#41

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

 

Ich denke nur, dass es einfacher für alle sein kann, wenn man daheim vor Ort wirklich merkt, dass es nicht geht. Aber so richtig viel weiß ich ja auch nicht zu den vielen unterschiedlichen Situationen und Problemen. 

 

Jein. Einerseits hat man es dann probiert und sein Bestes gegeben und dann weiß man, dass man es nicht schafft. Andererseits ist es viel schwieriger einen freien Pflegeheimplatz zu bekommen wenn der Pflegebedürftige ja zu Hause versorgt ist. 

Und wie sagt man dann dem Pflegebedürftigen, dass man nicht klar damit kommt ihn nackt zu sehen, oder sich ekelt, oder oder oder..? Wie sagt man das ohne zu verletzen? Da ist es einfacher, gleich aus dem Krankenhaus heraus klare Verhältnisse zu schaffen.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass der Sozialdienst des Krankenhauses eher einen freien Platz zugesagt bekommt. Versuchst Du als Angehöriger einen freien Platz zu ergattern, dann befindest Du Dich in einer langen Schlange von Wartenden. 

Wenn aber jemand, so wie die Schwester, so vehement die Pflege ablehnt, der wird sich nicht leichter tun, wenn er es dann umsetzen muss. Und ist dann dem Vater gedient, wenn er von jemanden versorgt wird, der sich für diese Hilfestellungen überwinden muss?

Aber davon abgesehen. Mir ging es darum, die Schwester für ihre Haltung nicht zu verurteilen. Denn selbst wenn sie mit der Nacktheit des Vaters kein Problem hätte, das angebunden sein, das bleibt. Und je nachdem wie die Familiensituation ist, kann das schlimmer sein, als die körperliche Pflege an sich. 

Und grundsätzlich denke ich, wäre eine Reha (auch für Ü90) jetzt angezeigt und danach sieht man weiter.

 

#42

Heinz

königswinter, Deutschland

Lieber Denis,

Du und Deine Schwester Ihr seid jetzt in einer Ausnahmesituation.

Ich kenne Eure gesamtfamiliäre Situation nicht. Das Dilemma hast Du jedoch einleuchtend geschildert.

Ich habe ähnliches gedanklich vor ihrem Tod bei meinem Vater und später bei meiner Mutter zu entscheiden gehabt. Ich hatte Glück, weil ich Unterstützung in der Nachbarschaft als Nachbarschaftshilfe erhielt. Zwei Nachbarinnen, mit denen wir uns immer gut verstanden hatten, die vorher in der Pflege gearbeitet hatten, erklärten sich bereit uns zu unterstützen. Es hat funktioniert.

Ich mache mir seit 50 Jahren darüber Gedanken, wie soll ich mich für meine Zukunft entscheiden?

Die Halbseitenlähmung und deren Folgen haben bei mir in den vergangenen 50 Jahren ihre Spuren hinterlassen.

Ich suchte Pflegeheime, betreutes Wohnen, Wohngruppen, auf und erkundigte mich über deren Möglichkeiten. Natürlich war neben der Unterbringung und der Pflege auch der Kostenaspekt eine wichtige Größe. Es gibt Stiftungen die ich gut fand. Um dort jedoch aufgenommen zu werden, waren bestimmte Voraussetzung und Vorgaben zu erfüllen. Alles ist individuell zu betrachten. Ich habe eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht für mich notariell beglaubigt verfassen und hinterlegen lassen und bin mir trotzdem nicht sicher, ob alles so beachtet wird. Ich werde mich in kürze verbindlich in einer dieser Einrichtungen anmelden und hoffen, dass ich keine von diesen benötigen muss. Die Wartezeiten sind jeweils sehr lang.

Als meine Mutter, als mein letztes Elternteil, vor Jahren sehr schlecht im Krankenhaus lag, wurde ich vom behandelnden Arzt gefragt. "In welches Pflegeheim meine Mutter verlegt werden solle?" Nachdem ich diesem antwortete, dass sie nach Hause entlassen werden soll, hatte er dafür kein Verständnis. „Es muss ihnen doch klar sein, dass sie das zu Hause nicht händeln können!“ Als ich mich daraufhin nach Absprache mit meiner Mutter um ein Pflegeheim bemühte, sagte mir der Geschäftsleiter des ausgesuchten Pflegeheims: „Unterschreiben sie den Vertrag nicht. Lassen sie den Vertrag von ihrer Mutter unterschreiben!“ Leider verstarb meine Mutter dann jedoch noch im Krankenhaus. Ich war von den Ärzten vorher nicht über die akute Schwere der Erkrankung informiert worden. Als ich mich am Abend vor ihrem Tod von ihr verabschiedete, war ich der Meinung sie am nächsten Tag wieder besuchen zu können. Den letzten Abschied von meiner Mutter wurde mir dann Stunden später erst bewusst, als ich vom Krankenhaus den Anruf vom Ableben erhielt. So einen Krankenhausaufenthalt wünsche ich keinem. Aber letztendlich werden wir nicht gefragt.

Zu Hause kauft man sich Beispielsweise 20 cm dicke und 1m breite Bockspringbetten. Im Krankenhaus liegt man dann aus Hygienegründen auf 60-80cm breiten und 5 cm dünnen Matratzen. Bei denen sich die Bettfedern im Hintern schmerzhaft abbilden lassen. Ist hoffentlich nicht die Regel. War bei meiner Mutter so. Ich bestand darauf, dass ihre Matratze gegen eine dickere ausgetauscht werden solle. Man versprach dies mir, wurde dann jedoch nicht ausgeführt. Wenn ich es jetzt zu tun hätte, wäre ich ins nächst beste Kaufhaus gegangen und hätte ihr eine zusätzliche Matratze ins Bett gelegt. Der Protest des Personals wäre mir egal gewesen. Damals verhinderte die Sorge um ein falsches Handeln diese Tat. Das hatte sich dann kurze Zeit danach durch das Ableben meiner Mutter von selbst erledigt.

Jahre vorher hatte ich meine Mutter schon mal auf eigenen Wusch nach Hause entlassen lassen. Ein anderes Mal wollten die Ärzte meiner Mutter ein Bein amputieren lassen und eine Herz OP durchführen lassen. Nachdem ich in der Chirurgie die OP Ärzte fragte ob sie es für richtig halten nach dem Motto OP gelungen Patient tot zu handeln fand sich glücklicherweise dort eine andere Möglichkeit mit einer anderen Medikamentengabe dies zu verhindern. Sie hat dies danach noch Jahre überlebt.

Hätte ich Jahre vorher gewusst welche Konsequenzen das hat, hätte ich mich nach meinen Klinikaufenthalten so manches Mal im Krankenhaus nicht mehr vertrösten lassen und hätte mich auf eigenen Wunsch entlassen lassen. Damals wurden die Patienten möglichst lange in der Klinik gehalten. Heute werden die Patienten leider öfter zu früh entlassen.

Achtung handelt nicht leichtfertig. Holt Euch eine Zweite Meinung ein. Geht umsichtig mit Euch und Euern Angehörigen um.

Alles Gute

Heinz

#43

D Kleinert

Gütersloh, Deutschland

Update:

Alle, wirklich alle sind von den Socken welche Fortschritte mein Vater so macht.

Innerhalb von zwei Wochen in dem Wohnstift von Rollstuhl über mini-schlurf-tippelschritte mit Gehilfe und unterstützung bis zum fast normal an gehilfen laufen. Alle paar Tage erkennt man weitere Fortschritte.
Stufen: Ganz schlecht, aber egal.

Dysphagie (bis vor drei Wochen noch ein Thema): Weg.
Er isst normal und selbstständig, auch Kekse und Pralinen. keine Probleme.Macht sich das Brot selbst fertig, nur links gehts noch nicht so doll.

WC: Selbstständig, keine Probleme.

Unterhaltung: Quasi fast wie vor dem Schlaganfall, keine wirren Geschichten mehr.
Allerdings lässt nach so drei-4 Stunden Konzentration und Gedächnis nach.
Er hat Samstag sogar wieder fast normal anderthalb Stunden mit seiner Schwester in Lübeck telefoniert...

Mobilität:
Läuft im Wohnstift mit Gehilfe, größere Entfernung im Rollstuhl.
Wir hatten ihn jetzt nach all der Zeit wieder zum Film und Kaffeeabend bei uns, fast wie früher.
Ohne Rollstuhl! Ein und aussteigen beim Auto klappte soweit, mit Hilfe. Vom Auto zur Wohnung gelaufen.

Keiner hätte das so erwartet, innerhalb von gerade mal 8 Wochen von 0 (!) auf das jetzt, sagen wir 65-70 % vom vorher.

Bei den Einzeltherapien macht er bestens mit und haut seine Späße raus, ist körperlich munter dabei (bei gemeinsamer Therapie mit anderen) und die Therapeuten sind begeistert.

Seine Zimmer zuhause werden jetzt renoviert und umgebaut, einige Möbel sind schon rausgeflogen. Nach jetzigem Stand kein Problem mit der Rückkehr, bestenfalls mit hilfe von mobilem Pflegedienst.

Wir haben ja einigen Leuten das ganze erzählt, und wenn man denen zeigt 1) Stroke Unit und 2) Heute, alle sind sprachlos...
Und die begeisterung motiviert ihn als alten Akrobaten natürlich noch mehr, ist wie Applaus für das alte Zirkuspferd.

Ich hab schon überlegt mal in die Stroke Unit zu gehen und denen das zu sagen und zu zeigen, auch als Hoffnung und Trost für andere Angehörige, schliesslich sagte ich der Oberärztin vor 7 Wochen "Hauptsache wir kriegen ihn zumindest ein bisschen wieder auf die Füße" und die guckte mich nur traurig an und schüttelte den Kopf...
Jetzt könnte ich mit ihm zusammen da hingehen. GEHEN.

Wie gesagt, 90 Jahre alt, und wie seine Schwester sagte: "Der Heini (Heinz) ist ein Stehaufmännchen..."

 



Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »D Kleinert« (11.10.2022, 14:28)
#44

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

 

Ich hab schon überlegt mal in die Stroke Unit zu gehen und denen das zu sagen und zu zeigen, auch als Hoffnung und Trost für andere Angehörige, schliesslich sagte ich der Oberärztin vor 7 Wochen "Hauptsache wir kriegen ihn zumindest ein bisschen wieder auf die Füße" und die guckte mich nur traurig an und schüttelte den Kopf...
Jetzt könnte ich mit ihm zusammen da hingehen. GEHEN.

 

mach' das. Die freuen sich! Das Personal sieht ja in der Regel nie, was aus den Menschen wird. Und wenn sie sie sehen, dann sind das die, die nicht oder nur sehr schwer auf die Beine kommen.

 

 

 

#45

Annin

Bayern, Deutschland

Oder ihr macht ein Video, ladet es irgendwo hoch und schickt eine Postkarte mit QR-Code zum Video. Hat den Vorteil, dass man nicht im Alltagsgetummel vor Ort untergeht. Ansonsten ist persönlich sicher schöner.

 

Die tollen Fortschritte sind ganz sicher auch auf das Artistenleben zurückzuführen. Da arbeiten einfach beide Gehirnhälften spitzenmäßig miteinander und so kann einiges kompensiert werden. 

 

Ich freue mich sehr für euch!

 

#46

Heinz

königswinter, Deutschland

Herzlichen Glückwunsch 🙂

#47

D Kleinert

Gütersloh, Deutschland

Er scheint zuweilen rückfällig zu werden...das Gleichgewicht fällt öfter aus und er kann dann nicht an Gehilfen gehen, so sitzt er jetzt, nach einigen Stürzen, erstmal im Rollstuhl.

Leider hat sich auch seine Art ein wenig verändert, er ist irgendwie nörgeliger und wehleidiger als noch vor kurzem, ständig hört man "AuaAua!", bei den Schienbeinen, bei der Schulter...beim anziehen nervt sowas ganz schön.

Früher nannte man sowas ein "Wimmerle".

Dazu scheinen im Kopf auch ein paar "Sicherungsriegel" ausgefallen zu sein, mal ganz abgesehen von herumgewüte weil er was nicht findet (er hatte auf einmal seine Taschen gepackt weil die im Pflegeheim angeblich gesagt haben dass draussen ein RTW steht um ihn wegen Corona ins Krankenhaus zu bringen)...zum Beispiel seinen Grünen Impfpass (Grün?)...

War ein Kampf ihn zu überzeuegn dass da keiner ist und er auch kein Corona hat...

Und es ist auch nicht NUR lustig wenn man ihn im Rollstuhl schiebt bzw er an Krücken geht und er dauernd,also tatsächlich ohne Punkt und Komma laut schimpft dass Putin doch ein guter Mann ist, und wenn den die Wut packt dass er einfach ein paar Atombomben auf den Bundestag und Washington schmeissen soll, dass das damals bei Hitler doch ganz toll war, und Putin ein Sonderkommando zusammenstellen soll um den in der Ukraine und die Grünen und Scholz hier entführen soll...sowas als Beispiel.

Er ist gedanklich irgendwie dauernd in seiner Kindheit bei der HJ...

Und sowas lauthals in der Stadt herumzuschimpfen ist nicht so toll. Wenn man ihn dann deshalb anfährt ist er eingeschnappte leberwurst und sagt dann garnichts mehr.

Echt schwierig im Moment, als wenn er heimlich noch einen kleinen Schlaganfall hatte.

War echt schonmal besser.

Nebenbei hat er es geschafft sich den Katheter rauszurupfen und muss deshalb oft neu angezogen werden.

Nur noch blöd jetzt.


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »D Kleinert« (29.10.2022, 12:16)
#48

Angie

Untermettingen, Deutschland

Ich kann mir vorstellen wie das ist und das es schon gar nicht lustig ist.

Seltsamerweise gibt es bei mir im Umfeld 3 weitere Personen im etwa gleichem Alter die so etwas auch ohne Schlaganfall raushauen. 😉 Auch wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen. Da ist aber eher die Demenz zuständig.

#49

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Ich kann und mag es mir nicht verkneifen ... 

Wäre eine Pflege zu Hause unter diesen Umständen auch noch als so easy einzustufen? 

Da kann man nicht einfach die Tür schließen und gehen wenn es einem zuviel wird.

#50

Annin

Bayern, Deutschland

Die Defizite, die ein SA mit sich bringt, zeigen sich in so vielen verschiedenen Situationen.

Meine Mutter meinte mal, es ist erstaunlich, wie viele Gehirnzellen und Gedankengänge sie nun braucht, um bestimmte Dinge zu machen, über die sie sich früher keinerlei Gedanken gemacht hat. 
Klar, dass diese Kapazitäten an anderer Stelle abgegriffen werden. Dann funktioniert weder die mit Mühe durchgeführte Handlung, noch etwas drumherum und erschöpft ist man auch noch. 
Ist sich die Person dieser veränderten Kapazitäten nicht bewusst (zB durch den SA selbst), geht nun alles ungefiltert und ungebremst raus.

Vielleicht kannst du das Gespräch in solchen Schimpftiraden auf etwas anderes lenken. Beweg mal hier, riech mal da, schau mal dort.

Übrigens: meine Mutter fand auch alles Auaaua. Selbst normales Haarekämmen war ganz schrecklich. Da wird man selbst natürlich auch genervt, wenn man es eh schon ganz sanft versucht. Die Bewegungen beim Ankleiden helfen sind auch sehr komisch und ungewohnt. Und der alte Körper hat schon viel mitgemacht. Es ist total schwer, aber man wird nicht mehr nur Sohn sein können, sondern ist jetzt auch Therapeut. Mir hilft es immer, wenn ich in diese Rolle schlüpfe.

 

 

Die Rückschritte können eben auch daran liegen, dass an anderer Stelle Fortschritte gelingen. Während er weder gehen kann, kann er zB nicht zeitlich sortieren oder Gedanken filtern, weil man eigentlich weiß, dass man etwas nicht sagt. 
Dass er nichts findet... hat er einen Neglect? War der SA rechtsseitig? Dann kocht das Sprachzentrum nun und wird nicht gebremst.


Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »Annin« (01.11.2022, 07:16)
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