Hallo Marganna,
zum Glück nur der ganz normale Wahnsinn. Zuletzt war's ne verstopfte Toilette die mich auf Trab gehalten und jede Planung über den Haufen geworfen hat.
Ja, einsam und verlassen.... so fühle ich mich auch sehr oft. Aber im Gegensatz zu Dir hat es mir Corona erleichtert damit umzugehen. Es wurde mir weniger bewusst, dass die nicht statt findenden Besuche darauf zurück zu führen sind, dass die Bekannten (die sich mal Freunde nannten) entweder mit den Einschränkungen meines Mannes nicht umgehen können oder wollen. Es fand ja überall reduzierter Kontakt statt. Inzwischen ist das wieder anders.
Dabei würden diese Kontakte meinem Mann gut tun. Ich stelle nämlich bei ihm fest, dass er bei Menschen mit denen er nicht regelmässig Kontakt hat "fremdeld". Er, der quasi ein Mensch war der Kontakte mit leichter Hand knüpfte, er zieht sich in sich selbst zurück. Ich habe ihn unlängst darauf angesprochen und er meinte, es sei ihm bewusst, er wisse aber auch nicht warum das so sei. Ich führe es ein Stück weit darauf zurück, dass wir sehr zurück gezogen leben weil er es nämlich aufgibt wenn die Menschen auf ihn zu gehen und sich davon nicht abschrecken lassen.
Ja, das mit den Tränen, das kenne ich auch. Es gab Phasen da war das weg. Seit dem epileptischen Anfall sind sie wieder verstärkt da. Zum Glück inzwischen kaum noch wegen meines Mannes. Inzwischen sind die Gründe nur noch ..
- Überforderung
- Enttäuschung zwischenmenschlicher Art
- das Gefühl der Sinnlosigkeit
- Angst
- Einsamkeit
- Zorn
Die Frage … war es das alles vom Leben .. die kommt sicherlich ab und zu hoch. Mangels Zeit wird sie allerdings unzulänglich/nicht konsequent beleuchtet. Die Frage schießt eher wie ein Blitz ab und zu hoch und verschwindet dann wieder in der Versenkung. Mir ist aber bewusst, dass sie sich in den nächsten Monaten verstärkt nach vorne drängen wird. Außer den Ansatz Psychotherapie, den ich dank dem Lockdown durch Corona nicht mehr weiter verfolgt habe, ist mir noch nichts weiter eingefallen. Psychotherapie deshalb, weil ich denke, dass ich meinen Blick auf die Dinge ändern muss, wenn ich in der Lage sein möchte unserem Leben wieder mehr positive Erlebnisse abzuringen.
Ich lasse jetzt einfach mal beim Schreiben unsortiert meine Gedanken laufen....
Vor dem Schlaganfall meines Mannes hatte ich immer gesagt, dass in 4 (damals 5) Jahren die große Freiheit beginnen wird. Geplant war etwas früher in Rente zu gehen und dann einfach ohne Zeitdruck leben zu können. Ab und zu Kurzreisen (wir waren beide nie die Langreisenden, genossen aber unsere Wellnessurlaube und Kurzreisen sehr), Zeit für Kultur, Zeit für den Garten, für die Natur (wir leben hier in einer sehr schönen und grünen Gegend) für Literatur, Küche und Zeit für Gespräche mit uns damals lieben Menschen. Ja, da war nichts Großes geplant. Es ging nur noch darum endlich keinen Druck mehr zu haben und das intensiver genießen zu können was wir damals schon hatten...einfach entspannt leben zu können.
Und was habe ich jetzt? Mehr Druck denn je. Kein IT-Großprojekt kann so viel Druck erzeugen wie das was ich seit einem Jahr erlebe.
Tja, damit wäre jetzt ja wohl ein Ziel klar: Druck verringern.
Der Haken dabei ist und war: Jedes Mal wenn ich dachte.. jetzt... jetzt endlich lässt der Druck nach, dann kam eine neue Schweinerei um die Ecke. Langsam beginne ich zu begreifen, dass ich das nur bedingt im Griff habe und das macht mir Angst - weil ich es nicht im Griff habe.
Damit wäre eigentlich da nächste Ziel klar: Los lassen können und mehr in mir selbst ruhen (ich glaube nicht, dass ich das je hin bekommen werde - aber ich habe den Eindruck, dass das mein Mann z.Zt. ganz gut hin bekommt)
Dadurch, dass ich versuche meine Gedanken für Dich nachvollziehbar nieder zu schreiben fällt mir auf, dass meine Traurigkeit, Hilflosigkeit und mein Zorn nicht schwerpunktmässig durch den Schlaganfall entstanden sind. Der war der Auslöser. Der hat einiges ins Rollen und nach Oben gebracht. Dass ich seltener Freude empfinden kann als früher liegt aber nicht daran, dass wir unser Leben anders gestalten werden müssen. Es liegt bei mir mehr daran, dass
a) so gut wie alle "Freunde" und die wenigen Angehörigen weg gebrochen sind - und
b) man quasi dadurch lebt, als ob man nicht mehr in diese Welt gehören
Es ist aber keinesfalls so, dass ich keine Freude mehr erlebe, kein Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit. Im Gegenteil.. eigentlich lebe ich auf der emotionalen Ebene intensiver als früher. Momente des Glücks sind intensiver und Dankbarkeit ist tief empfunden. Aber genauso intensiv eben auch Angst, Zorn, Enttäuschung...
Ich habe mir unlängst die Frage gestellt, ob ich wieder gleichmässiger froher/glücklicher wäre, wenn mit einem Schlag sowohl mein Mann als auch meine Mutter (also beides Menschen um die ich mich kümmern muss und die all meine Zeit binden) verstorben wären. Also quasi damit die vermeintlichen Hauptprobleme weg wären. ……. Ich kam zu der Erkenntnis, dass ich keinesfalls froher wäre, wenn es für mich meinen Mann nicht mehr geben würde. Bei meiner Mutter dürfte das anders sein - aber das hat auch eine lange lange Geschichte.
Nein, die Einschränkungen meines Mannes sind nicht die Gründe warum ich das Leben so derartig schwer finde. (ehrlich gesagt bin ich dankbar für diese Erkenntnis). Es liegt eher daran, dass fast mein ganzes Weltbild in sich zusammen bricht. Zwischenmenschlich stehe ich (wir) bei fast Null.
Was mir jetzt durchs Schreiben aufgefallen ist.... ich bin z.Zt. nicht in der Lage langfristige Ziele zu formulieren. Klar.. es soll meinem Mann wieder besser gehen. Je besser um so schöner.. Aber selbst wenn er wieder (fast) der Alte wäre, das was unser Leben erschüttert hat, das wäre immer noch da.
Mh…
Magst Du von Deinen Träumen erzählen? Sehen die konkreter aus als meine?
PS: ich sollte vielleicht noch ergänzen, dass sich natürlich innerhalb der letzten Monate Veränderungen bei dieser Fragestellung ergeben haben. Ich kann inzwischen ein klein wenig zuversichtlicher sein, weil sich trotz Rückschlägen erkennbare Besserungen im kognitiven und sprachlichen Bereich zeigen und weil mein Mann kein "Ekelpaket" mehr ist. Letzteres hätte mich wirklich auf lange Sicht daran zweifeln lassen, dass ich/wir wieder so etwas wie ein glückliches Leben haben könnten.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »
Amsel« (02.08.2020, 10:15)