#41
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Sein Körper ist noch da, aber er fehlt schon so sehr, auch wenn wir uns nur einmal pro Jahr gesehen haben.

Dies nur in den Äther hinein geschrieben...

#42

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Liebe Hermana,

ich hatte nur nachgefragt weil ich natürlich auch immer wieder an euch denke und Schweigen Deinerseits ja auch schlechte Nachrichten hätte bedeuten können. Also kein Grund sich zu entschuldigen.

Stimmt schon. Leicht ist meine Situation nicht. Aber anders. Erst habe ich um das Leben meines Mannes an sich gekämpft und musste abwägen, ob er dieses Leben dann auch lebenswert finden könnte und nun kämpfe ich konkret um die Lebensqualität meines Mannes in der Zukunft. Eigentlich ist am Schlimmsten, dass ich so gut wie alleine alles bewältigen und durchdenken muss. Deshalb freut es mich so sehr, dass Du Deine Familie hast. Das gibt unglaublich Halt.

Unterstützung vor Ort habe ich keine. Meine Mutter (Ü80) ist selbst krank und benötigt auch noch etwas Unterstützung und Fahrdienste von mir. Eigentlich ist sie ja noch selbstständig, aber im Moment mit einem offenen Bein doch sehr eingeschränkt. An Tagen an denen sie gefahren werden muss (weil es eben da auch wenige Menschen gibt die diese Zeit aufbringen können) muss ich halt rann und fahre dann nicht zu meinem Mann. Die letzten Wochen war das zum Glück nur 2x der Fall, in den nächsten Monaten wird das aber häufiger der Fall sein (und unvermeidlich)

Es ist schon so, ich lebe nur noch für meinen Mann und meine Mutter. Hinzu kommt halt auch, dass mein Mann nicht um die Ecke zur Reha ist. Ich bin auch pro Tag Minimum 2,5 Std. auf der Strasse. Bei ihm in der Regel von ca. 9:30/10 Uhr bis 17/18 Uhr. Jetzt habe ich 2,5 Wochen Urlaub, aber da wird auch nichts für mich wirklich "abfallen". Ich traue mich aber auch nicht allen Resturlaub zu nehmen weil niemand sagen kann was auf mich zukommt wenn mein Mann aus der Reha kommt.

Der Sohn kommt seit vorletzter Woche Freitag/Samstag und besucht seinen Vater. An diesen Tagen fahre ich nicht. Ich musste aber auch erst sehr deutlich sagen, dass meine Grenzen erreicht sind. Irgendwie wäre er wohl ohne nicht von selbst darauf gekommen. Da er an sich kein oberflächlicher Mensch ist, kann ich beim besten Willen nicht sagen woran das lag. Möglicher Weise habe ich einfach zu gut funktioniert.

Was Unterstützung von "Freunden" angeht.. mh.. da gibt es so markige Sätze wie "immer an Deiner Seite".. gesehen habe ich da aber noch keinen. Noch nicht einmal wenn es darum geht große Terrassenpflanzen (die sehr alt und meines Mannes Lieblinge sind) in das Winterquartier zu bringen (Arbeit für einen Mann ca. 30-45 Minuten).

Was die Ärzte angeht.. Mh.. keiner legt sich fest. Anfangs hieß es, nach 3 Tagen Therapie: "Ihr Mann wird ein Schwerstpflegefall". So nahm ich ihn aber gar nicht wahr und war entsprechend schockiert. Eine Woche später, nachdem ich ihm Vitamine (B12 und D3) gegeben hatte, war man überrascht von seinen Fortschritten und ich begann zu hoffen. Tja, und dann kam das Drama der Entzündungen und Blutungen durch mehrfach falsch liegende Harnweg-Katheter (Ursache wird nie geklärt werden - die letzten 3 die falsch lagen waren aber ganz sicher nicht durch meinen Mann verursacht). Und keiner in dieser Reha wollte den Katheter ziehen und schauen was auf natürlichem Weg geht. Dass durch die starken Entzündungen - auch der Hoden - und Schmerzen auch therapieseitig nicht mehr viel erfolgreich laufen konnte dürfte klar sein. (das haben aber die Ärzte versucht zu ignorieren). Um es abzukürzen.. am Ende kam er in eine Klinik die nicht vor Ort lag (die vor Ort hatten ihn bereits 3x neue Katheter gelegt) um seine Blase spiegeln zu lassen. Das war dann aber nicht nötig nachdem sie ihm den Katheter korrekt gesetzt hatten (der alte sass in der Prostata.. kein Wunder, dass er blutete wie XX) und ihm große Mengen Antibiotika verabreicht haben. Einem Arzt habe ich es dann zu verdanken, dass die unnötige Spiegelung die unter Narkose durchgeführt worden wäre, nicht durchgeführt wurde. Und einer Ärztin, dass endlich jemand auf mich hörte und meinem Mann der Katheter gezogen wurde. Seit 8 Tagen hat er nun keinen Katheter mehr und er wird wieder stabiler (war aber schon mal in besserer Form). Jetzt kann ich nur hoffen, dass der Restharn immer im unkritischen Bereich bleibt.

Bei dieser Schilderung lasse ich einige Details weg weil das nur verwirren würde. Leider ist es aber so, dass sich zig Ärzte zig Mal widersprochen haben und keiner eine Prognose stellen möchte - in keinem Bereich.

Sehr engagierte Ärzte hatte ich in der Uni erlebt. In der Reha habe ich eher den Eindruck, dass ihnen alles egal ist oder sie sind unsicher. Im Ortskrankenhaus war mein Mann auch eher ein "Fall" und in der Klinik in der ihm dann der Katheter gezogen wurde habe ich den Eindruck, dass eine Ärztin von 4 Ärzten die sich mit meinem Mann befassten tatsächlich daran interessiert war, dass es ihm gut geht und nicht dem Geldbeutel der Klinik. Alles in Allem ein sehr ernüchterndes Resümee.

Wäre die Reha so gelaufen wie man sich das gemein hin vorstellt (also ohne Komplikationen), dann wäre das für mich nicht in diesem Ausmaß belastend gewesen. Ich hätte mir dann auch erlaubt nur alle 2 Tage zu fahren. Aber wenn man seinen Mann im Bett liegen sieht wie ein Schluck Wasser in der Kurve und der Urin die Farbe von Erdbeeren hat, dann ist man lieber vor Ort.

Glück im Unglück ist, dass ich z.Zt. viel online arbeiten kann (ich greife über Internetverbindungen auf die Firmenserver zu) und das meine Kollegen und mein Vorgesetzter mit tragen. Sicher, ich muss meine Leistung bringen, aber da mein Mann in der Reha auch durch die Entzündungen noch viel geschlafen hat, konnte ich da einen großen Teil dort erledigen und den Rest dann eben abends zu Hause.

Dass das kein Dauerzustand ist, ist mir aber bewusst. Drück' mir die Daumen, dass bei meinem Mann keine neuen Komplikationen auftreten.

Deute ich Deine Aussage zum tapfer schlagenden Herzen Deines Bruders richtig, dass Du davon ausgehst, dass seine Seele (das was ihn ausmacht) gar nicht mehr in seinem Körper ist? Wie fühlt das Deine Mutter? Könnt ihr darüber sprechen?

Liebe Grüße

Amsel (die das ganze Jahr über Amseln füttert - und natürlich auch die anderen kleinen gefiederten Freunde. Auf sie wird also geachtet und seit einigen Tagen schaffe auch ich es auch wieder ab und zu egoistisch zu sein.)

#43
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Gelöscht

Liebe Amsel,

gleich fahre ich nach München, ich habe sehr schlecht geschlafen letzte Nacht, ich denke, heute wird entschieden (ist nur mein Gefühl).

Was du da mitmachst und trägst ist sher belastend!! Bitte versuche, die Hilfe von Freunden einzufordern! Vielleicht warten sie auf einen konkreten "Befehl"? Oder du hast das schon getan, dann suche dir bitte - noch dazu - andre Freunde. Alleine ist das doch nicht machbar! Und dann noch die Arbeit nebenher, und die Mutter, ich finde, das ist zu viel. Für dich allein.

Ich fahre.

#44

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Liebe Hermana,

bei uns sind die Freunde auf halb Deutschland verteilt und die, die vor Ort sind, das sind die mit den markigen Sprüchen ohne dass sich etwas, trotz Bitte, tut. Und ehrlich gesagt, 2x fragen kommt für mich nicht in Frage.

Ich setze darauf, dass mein Mann in einigen Tagen nicht mehr zwingend jeden Tag mich vor Ort benötigt. Drück' mir die Daumen. Dann kann ich mich um so offene Fragen wie Finanzamt, Banken, Krankenkassen usw. kümmern. Das wird auch noch "spannend".

Heute haben mich übrigens die Bauern mit ihrer tollen Demonstration (Luftverpestung pur) 1 Std. länger auf der Strasse gehalten. Ich hätte.. grrrrrrrrr 😉

Ich hoffe, dass bei Euch bald Klarheit rein kommt. Alles ist besser als dieser Schwebezustand.

Liebe Grüße

Amsel

#45
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Liebe Amsel,

heute haben wir - wie ich vermutet habe - beschlossen, dass er nur mehr palliativ behandelt wird. Er kommt aus der Intensivstation raus. Alles außer Schmerzmittel wird abgeschalten.

Daher verabschiede ich mich erstmal aus dem Forum. Sicher lese ich hier weiter, schreibe vielleicht auch was, aber erstmal sind all meine Gedanken bei meinem Bruder.

Ich danke dir sehr, sehr herzlich, liebe Amsel, für deine Anteilnahme und deine praktischen und seelrsorgerischen Tipps, du hast mir in vieler Hinsicht geholfen.

Ich wünsche dir und deinem Mann, dass es nun wirklich aufwärts geht, dass du hilfreiche und nette Freunde hast und dass du das mit deinem Mann alles schaffst. Nimm dir bitte Hilfe dazu!

Ich würde dich auch gerne unterstützen, nun kann ich gerade nicht. Bitte entschuldige!

#46

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Liebe Hermana,

Deine Zeit und Deine Gedanken gehören in diesem Moment zu Deinem Bruder. Das ist doch keine Frage!

Ich denke, es ist für euch alle eine gute, wenn auch schwere Entscheidung.

Ich würde mich freuen, wenn Du Dich irgend wann einmal wieder zu Wort melden würdest um zu erfahren wie es Dir geht. Nicht jetzt, nicht heute und nicht morgen... sondern dann, wenn es für Dich passt und richtig ist. Jetzt wirst Du erst einmal all Deine Kraft benötigen.

Ich hoffe auch sehr, dass Deine Mutter Unterstützung gefunden hat die ihr Kraft gibt alles zu ertragen und für Deinen Bruder hoffe ich, dass er friedlich hinüber gleiten kann.

In Gedanken bin ich immer wieder bei Euch.

Liebe Grüße

Amsel

 

#47
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Unbekannt

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Er ist gestorben.

Ganz friedlich eingeschlafen.

Wo ist er nun bloß?

Ich hab noch immer den Geruch des Zimmers in der Nase.

Mein Bruder, ich liebe dich.

#48

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Liebe Hermana,

ich bedauere Deinen Verlust sehr und fühle mit Dir. Meine Gedanken sind bei Dir und Deiner Mutter.

Dennoch, friedlich eingeschlafen … es erleichtert mich, das von dir zu lesen zu können. Das klingt für mich danach, dass er bereit dazu war. Konntest Du bei ihm sein als er ging? Wie geht es Dir, wie Deiner Mutter?

Wo er ist? Ich glaube daran, dass die Seele, der Geist, das was den Menschen ausgemacht hat, um uns herum ist. Die Seele geht nicht verloren.

Und so lange ihr an ihn denkt, so lange wird er sowieso mitten unter euch sein.

Liebe Hermana, irgendwie fehlen mir heute, vor dem Hintergrund Deines Verlustes, die Worte. Alles liest sich hölzern. Deshalb fühle Dich bitte einfach nur von mir fest in den Arm genommen.

Amsel

 

#49
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Liebe Amsel,

jedes Wort tut gut, ich danke dir sehr herzlich.

hermana

PS Euch alles Gute!

#50
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Liebe Amsel,

etwas Zeit ist vergangen... und ich hatte viele Gedanken. Was ist Zeit, wo ist mein Bruder, er ist mir vorausgegangen (ich bin NULL gläubig, aber tatsächlich ist er vorausgegangen...), du warst in der schwersten Zeit meines Lebens da für mich. Obwohl die schwerste Zeit meines Lebens war auch die, als mein Vater 1988 starb. Du, liebe Amsel, warst jedenfalls da in der schweren Zeit.

Oft denke ich an dich, an deine einfühlsamen Worte und dein Verstehen.

 

Es ist noch nicht besser, es ist anders, manchmal. Vor ein paar Tagen konnte ich das allererste Mal denken: Schön, dass er da war.

 

 

Ich kann dir nicht genug danken für deine Unterstützung. Ich wünsche dir eine ebenso liebevolle wie hilfreiche Unterstützung an deiner Seite, wie du es mit warst.

Danke, liebe Amsel (und deswegen nenne ich ja meinen Bruder nun auch Amsel, inspiriert von dir).

 

Danke, danke!

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