#1
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo,

ich bin hier neu. Mein Bruder hatte letzte Woche eine sehr starke Hirnblutung, die v.a. deswegen so stark war, weil er erst nach ca. 24h gefunden wurde. Jetzt sind große Teile seines Gehirns durch das Blut geschädigt (v.a. rechts, drückt aber auch nach links).

Noch ist er im künstlichen Koma, wird beatmet und bekommt starke Medikamente gegen seinen hohen Blutdruck (Ursache der Blutung). Wir wurden schon gefragt, wie es ausschaut, ob wir uns vorstellen können, die Medis abzusetzen und dann vermutlich den Tod zu erwarten.

Für meine Mutter, 82, ist das natürlich der Supergau. Mein Bruder hat keine Angehörigen außer meiner Mutter und mir, unser Vater ist schon vor über 30 Jahren gestorben. Es gibt noch ihre Schwägerin (derzeit selbst im KH in Behandlung) und ihre beste Freundin (auch im KH wg was).

Wisst ihr ab wann ich für sie eine Kur beantragen kann oder was ich sonst mit ihr "danach" machen könnte? Was kann ich tun? Also ja, ich telefoniere, fahre ins KH (200km weg), erledige alles für sie... da ich selbst noch 2 kleine Kinder und Arbeit habe, kann ich nicht einfach über meine Zeit verfügen. Bin Lehrerin und kann auch keinen Urlaub nehmen.

Was kann ich jetzt und danch für sie tun?

Ich danke für jede nette Antwort.

hermana

#2

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

 

 Liebe Hermana,

ich möchte Dir zum besseren Verständnis zum Thema Hirnblutung/Schlaganfall folgenden Link empfehlen https://www.dr-gumpert.de/html/folgen_hirnblutung.html

Geht es Dir primär um die Hilfe für Deine Mutter oder darum, was Deinen Bruder erwartet sofern er überlebt?

Für mich als Angehörige wäre die Prognose wichtig um überhaupt Entscheidungen treffen zu können - sowie die Frage, was der Bruder sich wünschen würde, sofern er noch entscheiden könnte. Hilf ihr eine Entscheidung treffen zu können von der sie glaubt, dass es der Wunsch ihres Sohnes wäre.

Ja, wie kann die Hilfe für Deine Mutter aussehen? Deine Mutter wird sich mit Ü80 schwer tun den Erklärungen der Ärzte folgen zu können. Da würde ich ansetzen und ein Gespräch mit den Ärzten suchen. Sofern Du einen Partner hast kann er auch mal die Kinder betreuen und Du fährst an einem der unterrichtsfreien Nachmittage zB. ins Krankenhaus.

Kur ist doch derzeit kein Thema. Deine Mutter benötigt JETZT die Unterstützung und nicht erst dann, wenn der Bruder verstorben oder ein Schwerstpflegefall ist.

Bezüglich der Zeit "danach" (ich interpretiere die Frage so, dass Du davon ausgehst, dass Dein Bruder sterben wird) könnte man Kontakt mit dem Hausarzt nachdenken. Er kennt Deine Mutter und die regionalen Möglichkeiten - oder über eine Selbsthilfegruppe für Trauernde.

Amsel.

Ich hoffe, dass meine Antwort "nett" genug war - und nicht zuuuu sachlich 😉

 

#3

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

und noch etwas.. ich fühle mit Dir.. ich fühle mit Deiner Mutter... ich ahne, welche furchtbare Zeit ihr gerade durchlebt. Manchmal möchte man in solchen Situationen nur einen Menschen spüren der einen in den Arm nimmt und bei dem man hemmungslos weinen kann.

Nimm Deine Mutter in den Arm...

und...

wie geht es Dir?

#4
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Unbekannt

Gelöscht

Liebe Amsel,

in der Kürze einfach mal nur vielen, vielen lieben Dank! Du hast mir schon ganz viel geholfen und ich werde mich nach der Lektüre des Links wieder melden und sowieso berichten. Danke!

hermana

PS Von den Beatles gibt es so eine schönes Leid "blackbird" - ich denke immer, das muss doch "Amsel" auf Deutsch heißen, das wünschte ich vor der Katastrophe mit meinem Bruder immer als mein Beerdigungslied, aber nun kann ich es ja für ihn anhören und singen. Danke für die Inspiration!

Worum es mir hier geht, weiß ich selbst noch nicht - bin noch im Schock. Und du tröstest mich schon, danke!

#5
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Unbekannt

Gelöscht

...sollte heißen "so ein schönes Lied"...

#6

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Liebe Hermana,

den Schock kann ich sehr gut nachvollziehen - auch wenn mein Erleben als Angehörige nicht an das heran reicht was ihr gerade durchleben müsst. Dieser Schock hat mich wochenlang begleitet und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn völlig los geworden bin.

Ich wünsche Dir und Deiner Mutter ganz viel Kraft und dass ihr euch beidseitig gut tun und Stütze sein könnt - und empathische Ärzte/Pflegepersonal.

Jeder denkt an den Patienten - aber das was die Angehörigen durchleben/fühlen müssen, das geht dabei irgendwie unter.

Du liegst übrigens richtig. "Black bird" ist die Amsel - ein Vogel den mein Mann so gerne mag, der ihn bei seiner Gartenarbeit gerne begleitet hat, dem er die Würmer in den trockenen Monaten freigelegt hat und der sich bei uns am Sonntag morgen auf dem Balkon seine Rosinen "erschmettert" hat wenn er sich auf das Geländer setzte, sein Lied trällerte und somit kund tat, dass nun genug mit schlafen ist und er seine Rosinen möchte.

Es ist ein kluger Vogel - der Bindungen zum Menschen eingehen kann. Auch wenn der Song eigentlich vor dem Hintergrund der Bürgerrechtsbewegung in den USA Ende der 60er geschrieben wurde, der Text formuliert einen sehr schönen und warmen Wunsch. Hast Du zu Deinem Bruder eine enge Bindung? Meinst Du, es könnte ihm Kraft, Friede, Stärke und Gelassenheit geben, wenn Du es ihm singst (oder nur summst) falls ihr die Maschinen abstellen müsst?

Amsel, die du da tief in der der Nacht singst,
Nimm diese gebrochenen Flügel und lerne zu fliegen.
Dein ganzes Leben,
Hast du nur auf diesen Moment gewartet, aufzufliegen.

Ich wünsche Dir und Deiner Mutter ganz viel Kraft, liebe und fürsorgliche Menschen und Deinem Bruder das, was er sich für sich wünschen würde.

Schreib' wenn Dir danach ist. Manchmal kann es schon ein wenig helfen das, was man an Ängsten und Trauer in sich trägt, an andere Menschen weiter zu geben. Ich verrate Dir eines.. ich habe am fünften Tag den ich in Angst und Sorge verbracht habe im Haus geschrien was die Lunge her gab (ich war alleine) - der Druck musste raus. Ich hätte anders nicht mehr funktionieren können. Und nein, ich stand und stehe zum Glück nicht vor einer derartigen Entscheidung - und das war schon schlimm genug.

http://klinikseelsorge-tum.de/images/stories/info_angehoerige.pdf . Lass Dich bitte nicht von "Klinikseelsorge" abschrecken. Es handelt sich um einen Link der m.E. sehr einfühlsam beschreibt was ein Komapatient fühlen kann und wie man den Umgang mit ihm best möglich gestalten kann.

#7

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

...sollte heißen "so ein schönes Lied"...

 es gibt Orte und Zeiten, an denen man sich nicht mit solchen Nebensächlichkeiten aufhalten muss. Wir verstehen uns doch auch so....

#8
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Unbekannt

Gelöscht

Danke, danke für alles.

#9
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Unbekannt

Gelöscht

Was ich wunderschön finde, ist, dass der Text von blackbird einen politischen Hintergrund hat. Mein Bruder war seine ganze aktive Lebenszeit politisch engagiert im Sinne des Liedes. Beatles mochte eher ich 😉 Auf jeden Fall werde ich das Lied summen, leiser oder lauter, wenn ich morgen zu ihm fahre. Und auch von Mercedes Sosa "todo cambia". wir haben als Kind in Argentinien eine Zeit gelebt und dieses Lied hat uns beide als Erwachsene begleitet und der Text ist wiederum so passend.

Ich danke dir sehr, sehr herzlich für deine liebevollen Worte. Sie helfen mir sehr. Den Text der Seelsorge habe ich mir gleich durchgelesen und werde ihn heute meinem Mann mitgeben, der heute ins KH fährt zu Mutter und Bruder.

Du hast wirklich mit allen Worten ins Schwarze getroffen, als würdest du bei uns sein. Ich werde dich morgen ein bisschen mitnehmen nach München, innerlich, das gibt mir Kraft.

Muss aufhören, Sohn verlangt nach mir.

#10

Angie

Untermettingen, Deutschland

Hallo Hermana,

du solltest dir nicht zuviel von dem Besuch versprechen. Es ist leider so dass Ärzte nunmal keine Zeit haben.

Ich glaube deine Mutter würde sich ziemlich abgeschoben fühlen wenn du sie jetzt in Kur schicken willst? Das wäre für mich das schlimmste was man mir antun könnte. Mein Sohn liegt da im Krankenhaus und ich soll weißdergeierwohin? "Danach"? Was ist für dich "danach"? Zuallererst muß die Person die für deinen Bruder verantwortlich ist die Entscheidung treffen wie es weitergeht. Dann sieht man weiter. Schritt für Schritt, eines nach dem anderen.

Deine Mutter hat sich schon mit dem Thema Tod auseinandergesetzt. In dem Alter ist es "normal" (blödes unzureichendes Wort) gleichaltrige zu verlieren, nur nicht das eigene Kind zu verlieren. Frag sie was sie braucht, nimm sie in Arm, wie Amsel schon geschrieben hat, sei für sie da. Verzeih ihr wenn sie jetzt viel von dir verlangt, denn du bist das Kind das noch da ist.

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