden Abend hat er, wenn ich von der Station runter kam, mich erst einmal aufgehalten, mich nach dem Zustand gefragt und wie es mir geht. Mir Mut zugesprochen. mich mal kurz gedrückt und erst wenn ich mich etwas beruhigt hatte, auf die Strasse und ins Auto gelassen. Das mag nicht viel erscheinen, aber wer weiss an welchem Baum ich damals ohne ihn gelandet wäre. Bei mir hat dieser Mensch ein Denkmal in meinem Kopf.

Was ich sagen möchte ist folgendes: Lass' Dir helfen. Sprich mit den Menschen. Erzähl von dem was Dich belastet. Ja, nicht jeder möchte das hören (aber das merkt man) .. aber ab und zu begegnen Dir Menschen die Dich ein Stück weit tragen - und jeder Zentimeter getragen werden zählt in Deiner Situation.

Es wird wieder besser werden! So ist das Leben.. so ist es immer.

Was die Fristen angeht... nun.. mir machte damals das Finanzamt Druck weil mein Mann ein Schlamper war und ich keine Unterlagen fand (ja.. ich liebe ihn, aber seine Schwachstellen sind nun mal die, die sie sind) und ich hatte dafür auch keinen Kopf. Ich kann Dir nur raten das Gespräch mit den Ämtern/Stellen zu suchen die Fristen setzen könnten und schildere Dein Problem. Dann findet sich eine Lösung. Falls Du einen guten Steuerberater haben solltest .. evtl. kann dieser weiter helfen.

So.. und nun ganz zum Schluss.. von mir an Dich.. fühl' Dich - wenn Du magst - von mir ganz fest in den Arm genommen.

Amsel

#6
Avatar

Unbekannt

Gelöscht

Amsel, herzlichen Dank für die Unterstützung.

Nahezu gerade nachdem ich deine Worte häppchenweise in mich aufgenommen hatte, klingelte das Telefon. Die Schwellung bzw. der Druck auf die gesunde rechte Gehirnhälfte geht alles andere als zurück, die Situation ist extrem kritisch. Die Kraniektomie kann zur Vermeidung von Gefäßschäden nicht mehr ausgeweitet werden. Da meine Mutter eine Kämpferin ist und (wenn ich den Berichten im Web Glauben schenken darf) manchmal Wunder über die ärztlichen Prognosen hinaus geschehen, habe ich noch einem Versuch (z.B. Osmotherapie) zugestimmt, wenn sich der Druck nicht bessern sollte. Auch wenn der Arzt mir keine großen Hoffnungen machen konnte, möchte ich meiner Mutter die Möglichkeit geben, auf die dargestellte Chance zurückzukommen, dass ich sie halbseitgelähmt im Rollstuhl (laut Arzt ohne Bettlägerichkeit) umsorgen kann. Laut meinem Arbeitgeber ist ein dauerhaftes Homeoffice als Ausnahmeregelung denkbar, sodass ich mich wirklich um sie kümmern kann und nicht zeitweise alleinlassen muss. Und aus den keinen bis sehr geringen Sprachaussichten werden wir gemeinsam (natürlich auch mit Reha und Anschlusstherapien) mit der Zeit sicherlich einen Zustand schaffen können, mit dem sie glücklich wird (und ich ihre Empfindungen und Wünsche genau genug erfahre und vielleicht sogar wieder ihren Zuspruch geschenkt bekomme).

Eine zweite Besuchsgenehmigung fürs Krankenhaus wurde mir leider erst für den Zeitpunkt in einigen Tagen in Aussicht gestellt, ab dem die Schwellung nicht mehr zunimmt. Das soll dann über eine Woche nach Eintreten des Schlaganfalls sein. Mir fällt immer mehr ein, was ich sie an ... besagtem Tag ... hätte fragen sollen, als sie mich noch ansehen und zumindest ein nonverbales Ja/Nein hätte äußern können. Seit dem Entschluss ihrer Einlieferung ins Krankenhaus hat sie ihre Augen (noch!!!) nicht wieder geöffnet. Ich setze meine Gebete fort, versuche hier mit ihr zu "reden", auf dass sie stark sein muss und sich auch im Rollstuhl immer auf mich verlassen kann – schon, damit ich versuchen kann, einen Teil meiner Schuld wiedergutzumachen. Meine Mutter darf sich nicht selbst aufgeben und ihren verdienten lebenswerten (!) Lebensabschnitt in Frage stellen. Sich immer um mich und alles andere zu kümmern ist das eine, aber zur perfekten Rentnerin (= immer einzuzahlen, aber Altersrente nicht bzw. nicht zum eigenen Vorteil in Anspruch zu nehmen) soll und darf sie nicht verkommen!

Der Arzt sagte mir zwar, dass ich das schicksalhafte Vorhofflimmern als Ursache nicht hätte erkennen können und es selbst bei rechtzeitigem Arztbesuch nicht unbedingt erkannt worden wäre, aber das klingt zu sehr nach rosaroter Beruhigungspille. Immerhin habe ich die Auskunft erhalten, dass die schlechten persönlichen Nachrichten dieser Tage (Streitigkeiten mit Rentenversicherung, Vermieter, vielleicht meine Überstundenlast usw.) höchstens indirekt in Form des Stresses beteiligt waren.

Eine Generalvollmacht hat sie nie erstellt, hoffentlich entscheidet sich das zuständige Amtsgericht für mich als Betreuer (auch, wenn meine aktive Mutter bei diesem Wort sofort an die Decke gehen würde). Nicht, weil ich mich für den besten Kandidaten halte, aber: Ich weiß aber um ihre Angst, dass sie ihre kontaktscheuen, stets nur zum eigenen Vorteil handelnden Geschwister oder auch irgendein externer Betreuer quälen und nach dem finanziellen Raubzug dahinsiechen lassen. Ihre von diesen damals in direkter Nähe ihrer Eltern wohnenden Geschwistern ausgeschröpften, aktiv in den Alkohol getriebenen und nach Abzug allen Geldes in in den Tod getriebenen Eltern hat sie nie überwunden. Das ging bis zum weinerlichen Entzug des Wohnungsschlüssels durch ihren Vater, nachdem er von den Geschwistern unter diversen schlimmsten Androhungen dazu gezwungen worden war (kurz darauf "Unfall nach Fluchtversuch" (ihr mobiler (!) Vater wollte einmal vor die Tür), Abschiebung ins miese, billige Heim und schlagartiger Tod). Und hörte nicht einmal mit den kürzestmöglichen, entgegen den Wünschen ihrer Eltern getrennten Verscharrungen (bei ihrem Vater dann sogar "anonym") auf. Sie erfuhr nicht einmal, ob ihre Mutter oder ihr Vater nach wenigen Jahren Liegedauer "nur abgelaufen" waren oder jeweils an einen der neuen Wohnorte der Geschwister "verlegt" wurden. Wie oft hatte sie es ihren Eltern und Geschwistern damals rechtzeitig angeboten, ihre Eltern bei uns menschenwürdig einziehen zu lassen. Da meine Mutter zu der Zeit mit Herzblut in der Palliativpflege engagiert war, hätte sie aus Erfahrung den besten Weg für ihre Eltern garantiert. Ich hätte etwas ahnen sollen, nachdem meine Mutter das Thema in der letzten Zeit verstärkt bewegt hatte und ich viel zu emotionslos damit umgegangen bin. Irgendwie waren wir beide immer zu stolz und mit anderen Angelegenheiten beschäftigt, Emotionen zuzulassen. Ja, sogar bis zur ihrer Einlieferung ins Krankenhaus habe ich hier nur in anderen Zimmern ganz leise und unterdrückt geweint, auch weil mir ihre Blickte nachgingen, bloß kein weiteres schlechtes Licht auf uns zu werfen.

.....

Wegen ihrer jetzigen Wohnung bin ich damit beschäftigt, die bestehende Kündigung (da sie bald in die für sie gekaufte Wohnung umziehen sollte) jetzt rechtzeitig vor der Räumung abzuwenden, auch wenn sich der Betreuungsbeschluss noch zieht. Genau dieser Brief ist am Abend vor ... diesem schlimmsten Tag ... nicht mehr druckreif geworden, weil sie in dieser Notsituation natürlich jeden Satz noch genauer durchdachte und wie immer am liebsten ohne mein Tippen/Drucken handschriftlich verschickt hätte. Sie wollte unter keinen Umständen bevormundet werden, und sei es "nur" durch meine Formulierungsvorschläge Kommt es zur "erhofften" Situation im Rollstuhl (nein, es steht für mich außer Frage, dass sie OP/Folgeeingriff in den Stoffwechsel/Narkose übersteht!), sind sowieso weder ihre alte/neue Wohnung noch eine meiner Wohnungen wirklich geeignet. An das Thema darf ich aber ohnehin nicht denken, da wir alle Umbauten/Renovierungen in der neuen Wohnung schon im Detail besprochen hatten (bis hin zu den bereitliegenden Kalendern und der Anordnung der Möbel, die sie aus ihrer bisherigen Wohnung mitnehmen möchte), sie die Arbeiten gar nicht abwarten konnte (sobald in ihrer alten Wohnung alles geklärt ist, ohne dass sie sich dafür schämen müsste) und sie wegen ihrer Eigenständigkeit immer auf ein kommendes "professionelles" Mietverhältnis mit mir bestanden hat, d.h. ab Wohnungsübergabe u.a. allein die Schlüsselgewalt haben würde, ohne dass sich jemand einmischt.

Eine Seelsorge in Anspruch zu nehmen, da steht mir noch immer meine "rationale" (im Sinne von "es verändert nichts an der Situation, wenn ich mit bei einem fremden Berufsseelsorger/Psychologen etc. ausheule") Hemmung im Weg. Wir beide standen dem "Sozialgeschäft" aus guten Gründen immer sehr skeptisch gegenüber. Das hat seine Gründe, worüber ich aus Rücksicht auf meine Mutter nichts schreiben möchte.

Die Formalitäten habe ich im Auge und konnte auch schon diverse Briefe zuordnen, allerdings fällt es mir extrem schwer, die Situation darzustellen, wo einige Behörden usw. meine (auf ihre Rechte pochende und dennoch immer wieder darum betrogene) Mutter zu gern im Abseits sehen. Oder mich womöglich bald als Betreuer vorstellen muss. Ich bete für das Wunder, dass meine Mutter nach der Reha "nur noch" auf meine körperliche Pflege angewiesen ist und endlich wieder wie gewohnt komplett allein entscheidet bzw. diesen Willen direkt bekundet. Das gibt mir im Moment den verbliebenen Antrieb zwischen den "Ab"-Phasen.

Bei deinem Nachtportier im Krankenhaus muss ich an den unwirschen Pförtner im Krankenhaus denken, der mich erst nach gefühlten 123 Widerreden, 456 Telefonaten und 789 Schriftstücken eingelassen hat. Ja, ich weiß, dass Coronazeiten für alle Beteiligten schwierig sind und viele aus Infektionsschutzgründen abgewiesen werden müssen. Aber werter Herr, ich hätte auch lieber nur eine "nicht besuchswürdige" Angehörige mit rein physischer Routineversorgung zu bieten und würde mit den Blümchen wieder rausgehen. Und Amsel, verzeih mir die Ausschweifungen, aber ich weiß schon, was du meinst. Andererseits könnte ich bei täglicher Besuchsmöglichkeit Hand in Hand (meiner Meinung nach) viel besser mit der Lage meiner Mutter umgehen. Es ist bestimmt nicht zu ihrem gesundheitlichen Vorteil, wenn sie jetzt denkt, dass es mir nach der Qual an ... jenem Tag ... auch noch zu viel sei, sie zu besuchen.

.....

Ich weiß, dass ich noch nicht so weit bin, wie ich es sein sollte. Aber deine Worte helfen mir (und damit letztlich meiner geliebten Mutter).

#7
Avatar

Unbekannt

Gelöscht

Hallo ...

heute habe ich zumindest soweit gedacht, mich es mit meiner Mutter weitergehen sollte, was Förderung, Pflege, Wohnsituation, Finanzierung u.v.m. angeht. Ich weiß: der zweite Schritt vor dem ersten. Aber ich bin bereit, ihr alles Menschenmögliche bereitzustellen und habe vieles durchgeplant und viel gebetet.

Knall, soeben ein noch bedrückenderer Anruf: Der Druck auf die gesunde Gehirnhälfte will noch immer nicht abnehmen, die Mittellinie verlagert sich wohl sichtlich. Es sei nicht sicher, ob ihre Wahrnehmung bestehen bleibt, von Sprache und kognitiven Leistungen ganz abgesehen. Eine Sofortentscheidung über die seitliche Trepanation, um Hirnwasser abfließen lassen zu können. Ich kann meine Mutter doch nicht per Telefonentscheid sterben lassen, wenn noch Resthoffnung auf ein glückliches Leben besteht! Ich, der ihr diese Lebenszerstörung eingebrockt hat ...

Amsel und die anderen, bitte betet mit, auf dass sie (nicht nur) diese Nacht menschenwürdig überlebt.


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Anno Nym« (19.01.2021, 23:09)
#8

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Meine Gedanken sind bei Deiner Mutter und bei Dir. Ich ahne, wie es Dir geht - wie vermutlich viele andere Angehörige die hier mit lesen und schreiben. So manche(r) wird euch in Gedanken gute Wünsche schicken. So wie ich auch. Möge der Herr seine schützende Hand über euch halten.

Nein, Du kannst Deine Mutter nicht sterben lassen. Schon gar nicht einfach so am Telefon. Nein.. der Gedanke allein ist schon fürchterlich.

Ich denke, dass Du dem Arzt Glauben schenken kannst, wenn er sagt, das hätte auch kein Arzt bemerkt. Bei meinem Mann war es jedenfalls so, dass die Ärzte im Krankenhaus einige Wochen vor dem diagnostizierten Schlaganfalls schon einmal vorstellig wurde weil ich meinte leichte Wortfindungsstörungen zu erkennen (mein Mann tat das als Unsinn ab). Sie haben ihn ohne neurologischen Befund wieder nach Hause geschickt. Einige Wochen später konnte man dann erkennen, dass schon länger Blockaden bestanden haben müssen denn es hatten sich bei ihm schon wieder neue Aterien gebildet.

Da fällt mir ein.. frag' doch beim Pflegepersonal nach, ob sie so freundlich sein könnten Deiner Mutter wenigstens 1x am Tag das Telefon ans Ohr zu halten damit Du mit ihr sprechen kannst. Und dann sag' ihr, dass Du sie liebst, dass Du sie vermisst, dass sie wichtig für dich ist, dass Du bei ihr in Gedanken bist und Du aber nicht zu ihr darfst, dass Du alles für sie regelst .. erzähl ihr alles was Du ihr sagen wolltest und dich nicht getraut hast weil bei euch Gefühle nicht üblich sind. Das muss nicht lang sein (überleg' Dir vorher was Du sagen möchtest).. Hauptsache regelmässig.

Was die Betreuung angeht. Nun.. bei meinem Mann und mir war es so, dass das Krankenhaus den Antrag auf Betreuung stellte und mich als Betreuerin (nach Rückfrage) auch vorgeschlagen hat. Sie haben mich vorgeschlagen, weil ich täglich vor Ort war (das war noch vor Corona) und man so wahr nahm, dass ich mich für ihn einsetze. O-Ton einer jungen Ärztin war: das erleben wir hier nicht so häufig. Die meisten liegen hier Tage bis jemand nach ihnen schaut.

Jedenfalls wurde ich von KH vorgeschlagen und das Gericht hat sich dem Vorschlag angeschlossen nachdem die Richterin auch kurz mit mir telefoniert hatte. Falls das Gericht zögern sollte (was ich mir nicht vorstellen kann), dann weiße darauf hin, dass Deine Mutter plante in Deine Nähe in eine Deiner Wohnungen zu ziehen. Das dokumentiert, dass ihr euch nahe wart.

Sofern Du keine Vollmachten für ihre Konten hast und falls andere finanzielle Dinge geregelt werden müssen, dann weise die Richterin darauf hin, dass Du Kontenzugriff benötigst. Mach' Dich dann aber auf weiteren Papierkram gefasst der je nach Finanzstatus ganz schön Zeit fressen kann. Aber es nützt ja nichts. Das Finanzielle muss ja irgendwie auch weiter laufen.

Ach so... in der Regel ist die Betreuung in solchen Fällen erst einmal auf 6 Monate befristet.

Warum möchtest Du eigentlich die Kündigung nicht aufrecht erhalten wenn sie mit ziemlicher Sicherheit nicht wieder dort leben wird?

Ob Rollstuhl oder nicht... das wird sich zeigen. Mich überrascht es mal wieder, dass ein Arzt zu diesem Zeitpunkt so eine Aussage trifft. Auch was die Sprache und kognitiven Fähigkeiten angeht. Selbst wenn Deine Mutter ansprechbar wäre - so eine Prognose wäre verfrüht. Mein Mann hatte von den Reha-Ärzten so viele schlechte Prognosen - die hat er alle schon längst widerlegt. Bitte sei aber nicht enttäuscht, wenn Deine Mutter in nächster Zeit nicht in der Lage ist Entscheidungen zu treffen. Geh' davon aus, dass sie sehr verwirrt sein wird (wenn es anders kommt freu Dich) und resigniere dann nicht. Das bessert sich mit entsprechender Förderung.

Was die Seelsorger im KH angeht.. ich habe da ganz wunderbare, bodenständige Menschen kennengelernt. Und das sage ich, obwohl ich mich vom "Konstrukt" Kirche bewusst abgewandt habe. Nicht vom Glauben, aber vor der Institution. Nur weil da vieles fragwürdig ist, bedeutet das nicht, dass man nicht auch dort auf Menschen treffen kann die Mensch sind. Trau' dich. Ich denke, Du brauchst jemanden der Dich wenigstens kurz auffängt. Du stehst nämlich noch am Anfang und wirst noch lange durchhalten müssen ohne psychisch zusammen zu klappen.

Nein, sie ändern nichts an der Situation, aber sie können - wenn sie den Namen verdienen - dazu beitragen, dass Du ein wenig klarer siehst, nicht zusammen klappst.

Ich frage mich auch gerade, wie Du und Deine Mutter je Hilfe annehmen könnt, wenn ihr euch dieser "Schwäche" Schlaganfall und den damit verbundenen Auswirkungen schämt? Scham ist hier kontraproduktiv und führt nur dazu, dass Therapien nicht so anschlagen wie sie es könnten. Und bei Dir führt es dazu, dass Dir die Luft schneller ausgeht als Du denkst.

Aber darüber schreiben wir mal, wenn Deine Mutter anfangen muss bei Bewusstsein Hilfe anzunehmen. Ich hoffe nämlich, dass Du selbst erkennst, dass Du Dir damit selbst im Wege stehst.

Sei stark. Viele Gedanken begleiten Dich.

#9

Angie

Untermettingen, Deutschland

Amsel hat Recht. Ich lese mit, schweige aber weil ich das alles nicht mitbekommen habe was mein Mann durchmachen musste. Ich "bete" für dich und deine Mutter. Ihr schafft das!

#10
Avatar

Unbekannt

Gelöscht

Vielen Dank für eure lieben Worte, Amsel und Angie.

Es ist sehr seltsam: Im Nachhinein fallen mir immer mehr beiläufige Aussagen und Vergleiche meiner Mutter ein, die Schwierigkeiten an ihrem Herzen vorweggenommen haben. Leider habe ich sie nie im richtigen Maße dazu ermuntert, damit fachkundige Leute anzusprechen.

Wegen der Kündigung: Durch die Umstände der letzten Wochen war abzusehen, dass der Auszugstermin nicht gehalten werden kann. Natürlich haben wir es bis zuletzt versucht, doch ein halbes Leben (und mein verbliebener Anteil) lassen sich viel schwieriger als erwartet angemessen "beräumen". Zumal neuer Mietvertrag, Meldungen usw. damit noch ausstanden und sie bei durchgezogener Kündigung quasi punktuell Jahrzehnte von Fremden unwiderbringlich unter den Füßen weggezogen bekäme. Das Dilemma, in einer Betreuungssituation glaubhaft zu machen, wohin und unter welcher Umständen meine Mutter umziehen wollte, käme nun hinzu ... erst recht mit mir als vorgesehenem Vermieter. Auch tritt ein, dass ich mit meiner wenige Tage alten Schuld meiner Mutter gegenüber wohl nicht mehr in der Lage wäre, ihr die mündlich vereinbarten Kosten (weit unter der üblichen Höhe) für die neue Wohnung abzuverlangen und damit in eine finanzielle Schieflage gerate. Wohnlage, Ausstattung usw. waren einfach (gewollt) so auf meine Mutter zugeschnitten, dass ich das kaum anderweitig abdecken kann. Ich wollte ihr ja keine 08/15-Wohnung in Lage und Ausstattung nach den Wünschen eines Durchschnittsmenschen anbieten.

.....

Mein heutiger Anruf im Krankenhaus macht ein Fünkchen Hoffnung: der Hirndruck konnte durch das Ablassen eines Teils des drückenden Hirnwassers durch die zusätzliche seitliche Trepanation/Drainage zumindest gemindert werden. Eure und meine Gebete und Wünsche wurden erhört. Ich wurde für morgen um ein Arztgespräch gebeten, konnte ausnahmsweise aber sogar noch heute einen Besuch meiner Mutter mit vorherigem Arztgespräch erhalten.

Im Gespräch wurde Mutters verbesserte Pupillenstellung nach überschrittenem Hirndruckgipfel benannt (danke!), andererseits machte der Arzt leider wenig Hoffnung, sollte der Hirndruck sich vertikal auf Gegenden ausbreiten, deren Aufgaben nicht von anderen Gehirnteilen übernommen werden könnten. Es würde sich bis zum passenden Aufwachversuch nun um Wochen und nicht nur Tage handeln. Hierzu bin ich froh, dass ich dem Arzt mitgeben konnte, was meine Mutter intensivmedizinisch noch hinzunehmen sein würde (in der Hoffnung, aus den wenigen, verteilten Gesprächsminuten zu diesem schwierigen Thema richtig und vollständig herausgehört zu haben). Ich selbst wäre zwar auch für den Extremfall bereit, meiner Mutter alles zu geben, aber sie hat meines Wissens gewisse Grenzen gezogen, auch weil sie in ihrer Palliativzeit schon so viel Leid erblickt hat. Was jetzt bleibt, ist auch die unbedingte Hoffnung, dass die Ärzte keine voreiligen Schlüsse/Prognosen aus den Werten auf Monitoren bzw. Papier ziehen werden, nur um formell dem (vermeintlichen) Willen meiner Mutter aus gesunden Tagen zu entsprechen. Wie ich in den letzten Tagen (z.B. von dir, Amsel) häufig gelesen habe, kann die Prognose sich (zumal mit den richtigen Therapien) ja durchaus als viel zu düster herausstellen.

Der Besuch meiner Mutter war zuerst ein Schock (auch wenn ich diesen Anblick sicherlich hätte erwarten müssen) ... abrasierte Haarpracht, großflächig abgeklebte Kopfbereiche, künstliche Beatmung und Ernährung, kaum Lebenszeichen. Aber mir fiel auch auf, dass sie trotz ihres schweren Lebens so stark ist, keine wirklichen Falten und grauen Haaransätze an sich heranzulassen. Eine (selbst äußerlich) solch tapfere Kämpferin darf (und will mit Sicherheit auch) nicht gehen. Ich habe versucht, ihr trotz der klinischen Hektik zu vermitteln, dass sich allerhand Dinge positiv entwickeln und sie, für sich selbst und wenn sie mag auch für mich, niemals aufgeben darf. Was sich im Wohnumfeld verbessert hat. Was wir alles noch vorhaben. Was ich alles noch für sie tun kann (und werde). Und die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sie einen weiteren ihrer Glücksbringer in ihrer Hand trotz der Narkose "gefühlt" hat und er ihr noch mehr Mut zum Weitermachen schenkt. Auch wenn ich (physisch) nur einige "Zuckungen" ihres rechten geschlossenen Augenlides zur Antwort erhalten habe, bin ich mir sicher, sie auf der Suche nach dem einzuschlagenden Weg und dessen Bewältigung unterstützt zu haben. Jetzt ist es noch wichtiger, zu beten und auf die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit des Herrn zu setzen.

Und Amsel, meine Nachfrage, ihr das Telefon zu reichen, wenn ich wieder einmal nicht körperlich zu ihr kommen darf, wurde für den Fall, dass es in den Ablauf passt, bejaht. Dann müssen meine Worte zwar oberflächlicher daherkommen, aber in Coronazeiten reicht das dürrste Bächlein, um einen Weg aus der Wüste zu finden.

Über die Seelsorge schlafe ich nochmals, aber wenn sich meine Gedankenwelt nicht ändert, muss ich wohl irgendwann in den ungeliebten Apfel beißen.

2676 Aufrufe | 36 Beiträge