Hallo Daniel,
leider kann man nicht voraussagen, ob und wie sich die Sprachprobleme entwickeln.
Das kommt zum einen Teil darauf an, welcher Bereich des Gehirns wie stark betroffen ist und wie sich die Sprachzentren im Gehirn deiner Mutter genau verteilen (ist bei jedem Menschen etwas anders). Da sie einen Schlaganfall in der linken Gehirnhälte hatte, ist also das Sprachzentrum in Mitleidenschaft gezogen worden. (Liegt bei den meisten rechtshändern in der linken Hirnhälte). Dies unterscheidet sich von einem Schlaganfall in der rechten Hirnhälfte, bei welchen die Betroffenen meist (wenn sie keine Linkshänder sind) überhaupt keine oder nur kurzzeitige Beeinträchtigungen der Sprache haben. Dies nur zum Verständnis, denn häufig kommen Bekannte und irgendwer kennt wen, der nach 2 Monaten wieder reden konnte und so weiter und man wartet als Angehöriger auf den Durchbruch - das ist eben alles nicht vergleichbar, leider.
Zum anderen Teil kommt es auch darauf an, wieviel Energie deine Mutter dann hat und welche anderen Beeinträchtigungen noch vorliegen. Das Gehirn ist theoretisch in der Lage, die verlorenen Fähigkeiten in anderen Gehirnteilen neu zu erlernen. Das braucht Zeit und Kraft / Energie. Wenn die zur Verfügung stehende Energie (die nach einem Schlaganfall unter Umständen recht niedrig ist) auf die Wiedererlernung vieler verschiedener Fähigkeiten aufgeteilt werden muss, dauert es entsprechend länger. Das war jetzt mal ganz vereinfacht ausgedrückt um es etwas besser zu verstehen. Dann kommt dazu, dass diese "Plastizität" des Gehirns bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist. Es gibt Menschen die haben schon immer schnell gelernt, so wie es Menschen gibt, die sich mit dem erlernen von Neuem schon immer schwer getan haben.
Die Sprachfähigkeiten unterteilen sich dann auch nocheinmal voneinander. Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben werden jeweils anders verabeitet. Das heisst: Jemand, der gut verstehen kann, kann nicht unbedingt gut sprechen oder jemand, der wieder gut lesen kann, kann nicht gleichzeitig laut lesen (fehlende Sprachprosuktion) oder gut schreiben.
Dazu gibt es aber inzwischen sehr gute Literatur. Mir hat das sehr dabei geholfen, alles zu verstehen, zu helfen und auch die anderen Angehörigen etwas "einzuweisen", so dass alle an einem Strang ziehen und damit auch gleichzeitig gut helfen können.
Was könnt ihr tun, damit es schneller geht?
Seid stark und zuversichtlich und strahlt das alle drei deiner Mutter gegenüber auch aus. Kommt mit einem freudigen Lachen zum Besuch und freut euch jedesmal darüber, dass es sie noch gibt und dass sie überlebt hat. Lasst eure eigene Trauer, Zweifel, Ängste, Probleme, Stress und alles Negative absolut und konsequent draussen und bringt nur das Positive mit. Bestärkt eure Mutter, gebt ihr das Gefühl von Sicherheit, gebt ihr Hoffnung , sagt ihr jeden Tag, wieviel besser sie schon wieder aussieht, wieviel besser sie dieses und jenes macht, auch wenn es nur klitzekleine Dinge sind.
Versucht auch nicht, übermotiviert Sprach- oder Schreibunterricht zu geben. Ohne Ahnung der Zusammenhänge ist das für den Betroffenen bei aller Begeisterung nur Demotivierend. Überlasst das den Therapeuten und wenn ihr unsicher seid, dann fragt nach, ob ihr helfen könnt. Ansonsten kann es passieren, dass ihr übt und übt und übt und übt und eure Mutter von mal zu mal trauriger und hoffnungsloser wird. Erreicht wurde dann genau das Gegenteil von dem, was erreicht werden sollte und vielleicht auch gleichzeitgi noch die therapeutische Arbeit der Logopädin torpediert.
Seid für euch da - alle drei. Wechselt euch ab (deine Mutter hat viel mehr davon, wenn ihr abwechselnd da seid und kann in der jetzigen Phase sicher mehr mit einem, als mit mehreren anfangen) und verfallt nicht in Hektik oder Besuchsstress. Es ist zwar total langweilig in der Reha - für einen Aphasiker nochmal um den Faktor 100 langweiliger - , aber immer noch besser, der Besuch ist entspannt, ausgeglichen und ausgeruht, als wenn deine Mutter sich wegen drei vollkommen abgehetzten Familienmitgliedern Sorgen machen muss. Dann lieber einmal nicht kommen, dafür abe jedes mal sehr intensiv da sein. Sonst kommt beim Betroffenen schnell noch die "Zur Last fallen"-Sorge dazu.
Vergesst nicht, euch auch um euch selbst zu kümmern, Freizeit und Freunde nicht aufzugeben, denn ihr braucht die Kraft. Wenn möglich, sucht euch psychotherapeutische oder seelsorgerische Unterstützung und viele Leute zum reden.
Liebe Grüße