Hallo Nimbus,
wie gesagt, so schlimm war es bei mir/uns nie. Du hast ganz schön viel zu schlucken. Hast Du wenigstens jemanden bei dem Du mal Deine Last abladen kannst, der Dich in den Arm nimmt, der, wenn’s Not tut auch mal mit Dir weint und Dir trotzdem wieder Zuversicht gibt? Ich wünsche Dir das sehr und kann Dir nur raten, Dich schnellst möglich nach einem Psychologen, Selbsthilfegruppe o.Ä. umzusehen. So etwas hältst Du nicht jahrelang aus ohne Schaden an der Psyche/Seele zu nehmen. Nicht ohne Unterstützung.
D.h. ich kann nicht wirklich unterstützen. Aber evtl. bringt Dich ja der eine oder andere Gedanke weiter- und vielleicht taucht hier auch noch ein Betroffener auf.
Weshalb glaubst Du, dass Deine Frau Dich nicht versteht? Sie ist (wenn auch nicht immer und nur wenig) in der Lage sich zu artikulieren. Versteht sie nur das was ihr nicht passt nicht? Bei Deiner Frau könnte das auch eine gute Taktik sein um den eigenen Willen durchzusetzen.
Wie hast Du damals auf ihren Satz "ich will tot sein" reagiert? Bist Du darauf eingegangen, oder hast Du ignoriert? Was hat das mit Dir gemacht?
Wieviel sprichst Du mit Deiner Frau? Erzählst Du ihr von Deinen Ängsten, Sorgen und Nöten? Berichtest Du über die schönen Dinge die Dir begegnet sind? Wie oft ist sie alleine? Wie alt seid ihr?
Was weißt Du über Aphasie und ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen?
Ohne eine Patientenverfügung hätte ich mich an Deiner Stelle auch nicht darauf eingelassen sie nicht in KH zu fahren oder den Notruf zu tätigen. Und versprochen hätte ich da auch nichts. Wer das ernsthaft nicht möchte, der hat auch die Verantwortung dafür zu sorgen, dass das ungestraft umgesetzt werden kann. Das hat sie nicht, also hältst Du Dich an das was Deine Werte und die Gesetzeslage vorgeben. Und selbst mit Patientenverfügung ist das so eine Sache. Mein Mann z.B. hat vor seinem Schlaganfall immer die Meinung vertreten, dass er lieber tot wäre als zum Pflegefall zu werden. Vor Demenz hatte er eine Heidenangst, an Schlaganfall dachte er nie. Nun, eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass er sehr unter seinen Einschränkungen leiden wird, aber dem ist nicht so. Er beteuert immer wieder glaubhaft, dass er glücklich ist. Menschen und ihre Haltungen ändern sich manchmal wenn eine bestimmte Situation eintritt - das erlebe ich mit meinem Mann nicht zum ersten Mal. Insofern würde ich mir keine Vorwürfe machen. Aber ich würde versuchen mit meinem Angehörigen über das zu sprechen was da im Raum schwebt ..wieder und wieder.
... Ich möchte tot sein....
Ja, das ist eine Hausnummer. Für Sie und für Dich. Darüber schweigen macht alles nur schwerer. Ich möchte Dir Mut machen Dich damit mit ihr auseinander zu setzen. Wähle einfache Wörter und Sätze - und stehe zu Deiner Position!
Mein Mann hatte vor seinem epileptischen Anfall ebenfalls depressive Phasen (ob das eine Depression war, ob das Vorboten seines Grand Male waren, oder ob er einfach nur nicht mehr mochte werde ich aufgrund seiner Aphasie und Erinnerungslücken wohl nie erfahren). Manchmal hat er auch heute noch antriebslose Phasen die mir Angst machen und manchmal auch zornig. Und dann werde ich SEHR deutlich.
Schau mal in den Strang "Depression, Antriebslosigkeit" rein. Evtl. kannst Du da noch den einen oder anderen Gedankenanstoss mit nehmen.
Ich sage z.B. meinem Mann was es mit mir macht wenn er sich hängen lässt. Dass ich dann traurig, verzweifelt, wütend, enttäuscht und hoffnungslos bin. Und dass ich dann meinen MANN vermisse (auch wenn er körperlich anwesend ist) Mir aber seine Bereitschaft die Situation zum Besseren zu wenden Kraft gibt. Und dass ich froh bin, dass er noch bei mir ist und dass ich mit ihm noch viele schöne Dinge erleben möchte. Es gibt auch Schönes was man körperlich eingeschränkt erleben kann. Aber dazu benötige ich seine Unterstützung und seinen Willen die Situation zu verbessern. Ich habe nicht mehr die Kraft, neben dem anstrengenden Alltag, gegen sein Phlegma anzukämpfen. Wenn er nicht kämpfen mag, dann liebe ich ihn trotzdem noch, aber dann werde ich wieder mehr das Leben nach meinem Bedürfnissen ausrichten.
Ich gebe zu, diese „Predigten“ wirken nie lange. Aber einige Tage trägt das schon.
Nein, ich erspare ihm meine Emotionen nicht (mehr). Und manchmal denke ich, dass er diese Emotionen auch braucht weil er dann daran erinnert wird, dass sein Hier sein .. in diesem Leben und bei mir.. wichtig ist.
Er versteht das sehr gut - obwohl er eine ausgeprägte Aphasie hat. Und es hat dazu beigetragen, dass mein Mann wieder ansatzweise etwas mit Gefühlen anfangen kann (das schien bei ihm in weite Ferne gerückt zu sein). Er kann wieder trösten – nicht immer, aber immer häufiger. Vor 2 Jahren hat er, glaube ich, weder Zorn noch Angst noch Trauer erkannt. Insofern – nicht in Watte packen!
Wie oft erhält sie die Therapien? Was sagt die Logopädin über ihre Fähigkeiten? Hat sie kognitive Probleme? Wird Hirnleistungstraining gemacht? Weshalb Physio nur als Fusszonenreflexmassage? (wobei das eine gute Anregung war. Danke für den Tipp).
Ja, die Ärzte..auch so ein Thema …. habt ihr einen Neurologen? Falls nicht, dann wäre das für mich der nächste Versuch. Schon alleine weil sie tatsächlich unter einer Depression leiden könnte. (siehe auch der Beitrag von Angie im vorgeschlagenen Strang) Ist Deine Frau in der Lage mit Dir zu einem Neurologen zu fahren?
Solche Ausraster würde ich übrigens filmen. Und wenn sie nur dazu dienen den Ärzten klar zu machen mit welchen Problemen Du zu kämpfen hast und Deiner Frau in klaren Momenten was sie Dir zumutet. Meine Erfahrung mit einigen Ärzten ist nämlich, dass einige den Angehörigen nicht trauen oder meinen man übertreibt. Mir hat man z.B. von Geldgier (danke, aber ich bin finanziell unabhängig) bis hin zu Bequemlichkeit (ja, prima, deshalb habe ich auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass mein Mann trotz Diagnose „Schwerstpflegefall, suchen sie einen Pflegeplatz“ so weit in der Reha kam, dass ich ihn mit in ein Haus mit Treppen nehmen konnte.
Was die Sondennahrung angeht... Mein Mann hat die zum Glück nur kurze Zeit benötigt. Nestle war sowieso inakzeptabel weil da Carrageen enthalten ist was bei meinem Mann zu Krämpfen/Koliken führt Und Fresenius fand er wohl ekelig. Da hat er verweigert. Ich war heilfroh, dass er nach 3 Wochen langsam an die normale Nahrung herangeführt werden konnte. Hat denn Deine Frau diesbezüglich Begleitung von ihrer Logopädin? Wird an ihrer Schluckstörung gearbeitet? Sind Dir die Übungen bekannt die dabei unterstützen können dass es wieder besser wird? Könntest Du sie mit gutem Essen motivieren wenn das Schlucken wieder besser wäre?
Kommt Deine Frau in die Sonne? Das kann (auch wegen der Förderung von D3) die Stimmung heben. Andernfalls würde ich diese Blutwerte mal prüfen lassen und ggf. mit der Sondennahrung zuführen.
Was die Körperpflege und die ausgelasteten Pflegedienste.. Ich habe keine Ahnung ob das hier etwas taugt: Häusliche Pflege aus Ihrer Nachbarschaft | Pflegix - aber anschauen kannst Du Dir das ja mal. Bei uns gibt es noch die sogenannte Nachbarschaftshilfe die zwar keine Körperpflege betreibt aber (über die 125€ abrechenbar) beim Putzen und Einkaufen aber auch als Gesellschafter unterstützt.
Hast Du mal über Tagespflege nachgedacht? Und sei es nur 1-2x in der Woche. Deine Frau käme unter Leute und Du hättest auch mal Raum für Dich. Wenn Du nicht sofort einen Platz bekommen solltest, dann auf eine Warteliste setzen lassen (und klar machen, dass Du das alles alleine stemmst – Vernünftige Heime ziehen diese Fälle vor)
Das hier könnte so ein ähnliches Angebot sein: Anlaufstelle Nachbarschaft: AWO Kiel (awo-kiel.de)
Die Links auf dieser Seite (VDEK, BKK + AOK) könnten auch Unterstützung bringen: Pflege - Rat und Hilfe - Hilfen für Angehörige - schleswig-holstein.de
Genesung fördern: Du hast geschrieben, dass es eine Zeit gab, in der sie Fortschritte machte. Also kann man auch davon ausgehen, dass durchaus Potential (wieviel auch immer) vorhanden ist und ihr wohl mehr die Psyche einen Streich spielt.
Da Dir die Ärzte nicht helfen (ja, ich kenne dieses Schulterzucken auch), würde ich es mit
- Vitaminen (gibt es auch in Tropfenform – D3 + B12 + Q10, Magnesium – Du kannst auch nach „Vitamin Tropfen Kinder“ googeln. Dann werden Dir Mischungen gelistet) Den D3 und B12-Status würde ich vom Arzt untersuchen lassen. D3 kann fehlen weil sie nicht/wenig in die Sonne kommt. B12 aufgrund des Alters und der Ernährung.
- Musik
- Sonne/Licht (wenn sie nicht raus kann, dann eine Tageslichtlampe)
- Streicheln
- Singen (versuchs mal, selbst schwer betroffene Aphasiker können Liedertexte obwohl sonst die Sprache versagt. Mein Mann war dazu schon Wochen nach seinem Schlaganfall dazu in der Lage. Alle Strophen eines Volksliedes – ich habe nicht schlecht gestaunt. Und das zu einer Zeit in der noch nicht einmal Ja und Nein verlässlich eingesetzt werden konnte. Singen hebt die Stimmung „Marmor, Stein und Eisen bricht.. „ ist z.B. bei meinem Mann ein guter Stimmungsheber.
Ja, manche werden hier sagen „wie kann man Vitamine einsetzen ohne dass man die Ärzte einbindet“ – Ich sage: Die Ärzte lassen Dich im Stich und was kannst Du bei dem Zustand Deiner Frau schon noch falsch machen? Wenn Du nichts unternimmst ist das Ende absehbar. Abgesehen davon wurde D3 und B12 tatsächlich von unserem Neurologen nahe gelegt – D3 zumindest in den Wintermonaten.
Deine Aussage „Ob eine Depression vorliegt weiss ich nicht, die Diagnose ist ja auch schwierig. Da prophylaktisch zu therapieren halte ich nicht für angemessen.“ verstehe ich aber nicht. Riskierst Du lieber, dass Deine Frau in eine Depression abgerutscht ist und niemand etwas macht? Die Frage ist doch… was ist schlimmer? Einige Wochen testweise Medikamente einzunehmen die sie evtl. gar nicht benötigt, oder in einer Depression gefangen zu sein? Ich erlebe Deine Frau nicht, also kann ich es nur anhand Deiner Beschreibung bewerten. Das was ich so lese würde dazu führen mich mit Medizinern diesbezüglich auseinander zu setzen. Notfalls, wie geschrieben, mit Filmmaterial unterlegt damit der Arzt auch weiss wovon Du redest.
Dir alles Gute!
Amsel
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »
Amsel« (13.05.2022, 18:24)