Hallo Amsel, ich bin wieder baff, du erzählst im Grunde genommen meine Geschichte.
Ja, liebe Marganna, fast schiele ich neidisch darauf, dass Dein Mann noch sein volles Erinnerungsvermögen hat. Was würde mir das das Leben erleichtern .. hach ja
Das kenne ich, ich bin neidisch auf alle Mitmenschen, die ihr "normales" Leben haben, so wie wir früher auch.
Im Moment traue ich mich meinen Mann 2 - 2,5 Std. alleine zu lassen. Ich habe keine Alternative wenn ich meine Mutter im KH besuchen möchte weil es niemanden hier im Umfeld gibt der sich kümmern würde.
Das mit dem für mehrere Stunden alleine lassen müssen wir noch üben, aber ich habe leider auch keine Alternative, niemand der sich kümmern könnte oder wirklich kümmert (aus der Familie). Großen Worten folgen nur kleine Taten.
Im Grunde funktioniert das auch mit einem gewissen Restrisiko das der Gestalt ist, dass mein Mann auch gerne mal Dinge tut die unsicher sind (wie z.B. die Hauseingangstreppe zu nutzen die noch auf das Geländer wartet oder gesagten Sprudelkasten in den Keller schleppt). Ok, es ist bisher gut gegangen - eine kleine Spur Glück war da m.E. aber auch dabei.
Restrisiko ist ein gutes Stichwort, ich bin mir nicht so ganz sicher auf welche Ideen mein Mann evtl. kommen könnte. Er denkt ja, er kann das alles und es ist alles nicht so schlimm, ich dramatisiere die Situation...
Aber was habe ich denn für Alternativen? Es ist unmöglich 24 Std. bei Fuss zu sein und einer meiner Probleme mit meinem Mann ist, dass er ein Problem damit zu haben scheint, dass seine Frau ihn einschränkt oder die Richtung vor gibt. Ja, ich hab's auch schon anders versucht, nur ist das Ergebnis das gleiche und ich komme gar nicht mehr zum Arbeiten.
Ja, das Problem mit dem sich bevormundet vorkommen gibt es bei uns auch. Mein Argument, dass ich es nur gut meine, verpufft im Wind.
Ich kann Dir gar nicht beschreiben wie fertig mich das anfangs gemacht hat, dass er Absprachen nicht einhält und nur mit den Schultern zuckt. Inzwischen vertrete ich (oder versuche es zumindest) die Meinung, dass er durchaus selbst weiss was er tut (mein Mann ist ein sehr sicherheitsbewusster Mensch - auch jetzt noch!) und er im worst case dann eben mit den Konsequenzen leben muss. Es gab vorher so fiese Diskussionen (ja, man kann auch mit wenigen Worten richtig gemein werden), dass ich diese Haltung aus reinem Selbstschutz eingenommen habe.
Doch, ich glaube dir auf's Wort wie fertig dich das gemacht hat und bewundere deine Einstellung dazu, dass er selbst mit den Konsequenzen leben muss. Das ist natürlich richtig, aber du musst das auch und davor versuche ich mich und ihn zu bewahren. Mir fehlt langsam die Kraft, noch eine Katastrophe kann ich glaube ich nicht mehr kompensieren.
Mein Hauptproblem mit meinem Mann ist übrigens weniger das was man mit einem Schlaganfall verbinden würde. Mich bringt vielmehr seine (vermeintliche?) Emotionslosigkeit ins Schleudern die er mir gegenüber an den Tag legt. Ich habe einen Mann zu Hause der auf emotionaler Ebene nur noch sehr wenig mit dem gemein hat, den ich vor dem Schlaganfall hatte. Der Gedanke mit einem derartigen Roboter (so fühlt sich das manchmal an) bis ans Ende seiner oder meiner Tage zusammen leben zu müssen, der gruselt mich (und ich hoffe und hoffe und hoffe, dass das nur eine Phase ist)
Da drücke ich dir ganz fest die Daumen! Aber das ist doch auch die Folge des Schlaganfalles, oder? Mein Hauptproblem sind die kognitiven Defizite und die sind wohl leider keine Phase. Ich befürchte, das was kaputt ist bleibt auch kaputt. Und ja, das macht mir auch große zusätzliche Zukunftsängste.
Beim Stichwort "Contenance" musste ich breit grinsen. Diese Aussage hätte von mir sein können. Aber so sehr wie jetzt habe ich sie nie verloren. Scheixxe - ich glaube, ich kann mir derzeit selbst nicht leiden. Senkrecht hält mich nur das Wissen, dass bisher jede "Lebens-Katastrophe" (und ich hatte einige davon) vorbei ist und es in der Vergangenheit immer besser als vorher lief. Ich klopfe mal auf Holz.
Auch die Lebenskatastrophen haben wir gemeinsam. Ich bin zwar immer wieder aufgestanden, aber der Preis dafür war hoch, ich habe viele Krankheiten bekommen, die sicherlich durch meine schlimme seelische Verfassung entstanden sind. Dann noch der Schlaganfall meines Mannes, das war/ist einfach zu viel.
Tja, warum gehe ich mit meinen Ängsten/Unsicherheiten... mit meiner Not .. so offen um? Ich glaube, weil ich andernfalls längst reif für die Psychiatrie wäre. Alles was man ans Licht zerrt, wird weniger schlimm. Im Dunkeln.. wenn man sich schämt.. erst dann wird aus Grau Schwarz. Und ich freue mich, wenn ich Dich damit erreichen und Dir dieses schlimme Gefühl der Verlorenheit/Einsamkeit etwas abmildern konnte. Genau so geht es mir auch, wenn ich mich damit nicht verstecke. Real wäre das in der Form nicht möglich. Ich kenne niemanden der das auch nur im Ansatz verstehen würde.
Da bin ich wieder ganz bei dir. Niemand in meinem Umfeld kann auch nur annähernd nachvollziehen, was das bedeutet. Trotz aller gutgemeinten Angebote kann mir auch niemand wirklich helfen. Wer will mir die Sorgen, Ängste und seelischen Nöte abnehmen? Damit bin und bleibe ich alleine.
Außerdem hat mir diese Offenheit auch Geschenke bereitet. Nämlich dass einige User hier ihre Erfahrungen, Gefühle, Gedanken mit mir / uns geteilt habe. Ich bin sicher, ohne den einen oder anderen Beitrag hätte ich in der Vergangenheit noch mehr "gerudert".