#1
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo zusammen,

leider führt auch mich ein schlimmes Ereignis in dieses Forum....

Vor 14 Tagen ist meine Mutter (69 Jahre) mit massiver Luftnot zusammen gebrochen. Sie wurde in ein nah gelegenes Krankenhaus gebracht und eine beidseitige Lungenembolie wurde festgestellt. Als Behandlung wurde eine Thrombolyse eingeleitet, die die Thromben in der Lunge auflösen sollte. Leider hat sich noch am gleichen Tag durch die massive Blutverdünnung eine rechtsseitige Hirnblutung (ICB) entwickelt. Diese wurde recht zeitnah entdeckt und meine Mutter wurde in eine Klinik mit neurologischer Fachabteilung verlegt. Dort wurde sie dann sofort operiert und in ein „künstliches“ Koma versetzt. Die Narkose wurde dann nach zwei Tagen ausgeleitet. Sie ist nach und nach immer wacher geworden. Sie kann mittlerweile alle Extremitäten bewegen, kann selbstständig essen und trinken, kann reden, lesen, rechnen etc. 
Hört sich erstmal gut an. Das ist es aber leider nicht wirklich, denn sie scheint in einer anderen Welt zu sein. Teilweise hat sie Halluzinationen und erkennt die Realität nicht. Sie versteht nicht was passiert ist und bringt Orte, Zeiten und Geschehnisse durcheinander. Hinzu kommt noch, dass sie körperlich mit einigen Problemen zu kämpfen hat. Neben der erwähnten Lungenembolie und der Hirnblutung, hat sie zudem eine Beckenvenenthrombose, ein HIT-Syndrom und eine „kleine“ Lungenentzündung. Deswegen kann sie auch leider nicht von der Intensivstation runter und in die Frühreha. Und dabei müsste sie endlich mal da runter, um etwas zur Ruhe zu kommen. Ich gehe davon aus, dass meine Mutter unter einem Delir leidet. Ich hoffe es ein wenig. Denn ich habe Angst davor, dass das für immer bleibt. Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, wie wir ihr in der momentanen Situation richtig helfen können. Wir sind zu den Besuchszeiten immer da, setzen ihr die Brille auf, versuchen sie über Gespräche und Fotos in das alltägliche Leben einzubinden. Aber es zeigt keine richtige Wirkung. Ich weiß, dass das alles noch nicht lange her ist und sie einiges an Problemen mitbringt, aber ich finde es auch schwierig so hilflos daneben zu stehen. Woher weiß ich, ob das gut und richtig ist, was wir machen. Verschlimmern wir es vielleicht sogar? Ich kann es einfach nicht abschätzen, da wir in ihrem „Verhalten“ noch nicht einmal eine kleine Verbesserung/ Änderung sehen. Habt ihr vielleicht Tipps für mich? Wie war es bei euch und euren Angehörigen? 

 

Vielen Dank und herzliche Grüße 

Katinka

 

#2

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Abend Katinka

Du stehst vor dem Problem, vor dem alle Angehörigen in dieser Situation stehen: Helfen, aber wie? Ich nehme es vorweg: Viel kannst du (noch) nicht tun.

Du schreibst: „…denn sie scheint in einer anderen Welt zu sein… Halluzinationen … bringt Orte, Zeiten und Geschehnisse durcheinander“
Gut möglich, dass deine Mama noch in einer anderen Welt ist. Auch dass so manches durcheinander geraten ist, ist nachvollziehbar. Sie hatte einen „grossen Kurzschluss“ im Hirn, bekommt viele Medikamente und versteht wohl noch nicht wirklich, was mit ihr geschieht und geschah. So vermischt sie Erinnerungen und aktuelle (verzerrt wahrgenommene) Erlebnisse, die sie nicht einschätzen kann. Die Angehörigen ordnen diese „verwirrten Realitäten“ als Halluzinationen/Phantasieren ein. Das Ereignis war erst vor zwei Wochen. Es kann noch Wochen und Monate dauern, bis sie wieder vollständig in der realen Welt ankommt.

Du schreibst: „Wir sind zu den Besuchszeiten immer da, setzen ihr die Brille auf, versuchen sie über Gespräche und Fotos in das alltägliche Leben einzubinden.“
Genau, einfach da sein, das scheint mir sehr, sehr wichtig. Und ihr ihre Ruhe lassen, wenn sie danach verlangt. Viel mehr könnt ihr derzeit nicht tun. Wichtig ist aber auch, sie nicht unter Druck zu setzten und nicht zu überfordern. Seid zurückhaltend mit widersprechen, wenn sie Phantasiert (diese Phantasien sind ihre Realität)! Es ist möglich, dass es sehr wenig braucht, um sie zu überfordern.

Also, es ist viel Zurückhaltung und Geduld geboten:
Das Hirn deiner Mutter ist verletzt und teilweise zerstört. Nun muss sich das Organ „reparieren“ beziehungsweise „umprogrammieren“ und auf die neue Situation einstellen. Deine Mutter muss lernen, mit den neuen Umständen umzugehen. Das ist eine Herkulesaufgabe. Diese Phase war bei mir mit extrem viel Müdigkeit und oft mit täglich bis zwanzig Stunden Schlaf verbunden. So halte ich es für wichtig, exakt in dieser Phase die Patientin nicht (auf keinen Fall!) zu überfordern - siehe oben.

Ansonsten kannst du nicht viel falsch machen. Wenn du unsicher bist, solltest du dich an die Pflegenden und Ärzte wenden. Andernfalls hast du immer ein ungutes Gefühl oder gar ein schlechtes Gewissen.

Wenn du genau beobachtest, wirst du bei deiner Mutter fortschritte feststellen. Anfänglich kleine, später bestimmt auch grössere.

Liebe Grüsse
Christoph

#3
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Christoph,

hab vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich weiß das sehr zu schätzen...

Ja, in der Tat ist diese Hilflosigkeit und das Abwarten ein Problem für mich/ uns. Aber letztlich ist es die eigene Einstellung zu der Thematik und an der kann ich dann wenigstens arbeiten. So habe ich mich nach deinen Zeilen dazu entschlossen, meinen jetzigen Tatendrang dazu zu nutzen an mir zu arbeiten. Ich will versuchen „geduldiger“ und „gelassener“ zu werden, damit sich mein Druck nicht später auf meine Mutter überträgt.Ich hoffe, dass mein Vorhaben klappt....

Du schreibst, dass wir ihre Phantasien belassen sollen. Ich habe sie bisher meist korrigiert, weil ich in der Annahme war, dass sie sich dadurch besser orientieren kann. Wenn sie mich aber beispielsweise mit falschem Namen anspricht, dann wäre doch eine Korrektur sinnvoll, oder? Wo ziehe ich die Grenze? Oder lass ich einfach alles so stehen, was sie sagt?

Ist eine Medikation mit Psychopharmaka eigentlich sinnvoll. Ich habe gelesen, dass Neuroleptika helfen können. Ich weiß, dass sie schon sehr viele Medikamente bekommt, aber wenn ihr das hilft, dann wäre ich für einen Versuch....

 

Eine andere Sache über die ich mir Gedanken mache, ist ihre Neigung zu Depressionen. Momentan geht es ihr nach eigenen Aussagen „gut“. Aber sie hatte schon depressive Episoden in der Vergangenheit. Kann man diesbezüglich vorbeugend etwas machen? Ist das sinnvoll?


Nochmals vielen Dank und liebe Grüße 

Katinka

 

 

#4

Angie

Untermettingen, Deutschland

Hallo Katinka,

Jemand mit falschem Namen ansprechen ist vielleicht das kleinste Problem. Ich mach das nach 10 Jahren noch. Vor allem spreche ich die jüngeren mit den Namen der älteren an. Nicht mit Absicht. Darüber kannst du genauso hinweg sehen.

Ich wünsche dir viel Kraft

#5

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Morgen Katinka

Zuerst, ich bin selber betroffen aber kein Arzt. Ich kann also nur meine persönliche Erfahrungen und Meinung äussern.

Phantasien belassen
Natürlich kannst du deine Mutter lieb korrigieren, wenn sie dich mit dem falschen Namen anspricht. Das würde ich wohl auch so machen. Das Problem: Nennt sie dich beim falschen Namen, weil sie den Namen verwechselt oder verwechselt sie dich mit einer anderen Person? Wenn sie den Namen verwechselt hilft ab und zu die kleine, wohlwollende Korrektur vermutlich. Wenn sie dich als Person verwechselt, würde ich es stehen lassen. Ich denke, das gibt sich wieder.

Ein Beispiel: Wenn Mama ausführlich erzählt, dass sie … „gestern einen Berg bestiegen hat und die schöne Aussicht genoss“, dann würde ich nicht widersprechen, denn „das hat sie erlebt“. Vielleicht kannst du es manchmal indirekt liebevoll mit offenen Fragen hinterfragen mit zB. „wie war das Wetter?“ oder „mit wem warst du dort?“ (keine ja/nein-Fragen). Vielleicht schwebt sie dann selber in die Realität zurück und das kann dann hilfreich sein.

Bedenke, deine Mutter ist jetzt im Stress und verwirrt. Dauernde Korrekturen kommen oft schlecht an. Der Patient fühlt sich vielleicht gegängelt und nicht ernst genommen oder gar als Lügner/in gebrandmarkt. Das bleibt nicht ohne Folgen, macht Druck und Unsicherheit (=schlecht für die Genesung und die Seele) und kann eure Beziehung nachhaltig stören. So fremd wie dir die Phantasien deiner Mutter sind, so fremd werden ihr deine „Belehrungen“ sein.

Klare Grenzen, ob widersprechen oder nicht, gibt es wohl keine, da ist dein Gespür gefragt. Aber nach deiner Art und Weise wie du schreibst zu urteilen, schaffst du das bestimmt. Hab keine Hemmungen, auch mal falsch zu liegen.

Nebenbei: Ich „erlebte Dinge“, von denen ich bis heute überzeugt bin, sie real erlebt zu haben. Die inzwischen wieder eingekehrte Vernunft sagt mir aber, das kann niemals gewesen sein.

Medikation mit Psychopharmaka
Von Depressionen in dem Sinn wurde ich zum Glück verschont; Mit meinen Stimmungsschwankungen war ich dennoch vollends bedient. Das alles war manchmal schwierig.

Man geht heute davon aus, dass sich „Post Stroke Depressionen“ teilweise besser behandeln oder gar weitgehend vermeiden lassen, wenn sofort nach dem Ereignis eine Medikation erfolgt. Die Wissenschaft ist diesbezüglich aber noch nicht sehr weit. Ich weiss, dass einige Versuche aus rechtlichen Gründen abgebrochen wurden, weil die Medikamente nicht für diese Anwendung zugelassen sind.

Ich würde das Thema mit den behandelnden Ärzten besprechen.

Liebe Grüsse
Christoph


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Etcetera« (19.11.2019, 12:06)
#6

nordzucker26

hemmoor, Deutschland

Guten Morgen Katinka

Zuerst, ich bin selber betroffen aber kein Arzt. Ich kann also nur meine persönliche Erfahrungen und Meinung äussern.

Phantasien belassen
Natürlich kannst du deine Mutter lieb korrigieren, wenn sie dich mit dem falschen Namen anspricht. Das würde ich wohl auch so machen. Das Problem: Nennt sie dich beim falschen Namen, weil sie den Namen verwechselt oder verwechselt sie dich mit einer anderen Person? Wenn sie den Namen verwechselt hilft ab und zu die kleine, wohlwollende Korrektur vermutlich. Wenn sie dich als Person verwechselt, würde ich es stehen lassen. Ich denke, das gibt sich wieder.

Ein Beispiel: Wenn Mama ausführlich erzählt, dass sie … „gestern einen Berg bestiegen hat und die schöne Aussicht genoss“, dann würde ich nicht widersprechen, denn „das hat sie erlebt“. Vielleicht kannst du es manchmal indirekt liebevoll mit offenen Fragen hinterfragen mit zB. „wie war das Wetter?“ oder „mit wem warst du dort?“ (keine ja/nein-Fragen). Vielleicht schwebt sie dann selber in die Realität zurück und das kann dann hilfreich sein.

Bedenke, deine Mutter ist jetzt im Stress und verwirrt. Dauernde Korrekturen kommen oft schlecht an. Der Patient fühlt sich vielleicht gegängelt und nicht ernst genommen oder gar als Lügner/in gebrandmarkt. Das bleibt nicht ohne Folgen, macht Druck und Unsicherheit (=schlecht für die Genesung und die Seele) und kann eure Beziehung nachhaltig stören. So fremd wie dir die Phantasien deiner Mutter sind, so fremd werden ihr deine „Belehrungen“ sein.

Klare Grenzen, ob widersprechen oder nicht, gibt es wohl keine, da ist dein Gespür gefragt. Aber nach deiner Art und Weise wie du schreibst zu urteilen, schaffst du das bestimmt. Hab keine Hemmungen, auch mal falsch zu liegen.

Nebenbei: Ich „erlebte Dinge“, von denen ich bis heute überzeugt bin, sie real erlebt zu haben. Die inzwischen wieder eingekehrte Vernunft sagt mir aber, das kann niemals gewesen sein.

Medikation mit Psychopharmaka
Von Depressionen in dem Sinn wurde ich zum Glück verschont; Mit meinen Stimmungsschwankungen war ich dennoch vollends bedient. Das alles war manchmal schwierig.

Man geht heute davon aus, dass sich „Post Stroke Depressionen“ teilweise besser behandeln oder gar weitgehend vermeiden lassen, wenn sofort nach dem Ereignis eine Medikation erfolgt. Die Wissenschaft ist diesbezüglich aber noch nicht sehr weit. Ich weiss, dass einige Versuche aus rechtlichen Gründen abgebrochen wurden, weil die Medikamente nicht für diese Anwendung zugelassen sind.

Ich würde das Thema mit den behandelnden Ärzten besprechen.

Liebe Grüsse
Christoph

Deine Beiträge und Erklärungen sind immer klasse! 

Gerald 

 

#7
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe Katinka,

ich möchte Dir wegen der "Phantasien / Verwirrtheit" Deiner Mutter ein wenig Mut machen. Vielleicht hast Du ja meinen Betrag gelesen: Mein Sohn hatte vor genau sieben Wochen einen Unfall mit schweren Gesichtsverletzungen und letztendlich auch mit einer Blutung im Kleinhirn. Nachdem diese Blutung eingesetzt hatte, war er total aufgekratzt, hatte Halluzinationen, meinte immer wieder er müsse zur Arbeit, habe einen Termin etc. Er war teilweise sogar so aggressiv, dass er fixiert werden musste, da verhindert werden sollte, dass er wieder stürzt. Dieser Zustand war bei meinem Sohn dann zwischenzeitlich ganz weg. Wir atmeten auf und dachten, das sei überstanden.... aber am nächsten Abend (es war wirklich abends und nachts immer am schlimmsten) dachte er wieder, er sei in einem Restaurant oder er sah einen Freund, den ich wieder weggeschickt hätte etc. Aber seit jetzt zweieinhalb Wochen ist dieser Zustand nicht mehr aufgetreten.... Bei deiner Mutter sind es erst zwei Wochen.... Vielleicht gibt es sich bei ihr auch bald. Ich hab' auch oft versucht, meinem Sohn zu erklären, dass das doch nicht sein kann, weil er doch in der Klinik liege, er sei gestürzt etc.... aber ich glaube, das hat ihn dann noch verwirrter gemacht in seinem Zustand. Wir hoffen jetzt darauf, dass er bald wieder alleine stehen und laufen kann, da das durch Gleichgewichtsstörungen im Moment nicht möglich ist. Aber die Ärztin, mit der ich heute gesprochen habe, ist zuversichtlich, auch wenn es noch langer Weg sein kann.

Liebe Grüße

Gisela

 

 

#8
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Unbekannt

Gelöscht

Guten Abend zusammen,

ich bin euch sehr dankbar dafür, dass ihr mir mit euren Erfahrungen, Ratschlägen und Anteilnahme zur Seite steht. Gerade in einer solch schwierigen Lebensphase ist es elementar wichtig mit Menschen zu kommunizieren, die selbst oder als Angehöriger ein ähnliches Schicksal erlebt haben. Leider, und jetzt muss ich mein Herz einmal ausschütten, habe ich in der letzten Zeit wenig aufrichtiges Mitgefühl gegenüber meiner Mutter erfahren. Es sind so viele Menschen die sich in allen erdenklichen Formen nach dem Gesundheitszustand erkundigen, aber echte Anteilnahme ist selten dabei. Eher habe ich das Gefühl, dass diese Menschen nur auf den neusten Klatsch und Tratsch aus sind. Von Verständnis für diese Situation will ich erst gar nicht reden/ schreiben. Habt ihr auch diese „leidvolle“ Erfahrung gemacht? Ich finde es nicht nur schade, sondern auch extrem kräftezehrend. 

@ Angie:

Vielen Dank auch dir für deine Antwort und die lieben Wünsche.
Mir ist es fast egal, wie sie mich nennt. Von mir aus darf sie auch Mary Poppins zu mir sagen, wenn es ihr hilft und trotzdem mich als Person dahinter sieht. Ich bin eigentlich kein Mensch, der andere gerne korrigiert und lasse im alltäglichen Leben solche oder andere „Fehler“ einfach im Raum stehen. Aber in dieser Situation mit meiner Mutter bin/ war ich mir extrem unsicher.

 

@ Christoph: 

„Zuerst, ich bin selber betroffen aber kein Arzt. Ich kann also nur meine persönliche Erfahrungen und Meinung äussern.“ > Und genau das wünsche ich mir auch in diesem Forum. Ärzte, Pfleger und sonstiges medizinisches Fachpersonal sehe und spreche ich momentan genug 🙂

Ich habe heute deine Ratschläge angewendet und sie wirklich selten und nur sehr sanft korrigiert. Es nimmt der ganzen Situation ein wenig die Ernsthaftigkeit. Diese andere Welt ist ihr momentaner Schutz vor den ganzen realen Problemen, die sie vermutlich überfordern würden. Und seitdem ich das erkannt habe, fällt es mir auch viel leichter diese Situation anzunehmen. Teilweise musste ich wirklich drüber schmunzeln, wenn sie so Dinge sagt, wie...“Morgen räume ich mein Konto leer und dann gehen wir beide schön zusammen shoppen.“ Dazu muss man sagen, dass meine Mutter eigentlich eher sparsam ist und somit gar nicht ihrem Naturell entspricht. 

Mir ist aber noch was anderes aufgefallen. Und zwar gab es heute morgen und vor einer Woche die Situation, dass meine Mutter ganz ruhig und nachdenklich war. Dieser Zustand hielt längere Zeit an und ich gehe davon aus, dass sie in diesen Momenten die Tragweite Ihres jetzigen Zustandes/ der Realität begriffen hat. Sie war in diesen Situationen zwar sehr still, wirkte irgendwie apathisch, aber paradoxerweise auch sehr klar. Kennst du diese Phasen von dir auch?

„Medikation mit Psychopharmaka
Von Depressionen in dem Sinn wurde ich zum Glück verschont; Mit meinen Stimmungsschwankungen war ich dennoch vollends bedient. Das alles war manchmal schwierig.

Man geht heute davon aus, dass sich „Post Stroke Depressionen“ teilweise besser behandeln oder gar weitgehend vermeiden lassen, wenn sofort nach dem Ereignis eine Medikation erfolgt. Die Wissenschaft ist diesbezüglich aber noch nicht sehr weit. Ich weiss, dass einige Versuche aus rechtlichen Gründen abgebrochen wurden, weil die Medikamente nicht für diese Anwendung zugelassen sind.

Ich würde das Thema mit den behandelnden Ärzten besprechen.“ > Ich habe es heute angesprochen und sie werden das Thema in der Reha weiter verfolgen. Zum Glück ist die Frühreha in der Klinik in der meine Mutter gerade behandelt wird. So hat sie immer die gleichen Ärzte um sich rum, die über ihre Krankengeschichte genauestens informiert sind. Sie wird übrigens morgen dorthin verlegt, sofern kein weiterer Zwischenfall eintritt.

„Nebenbei: Ich „erlebte Dinge“, von denen ich bis heute überzeugt bin, sie real erlebt zu haben. Die inzwischen wieder eingekehrte Vernunft sagt mir aber, das kann niemals gewesen sein.“ > Darf ich fragen, wie lange du in dieser „anderen Welt“ warst? Wann hast du in „unsere Realität“ zurückgefunden? Ich weiß, dass jede Krankengeschichte anders verläuft, aber es würde mich einfach interessieren....

 

@ Gerald: Da kann ich dir nur zustimmen.... zumindest was die Beiträge in diesem Thread betrifft ;–)

 

Gute Nacht und passt auf euch auf!

Katinka

#9
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe Gisela,

auch dir herzlichen Dank für deine aufmunternden Zeilen. 
Ich habe die Geschichte deines Sohnes bereits gelesen und war froh zu erfahren, dass sich bei ihm die Verwirrung gelegt hat. Froh, weil es ihm diesbezüglich besser geht und weil ich durch solche Berichte Hoffnung für meine Mutter sehe.
Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass euer Sohn bald wieder laufen kann…

#10

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Morgen Katinka

„… wenig aufrichtiges Mitgefühl …“
... das ist die Realität. Zwei, drei wirklich wertvolle Personen bleiben euch bestimmt übrig.

„dass sie in diesen Momenten die Tragweite Ihres … Zustandes… begriffen hat“
Das kann sein, kenne ich für mich so nicht. Ich bin seit dem Schlaganfall immer wieder abwesend. Allerdings ist das bei mir meist eine kurze „Leere“ infolge einer vorausgegangenen Reizüberflutung. … oder wenn ich vergesse, was ich sagen wollte … oder wenn ich ein Wort nicht finde und ich mich dann in Gedanken verliere. Bis ich die Tragweite meines Schlaganfalles begriff, verging bestimmt ein halbes Jahr.

„… wie lange du in dieser „anderen Welt“ warst?“
Für dich als „Nichtbetroffene“ wirkt das Ganze befremdend, logisch. Ich glaube aber, in Wirklichkeit ist diese Störung wohl eher harmlos und sollte nicht überbewertet werden. So wie du die Situation beschreibst stelle ich mir vor, dass deine Mutter jeden Tag etwas klarer wird. Und mit wiederkehrendem „Verstand“ (ich finde das passende Wort nicht) wird sie schnell lernen, mit dem Chaos umzugehen und die Dinge wieder einzuordnen.

Zu deiner Frage:
Ich war nicht in einer anderen Welt (glaube ich wenigstens). Doch ich habe vieles durcheinander gebracht, vieles nicht kapiert und mir tausend Dinge eingebildet. Ich glaube, dass ich nach ein, zwei Monaten halbwegs klar war. Aber ich kann auch heute nach fünf Jahren manchmal nicht sicher unterscheiden, ob ich mir etwas einbilde, es träumte oder ob es eine reale Gegebenheit ist. Ich frage dann meine Partnerin, wenn ich die Antwort mit meinem Hausverstand nicht finde.

Beispiel meiner ersten Wahrnehmung nach dem Ereignis: Ich kann mich noch „gut erinnern“, wie ich in der Intensivstation „im Fernsehen einen Krimi geschaut habe“. Ja, das ist völlig wirr - aber der Krimi war spannend 🙂 Übrigens: Ich schaue in der Realität keine Kriminalfilme, nie!
Gleichzeitig erinnere ich mich aber wirklich, wie eine liebe Pflegerin, noch bevor ich wirklich bei Bewusstsein war, ganz, ganz lieb mit mir schimpfte, weil ich mir irgend welche Schläuche weg riss. Ich mag mich auch real erinnern, dass ein Arzt, als ich langsam zu Bewusstsein kam, mich ansprach mit: „Herr Sowieso verstehen Sie mich? Sie hatten einen Hirninfarkt und Sie sind jetzt im Soundso Spital...“.

Vermeintlicher „Fernsehkrimi“, reale Pflegerin und genau so realer Arzt dürften sich innerhalb weniger Stunden abgespielt haben. Also, ein Mix aus Phantasie und Wirklichkeit.

Und nun stell dir vor, du hättest mich an jenem Tag besucht und ich erzählte dir vom tollen Krimi ….? 🙂

Den Rest hat mein Hirn wohl selber erledigt, an die erste Zeit fehlt mir weitgehend die Erinnerung.

Liebe Grüsse
Christoph


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Etcetera« (20.11.2019, 10:11)
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