...., habe ich in der letzten Zeit wenig aufrichtiges Mitgefühl gegenüber meiner Mutter erfahren. Es sind so viele Menschen die sich in allen erdenklichen Formen nach dem Gesundheitszustand erkundigen, aber echte Anteilnahme ist selten dabei. Eher habe ich das Gefühl, dass diese Menschen nur auf den neusten Klatsch und Tratsch aus sind. Von Verständnis für diese Situation will ich erst gar nicht reden/ schreiben. Habt ihr auch diese „leidvolle“ Erfahrung gemacht? Ich finde es nicht nur schade, sondern auch extrem kräftezehrend.
Liebe Katinka,
ja, es ist kräftezährend und ja, ich erlebe genau das auch. Ewig lange Telefonate in denen ich auch noch trösten "darf" und man Unterstützung zusagt (der nicht Wunder weiß wie zeitfressend gewesen wäre, aber mich mental entlastet hätte) - und dann höre und sehe ich wochenlang nichts mehr. Überraschender Weise ist mir unsere Nachbarin eine Stütze mit der wir nie sonderlich engen Kontakt hatten. Nicht weil sie viel tut, aber weil sie wirklich interessiert zuhört und weil sie aufgrund eigener leidvoller Erfahrungen was Hirnschädigungen angeht gute Tipps gibt ohne aufdringlich zu sein. Sie war bis jetzt auch die Erste und Einzige, die mir für meinen Mann ein kleines Geschenk und eine Karte mit wirklich lieben (nicht oberflächlichen) Worten mitgegeben hat. Mein Mann hat gestrahlt (und ich auch - weil er sich so gefreut hat und weil sich ein im Grunde fremder Mensch um ihn Gedanken gemacht hat)
Von den Menschen die meinen Mann schon lange kennen, denen er überwiegend in all den Jahren viel Gutes getan hat, da kommen meist seltsame Reaktionen. Wie gesagt, entweder darf ich trösten, man merkt dann aber auch gleichzeitig, dass gar nicht verstanden wird was man erzählt oder aber es sind so oberflächliche Floskeln die geäussert werden, dass man sich schon fragt ob das Gegenüber überhaupt versteht von was die Rede ist.
Dass da 2-3 Menschen übrig bleiben wie das Christoph schreibt wage ich in Frage zu stellen. Schön wäre es - ich glaube nur nicht daran. Und ganz ehrlich - ich glaube, ich persönlich werde bei den meisten auch gar keinen Kontakt mehr anstossen. Da das aber überwiegend die Freunde/Bekannten meines Mannes betrifft, werde ich mir aber auch jeden Kommentar bei evtl. neuen Anrufen in der aktuellen Phase verkneifen weil ich meinem Mann alle Wege offen lassen möchte sofern der dazu irgendwann in der Lage ist sie zu gehen und das dann auch möchte.
Im Moment ist das ja mehr mein Problem und weniger das meines Mannes. Es macht verdammt einsam wenn man alles alleine organisieren, bedenken/beachten und auch .. ja.. aushalten muss. Ich habe aber auch große Angst davor wie mein Mann reagieren wird, wenn er realisiert, wie sein altes Umfeld sich verhalten hat. Und ich gehe auch davon aus, dass wir auch in Zukunft einen sehr sehr kleinen Bekanntenkreis haben werden (wenn überhaupt). Letzteres führt dann auch dazu, dass ich Ängste entwickle was die Zeit nach der Reha angeht. Denn dann sind mein Mann und ich auf uns allein gestellt. Zumindest sieht es derzeit danach aus.
Ich hoffe für Dich, dass bei Dir wenigstens noch Familie da ist die unterstützt!
Übrigens.. ab und zu bin ich auch in der Lage das Verhalten der Bekannten positiv zu sehen .. ich sage mir dann immer "somit verplempere ich meine Lebenszeit nicht mehr mit Menschen die es nicht wert sind". Und aufgrund anderer Tiefphasen in der Vergangenheit meines Lebens bin ich mir auch sicher, dass die alte Lebensweisheit "wenn eine Tür zuschlägt geht eine andere dafür auf" stimmt und ich nur im Moment keine Zeit dafür habe die offenen Türen zu erkennen.
Liebe Grüße
Amsel