#1

Sabrina

Bielefeld, Deutschland

Hallo, 

meine Mama (55 Jahre) hat im November 2020 viele kleine Schlaganfälle erlitten. Dazu kam ein septischer Schock, eine Lungenentzündung und Nierenversagen. Zudem hat sie noch eine Vorerkrankungen Lupus Erythematodes. Aufgrund des septischen Schocks, musste ihre Herzklappe, die von einem Infekt angegriffen wurde operativ gewechselt werden. Die Op ist gut verlaufen. Danach kam die Lungenentzündung und sie würde sogar an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Die Ärzte haben sehr schlechte Prognosen gegeben, da sie zu dem Zeitpunkt auch im Koma lag. Durch den Einsatz der Maschine hat ihr Körper erneut sehr viel Stress erlebt und es kam zu weiteren, kleineren Schlaganfällen. 

Wie wir uns gefühlt haben ist ein Thema für sich. 

Jedenfalls waren die Prognosen weiterhin sehr schlecht und die Ärzte meinten, selbst wenn sie aus dem Koma aufwacht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einem einem vegetativen Zustandes den Rest ihres Lebens verbleibt, sehr hoch. Da lag sie noch in einer Uni Klinik

Sie wurde in diesem Zustand wieder in unsere Heimatstadt verlegt, weil die in der Uni Klinik, angeblich nicht mehr viel machen konnten. 

Seitdem ging es aber bergauf. Mama wurde immer wacher, hat angefangen ihre Finger leicht zu bewegen, dann ihre Füße. Sie hat die Augen aufgemacht. Erstmal nicht wirklich festen Blickkontakt gehalten, aber mit der Zeit kam auch das. Sie hat uns wiedererkannt. Die Niere hat sich erholt. Sie bekommt keine Dialyse mehr. Die Lunge hat sich deutlich verbessert. Die Infektwerte sind gesunken. 

Mit dieser Zusammenfassung möchte ich erstmal allen Mut machen ( den Angehörigen, so wie auch den Patienten). Dass meine Mama es so weit schafft, hätten die Ärzte nicht gedacht. Man hat uns wirklich fürchterliche Prognosen gegeben. Es kann trotzdem jeder Zeit etwas wieder schief gehen, dessen bin ich bewusst. Aber fokussieren wir uns lieber auf das positive und ich wollte das mit euch teilen. Verliert nicht die Hoffnung, auch wenn die Ärzte schlechte Prognosen geben. Glaubt an Wunder und hofft bis auf das letzte. Denn eins weiß ich genau, was in einem Gehirn genau passiert, können die Ärzte nicht genau wissen, also besteht meistens viel Hoffnung. 

Nun zu meiner Mama wieder. Sie liegt immer noch im KH. Aufgrund von Corona hat noch keine Rehaklinik zugesagt, was schrecklich ist, da wir sie schnell zuhause haben möchten und nicht in einem KH mit Corona Patienten. 

Jedenfalls haben wir natürlich immer noch einige Sorgen. Eine dieser Sorgen sind Halluzinationen, Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit. Das geht schon über zwei Wochen bei Mama und wir machen uns Sorgen, dass diese vielleicht langfristig fortbestehen. Ich weiß, dass es bei vielen mit der Zeit vergeht, aber da es Mama doch schon sehr lange begleitet, haben wir doch noch Angst.  

Ich hoffe weiterhin, dass es mit der Zeit sich bessert. Ich denke auch, dass es vielleicht so lange anhält, weil wir sie aufgrund der Pandemie jetzt nicht besuchen dürfen? 

Hatten hier vielleicht auch andere ähnliches?

Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen. 

#2

jup11

Quarnbek, Deutschland

#3

Angie

Untermettingen, Deutschland

Hallo Sabrina,

diese Halluzinationen, Orientierungslosigkeit und Verwirrtheit kamen bei mir häufig vor. Jetzt nur noch ganz ganz selten. Gib ihr Zeit.

Es ist (meiner Meinung nach) ein Verbrechen das ihr sie nicht sehen dürft. Wir brauchen die Angehörigen, die uns den Sinn des Lebens aufzeigen, das Gefühl geben, nicht alleine auf der Welt zu sein und für uns da sind.

Alles, alles Gute für euch alle!

#4

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Tag Sabrina

Verwirrung, Halluzinationen, Orientierungslosigkeit sind, so wie ich es erlebt habe, nahe beisammen. Dazu gesellen sich Gedächtnisstörungen, Wahrnehmungsprobleme, Erschöpfung, Nebenwirkungen der Medikamente und anderes mehr. Ich denke, dass sich alle diese Elemente gegenseitig beeinflussen.

Sogar, wenn ich mich in einer mir bestens vertrauten Umgebung war, konnte sie mir - "zack" - plötzlich völlig fremd sein; ich wusste nicht mehr wo ich bin und wurde dadurch noch mehr verwirrt, wie ich schon war. Auch fantasierte ich einiges zusammen. Insbesondere fiel es mir regelmässig schwer, manche Träume von realen Geschehnissen zu unterscheiden.

Orientierungsverlust, Konfusionen und Trugbilder, das erlebe ich hin und wieder noch heute - nach weit über fünf Jahren seit dem Ereignis. Da kann es im Umgang mit den verschiedensten Leuten schon mal passieren, dass mich jemand fragend anschaut und ich mich erklären muss. Allgemein habe ich aber gelernt, mit meinen Defiziten umzugehen und den gröberen Unsinn auszusieben. Damit habe ich keine Probleme mehr mit solchen Situationen.

Fantasien/Durcheinander/Sinnestäuschungen sind nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für deren Angehörige meistens höchst befremdend, wie auch Du erfahren musstest. Den Phantasien/Verwirrungen/Hirngespinnsten sollte nicht einfach widersprochen werden, denn für den Patienten sind das alles "erlebte Realitäten" und keine Lügen! Zu viel/zu heftiger Widerspruch, gleichgültig wie wohlwollend er ist, kann beim Patienten schon mal höchst ungute Gefühle und Reaktionen auslösen.

Deine Mutter steht unter Medikamenten (nehme ich mal an), ihr geschädigtes Hirn dürfte derzeit gewaltiges zu seiner Heilung leisten, wahrscheinlich ist sie oft müde und sie verweilt in einer reizarmen Umgebung. Und so weiter. Da erscheint es mir normal, dass sie durcheinander gerät. Vieles wird sich bei ihr wohl in den nächsten Wochen und Monaten verbessern. Mit anderen Dingen wird sie (und ihre Angehörigen) lernen müssen, umzugehen. Und das Ganze braucht enorm viel Zeit. Aber genau: Die Zeit, das ist ausnahmslos für alle Angehörigen das grosse Problem.

Ich wünsche Dir die nötige Geduld und Ausdauer und Deiner Mutter eine viel Kraft und gute Genesung.

Liebe Grüsse
Christoph

#5

Heinz

königswinter, Deutschland

Guten Abend Sabrina,

Auf 50 Jahre rückblickend lese ich Deine Zeilen und erinnere mich an meine Situation im Alter von 19 Jahren. Nach einer schweren Hirnblutung mit Atemstillstand und Nahtoderfahrung wurde ich 1971 an einem Brückentag über Umwege in die Uniklinik eingeliefert. Dort wurde ich in ein künstliches Koma versetzt. Die Ärzte gaben mir kaum noch Überlebenschancen. Sie gaben dies an meine Mutter so weiter. Meine Familie war geschockt. Nachdem ich in der Station in einem Sechsbettzimmer wieder zu mir kam, verstand ich zuerst nicht was mit mir los war. Dann stellte ich fest, dass ich nicht mehr richtig sehen konnte. Alles war verschwommen. Das Sprechen und das Gedächtnis spielten mir Streiche. Die Nahrungsaufnahme (Essen und Trinken) waren ebenfalls schwierig. Die Blase funktionierte nicht. Meine linke Körperhälfte war komplett gelähmt. Der Tastsinn fehlte.

Aufgrund meiner Nahtoderfahrung hatte ich keine Angst vor einer erneuten Blutung und setzte gegen die Befürchtungen der Ärzte alle Lebenswichtigen Medikamente ab. Ich wollte nicht sterben. Ich war lediglich der Meinung, dass meine Einschränkungen von den Medikamenten hervorgerufen würden. Danach ging es mir schnell wieder wesentlich besser. Die Müdigkeit ging zurück, Das Sehen wurde besser. Ich konnte wieder lesen. Das Wichtigste in dieser Zeit waren die Besuche meiner Familie und meiner Freunde.

Ich möchte mit meinen Zeilen nicht dafür plädieren keine Medikamente mehr zu nehmen. Das wäre sträflich. Es war lediglich meine Entscheidung. Jetzt 50 Jahre danach, ohne die Vielzahl von Medikamenten, bin ich jedoch der Meinung, dass diese meine Entscheidung für mich richtig war. Die Komplette Wiedereingliederung in Beruf und Familie gelang mir, obwohl die Fachärzte, sowie die Versicherungsfachleute und Gutachter dies für unmöglich hielten. Daher habe ich 2017 im Rentenalter eine Selbsthilfegruppe gegründet. Dies, um Betroffenen und Angehörigen einen Erfahrungsaustausch aus erster Hand zu ermöglichen. Derzeit arbeite ich an einem Buch, um meine Erfahrungen weiterzugeben. Das begann ich zu Corona Zeiten um mein Gehirn zu trainieren. Derzeit beschrieb ich meine Erfahrungen auf 346 Seiten. Werde jedoch jetzt damit beginnen alles korrigieren zu lassen um mit der Überarbeitung den Text auf wesentliche Aussagen weder zu kürzen. Mein Ziel: Max. 250 Seiten.

Nach Erneuter Integration in den ersten Arbeitsmarkt konnte ich eine eigene Familie gründen und darf mich jetzt mit 5 kritischen Enkelkindern, im Alter zwischen 1 und 6 Jahren unterhalten. An Weihnachten versuchte eine Enkeltochter, wie es funktioniert mit einer Hand die Hose runter zu bekommen und bemerkte, dass das doch nicht schwierig sei. Beim Hochziehen hatte sie jedoch gepfuscht.

Daher Liebe Sabrina, gib die Hoffnung nicht auf. Es kann besser werden. Die Ärzte tun ihr Bestes. Ihr könnt unterstützen. Wenn Ihr die Möglichkeit habt, besucht Sie und gebt ihr Mut und Zuversicht. Nehmt ihr zum weiterkämpfen die Angst. Ihr dürft nicht mit Ängsten auf sie zugehen. Hab Mut und Zuversicht. Ihr Körper und ihre Selbstheilungskräfte brauchen Zuversicht.

Gebt die Hoffnung nicht auf und arbeitet mit den Ärzten, auch wenn das in Corona Zeiten schwierig ist. Zuhause könnt Ihr dann für die richtigen Therapeuten sorgen. Corona ist eine zusätzliche Herausforderung. Ihr findet einen Weg. Gebt Eure Sorgen an Gott ab, dann hilft er bestimmt. Er weiß was richtig ist!

Liebe Grüße

Heinz

#6

Sabrina

Bielefeld, Deutschland

Danke euch allen für eure Antworte! Das gibt uns ein wenig Hoffnung. Mittlerweile spricht sie auch kaum mehr und ist sehr erschöpft. Das bereitet uns auch wieder Sorgen. Wir möchten nicht, dass sie jz noch neue Schlaganfälle dazu bekommt😔 Die Ärzte sagen, dass es wohl ne an der Physiotherapie liegt, aber die hatte sie auch vor einigen Tagen und da war sie trotzdem noch sehr gesprächig, hat gelächelt, sich viel bewegt usw..

Ich muss aber auch sagen, dass sie momentan sehr viel spucken möchte. Ob das daran liegt, dass die Tachealkanüle entfernt wurde, weiß ich nicht. Gestern hat sie dazu auch 2x erbrochen. Wir bitten die Ärzte die ganze Zeit um ein neues CT. Doch die meinen, dass es momentan keinen Grund dazu gäbe und ein MRT wird die nächste Woche ja sowieso gemacht.. 

Sowas ähnliches haben wir auch zu Beginn Mamas Krankheit hören müssen und genau danach kamen die Schlaganfälle. Wir sind daher sehr skeptisch. Was sagt ihr dazu? 

#7

Angie

Untermettingen, Deutschland

Hallo Sabrina,

ich würde nicht auf einem erneuten CT bestehen. Denn ein CT, außer den allgemein bekannten Nebenwirkungen, bedeutet Streß und das kann sie absolut nicht brauchen. Man ist müde, dauernd kommt jemand rein, usw. man kann nicht schlafen, bedeutet auch Streß. Nebenwirkungen der Medikamente? An die Medikamente muss sich ihr Körper auch gewöhnen, auch wieder Streß. Müdigkeit ist was ganz normales, lass sie ruhen, gib ihr die Zeit. Sie wird nicht wieder gesund, sie wird nicht wie früher werden. Wenn ein weiterer Schlaganfall kommt, dann kommt er und dagegen kann niemand was unternehmen, so gerne sie es tun würden.

#8

Sabrina

Bielefeld, Deutschland

Da haben Sie grundsätzlich recht.

Aber in dem Fall von Mama kamen die Schlaganfälle als Folge einer Infektion. Die Infekte haben eine Herzklappe angegriffen und die zerstörten Teile wanderten ins Gehirn und lösten dort Schlaganfälle aus. 

Somit kann man vielleicht doch neue Schlaganfälle vermeiden, wenn man eine Ischämie rechtzeitig entdeckt. 

Ich verstehe auch, dass sie sehr müde sein muss und alles seine Zeit braucht. Auch, dass sie nicht mehr die gleiche sein wird, ist mir klar. Aber diese starke Veränderungen von einem Tag auf den anderen, kann man doch auch nicht einfach ignorieren😔

Übrigens wurde sie seit zwei Tagen auf eine normale Station verlegt und seitdem ist sie so schweigsam. Ob sie dadurch Stress erlebt hat und neue Schlaganfälle folgten? 

#9

Angie

Untermettingen, Deutschland

Um weitere Schlaganfälle zu erkennen möchtest du bei deiner Mutter ein ständiges CT?

Ich kann nachvollziehen wie es dir geht, was du gerade durchmachst. Aber gib dem etwas Zeit. Sie wird ihre auf und abs haben, sie wird müde sein, sie wird topfit sein und alle Übungen mit einem Lächeln machen, alles kann sich von Stunde zu Stunde verändern.

#10

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Übrigens wurde sie seit zwei Tagen auf eine normale Station verlegt und seitdem ist sie so schweigsam. Ob sie dadurch Stress erlebt hat und neue Schlaganfälle folgten? 

 

Bei meinem Mann war der Auslöser für seine Rückschritte in der Anfangsphase ein Harnwegsinfekt den sie aufgrund des Harnwegkatheters (bei dem mehrfach beim "legen" gepfuscht wurde) nicht in den Griff bekamen und der sich über Wochen hinzog.

Ich muss m.E. kein Harnwegsinfekt sein. Infekte wirken sich grundsätzlich beim Menschen auf die Gehirnfunktion aus. Auch Gesunde denken/reagieren meist etwas langsamer. Beim geschädigten Gehirn sind halt die Einschränkungen ausgeprägter.

Als Beispiel Auswirkungen einer Grippeinfektion: https://www.netdoktor.de/news/grippe-schlaegt-aufs-gehirn/

D.h. es muss nicht zwingend ein Schlaganfall gewesen sein der sie dämpft. Ich verstehe aber Deine Ängste gut. Ich hätte damals ähnliche und mich lässt das bis heute nicht ganz los.

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