#11

Le Chuk

Bln, Deutschland

Hallo Christine

Danke für Deine Worte.
Also ich kann für mich zusammen fassend fest stellen, das ich von Anfang an in guten Händen und besonnen Geistern aufgehoben war.
Die Intensivpfleger während der Komazeit nahmen sich viel Zeit bei fragen, auch wenn sie im nach hinein als nicht durch dacht oder dumm von mir eingestuft wurden, es gibt keine dummen Fragen. Stellen sie alle Fragen, wir werden ihnen helfen.
Der Dr. der Bärbel ins Leben zurück holte nahm sich bei unserem ersten Zusammentreffen gefühlte 2 Stunden Zeit, er war unendlich lange da und hatte alle Geduld der Welt und prognostizierte in keiner Weise.
Einmal gab er eine Aussage gegenüber mir, die mich im Nachhinein immer wieder erschauern läßt, es war am Tag, als Bärbel im Ultraschall war um für die Deckelung vorbereitet zu werden. "Dafür das sie fast tot war, hat sie sich sehr gut entwickelt." Ich rechne ihm das heute noch hoch an, das er das so zu mir sagte, es hat mir auch erst so richtig aufgezeigt, wie schlimm es eigentlich war.
Ansonsten wurde immer nur gesagt, alles kann, nichts muß. Dieses Credo habe ich mir zur Maxime gemacht. Das beschreibt so ziemlich genau was geht. Wenn man als Angehöriger danach lebt und handelt, wird man den Betroffenen und sich selbst nicht überfordern (können).
In Spandau arbeiten sie auch unter diesen Maßstäben und das erleichterte mir rückblickend einiges, denn ich hatte keinen Druck, rutschte jeden Tag aufs neue in eine Situation hinein, mit der ich dann auch umgehen konnte. Hilfe gab es immer und ausreichend vom Personal, nicht nur dem pflegenden, nein auch das Fachpersonal nahm sich viel Zeit.
Mit der Neuropsychologin hatte ich per Mail und Telefon so viel Kontakte, bis zum ersten persönlichen Treffen, das es mir vorkam als würden wir uns schon Jahre kennen. Die Chefärztin ist eine Seele von Mensch, hätte sie sich nicht so akribisch dahinter geklemmt und die Sache mit dem Shunt in den Vendrikeln umgesetzt, würde Bärbel heute nicht da sein wo sie jetzt ist.

#12

Christine

Koblenz, Deutschland

Hallo Christine

Danke für Deine Worte.
Also ich kann für mich zusammen fassend fest stellen, das ich von Anfang an in guten Händen und besonnen Geistern aufgehoben war.
Die Intensivpfleger während der Komazeit nahmen sich viel Zeit bei fragen, auch wenn sie im nach hinein als nicht durch dacht oder dumm von mir eingestuft wurden, es gibt keine dummen Fragen. Stellen sie alle Fragen, wir werden ihnen helfen.
Der Dr. der Bärbel ins Leben zurück holte nahm sich bei unserem ersten Zusammentreffen gefühlte 2 Stunden Zeit, er war unendlich lange da und hatte alle Geduld der Welt und prognostizierte in keiner Weise.
Einmal gab er eine Aussage gegenüber mir, die mich im Nachhinein immer wieder erschauern läßt, es war am Tag, als Bärbel im Ultraschall war um für die Deckelung vorbereitet zu werden. "Dafür das sie fast tot war, hat sie sich sehr gut entwickelt." Ich rechne ihm das heute noch hoch an, das er das so zu mir sagte, es hat mir auch erst so richtig aufgezeigt, wie schlimm es eigentlich war.
Ansonsten wurde immer nur gesagt, alles kann, nichts muß. Dieses Credo habe ich mir zur Maxime gemacht. Das beschreibt so ziemlich genau was geht. Wenn man als Angehöriger danach lebt und handelt, wird man den Betroffenen und sich selbst nicht überfordern (können).
In Spandau arbeiten sie auch unter diesen Maßstäben und das erleichterte mir rückblickend einiges, denn ich hatte keinen Druck, rutschte jeden Tag aufs neue in eine Situation hinein, mit der ich dann auch umgehen konnte. Hilfe gab es immer und ausreichend vom Personal, nicht nur dem pflegenden, nein auch das Fachpersonal nahm sich viel Zeit.
Mit der Neuropsychologin hatte ich per Mail und Telefon so viel Kontakte, bis zum ersten persönlichen Treffen, das es mir vorkam als würden wir uns schon Jahre kennen. Die Chefärztin ist eine Seele von Mensch, hätte sie sich nicht so akribisch dahinter geklemmt und die Sache mit dem Shunt in den Vendrikeln umgesetzt, würde Bärbel heute nicht da sein wo sie jetzt ist.

 Hallo Le Chuk,

das klingt richtig gut, es freut mich, dass Du überwiegend positive Erfahrungen mit dem medizinischen Personal gemacht hast. Bei mir war (und ist) es ziemlich durchwachsen, aber zumindest kann ich sagen: Ich habe in den beiden Rehakliniken, in denen Ben bisher war (und ist), keinen einzigen unmotivierten Therapeuten kennengelernt. Alle waren engagiert und haben von Anfang an mehr Potential gesehen als die meisten Ärzte, mit denen ich gesprochen habe. Und ich habe das große Glück, dass ich bei vielen Therapien dabei sein kann.

Liebe Grüße
Christine

 

#13

Christine

Koblenz, Deutschland

Heute wieder so ein Tag, an dem ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Eigentlich überwiegt die Freude ... Aber von vorne.

Als ich auf die Station kam, lief mir schon eine Pflegerin freudestrahlend entgegen, weil Ben es geschafft hat, mit dem Rollstuhl allein zu seinen Therapien zu fahren. Ich natürlich stolz wie Bolle, schließlich hat es Monate gedauert, bis er den Weg vom Bett zum Bad beherrschte. Dann gehe ich in sein Zimmer, will ihn für diesen Erfolg feiern ... Und er schimpft und ist empört. Die Motivation beim Pflegepersonal habe offensichtlich nachgelassen – wenn er nicht selbst von der Therapie zurückgefahren wäre, würde er immer noch im kalten Flur stehen. Er dachte wirklich, er hätte nur deshalb allein fahren müssen, weil alle zu faul waren, ihn zu schieben. Ich versuche, ihm das alles zu erklären. Wie toll es ist, dass seine räumliche Orientierung besser wird und er dadurch selbständiger wird usw. Schweigen, und dann, eingeschnappt: Ich will aber nicht selbständiger werden.

Im Nachhinein muss ich fast ein wenig schmunzeln, aber in der Situation selbst hat es mich ziemlich gestresst. Dass er einfach nicht bemerken kann, was das für ein Fortschritt war und warum das positiv ist. Ich hoffe, das wird noch, ich würde mich so gerne zusammen mit ihm über solche Fortschritte freuen.

#14

Le Chuk

Bln, Deutschland

Das kenne ich auch, kleine Fortschritte werden erst als solche anerkannt wenn ich sie wiederholt anspreche, dabei geht es aber nicht um zeitnahe Momente, sondern um etwas zurück liegende, wenn ich aufzähle was sie schon wieder alles kann und was sie schon vollbrachte.
Einmal kam dann trotzig, ich habe schon gestanden.
Sicher, und ich war schon mehrmals dabei.
Dann gucken wir uns an, meist lachen wir dann.

Ist nicht einfach Christine.

#15

Christine

Koblenz, Deutschland

Hallo LeChuk,

ja, einfach ist es wirklich nicht ... Teilweise machen wir wohl ganz ähnliche Erfahrungen – bei beiden, bei Deiner Bärbel und bei Ben, ist es ja jetzt ungefähr ein Jahr her. Das Wichtigste sind natürlich die Fortschritte, man feiert jeden einzelnen. Aber heute fühle ich mal wieder total erschöpft und ausgelaugt, weil Ben jedes Mal bockig reagiert, wenn er was selber machen soll. Er will nicht verstehen, dass Selbständigkeit erstrebenswert ist. Wie schaffst Du es, Deine Motivation über so lange Zeit aufrecht zu erhalten?

#16

Le Chuk

Bln, Deutschland

Moin Christine

 

Liebe, Profan aber so ist das, egal was ich tue, egal was ich sage, überall steckt sie drin, bewußt oder unbewußt.
Jetzt will ich Dir mitnichten irgendetwas unterstellen.
Auch gehe ich jeden Tag unbeschwert in die "Situation" hinein, also ich überlege vorher nicht, was könnte ich sagen, wie werde ich sie begrüßen, was werden wir tun?
Manchmal ist sie auch etwas spröde drauf. Gestern, da ackerte sie wieder im Bett rum, das gelähmte Bein hing schon in der Absperrung.
Da sagte ich guten Tag Bärbel, worauf keine Antwort kam, oha, das erste mal, dann bat ich sie, sich doch mal bitte etwas zu beruhigen, runter zu kommen, um dann ihr Bein anwinkeln zu können, was sie dann auch selber tat, von sich heraus, wie gesagt, das ist die gelähmte Seite. Dann sortierte ich sie ein wenig um, sagte nochmal guten Tag, "oder was" dazu 😉, dann kam von ihr, Wochenende hoch die Hände und sie hob den rechten Arm in die Luft.
Dann konnten wir den Nachmittag beginnen. 

Ich mache das so, wenn sie nicht will, laß ich sie. Frage vielleicht noch mal nach, wenn dann wiederum eine Ablehnung kommt, gehe ich nicht weiter drauf ein. Ich bin unterstützend dabei, die richtige Arbeit müssen die Fachleute besorgen, ich bin eigentlich nur, in erster Linie, für die Bespaßung, gute Laune und Ideen da. So sehe ich mich. Ich muß ihr Zuversicht vermitteln, damit sie wieder oder besser, weiter, motiviert bleiben kann.
Beispiel, bisher blieb ihre vorhandene Technik, Tablet, Handy, bei den Therapien außen vor. Jetzt, wo ich "RecoverBrain" installierte, die Therapie das ausprobierte, Bärbel ein komplettes Level konzentriert durch spielte, werden sie es regelmäßig in der Therapie einbauen.
Alles richtig gemacht.
Am Donnerstag war ich wie immer nach der Frühschicht gegen 15:30 bei ihr, gegen 16:30 muß ich eingeschlafen sein. 17:15 erwachte ich wieder, ging dann kurz nach 18:00, wie immer, bin dann so 18:45 zu hause, esse noch was kleines, gehe gegen 20:30 ins Bett. Das weiß Bärbel, sie wünscht sich häufig das ich noch länger bleibe, tu ich wenn ich nächste Woche Spätdienst habe, dann bin ich Sonntags bis 20 Uhr ca da. Manchmal auch etwas länger.

Ab und an verabreden wir uns zum rausgehen, dann möchte sie aber nicht oder es geht gesundheitlich nicht oder sie saß schon Stunden lang im Rollie, dann ist das so, dann beschäftigen wir uns anders.
Gestern ergab es sich, das wir 2 Alben Bee Gees hörten und noch auf Youtube verglichen Spicks an Specks mit Puhdys ihren Wenn ein Mensch lebt.
Es ist nicht immer einfach aber so konnten wir komplexe Gedankengänge forcieren und auch die Sprache trainieren.

Mittwoch
sie: disdisidiswoschdesdreswaschwischwöch
Ich: aha
Bärbel guckt fassungslos und fragend
ich: disdisidiswoschdesdreswaschwischwöch
sie: was?
ich: was? ( im gleichen Tonfall )
wir sehen uns an, lachen
Sehr häufig bekommen wir dann aber doch noch raus was sie wollte. Manchmal ist es weg.
Dann habe ich sie gefragt ob sie das, was sie aussprechen möchte, in ihrem Kopf klar und deutlich hören kann.
Bärbel bejahte dies.
Dann sagte ich ihr das wir dann daran arbeiten müßten, mehr mit Wiederholungen zu arbeiten, macht sie auch tapfer mit, manchmal bekommen wir komplette Sätze von bis zu 8 Wörtern hin.
Ich frage aber immer so, das der Gedanke, die dann folgende Entscheidung von ihr kommt.
Also ich versuche nicht zu bestimmen.
Ich lege die derzeitige Situation dar, erkläre das ihr verständlich und gebe Lösungsvorschläge, die wir nicht immer sofort umsetzen.
Manchmal muß ich das wieder tun.
Irgendwann ist der Gedanke aber bei ihr verankert.

...und immer Ruhe, wenn Du in Dir selbst ruhst, dann vermittelst Du das auch, darauf kann er sich dann intuitiv verlassen, ohne das direkt zu wollen

Ich denke das es ihr auch geholfen hat, das ich ihr ihren derzeitigen Status und das geschehene aus medizinischer Sicht, für sie verständlich, erklären konnte.
Tot und ähnliches natürlich auslassend, auch meine Gefühle in der Zeit vermittelnd. Meine Arbeit im gesamten Team der Station 81 in Spandau. Ich denke das schafft dann vertrauen.
Letztens, als sie abgrundtief traurig war, nahm ich sie in den Arm, sie schluchzte, war erst das zweite mal in der langen Zeit, dann, als sie wieder etwas ruhiger war, sagte ich, wir werden noch viel gemeinsam weinen, um das geschehene, das was noch kommen kann aber wir werden auch noch viel lachen. 
Das war es....


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Le Chuk« (16.03.2024, 13:27)
#17

Christine

Koblenz, Deutschland

Hallo Le Chuk,

ja, Liebe motiviert mich auch, und das dürfte jedem Angehörigen so gehen, der sich tagein, tagaus um seinen kranken Partner kümmert. Ich halte es aber für wichtig, sehen und sich eingestehen zu können, dass man selbst erschöpft ist – und das Gefühl, erschöpft zu sein, hat nichts mit fehlender Liebe oder Motivation zu tun. Im Gegenteil: Wer liebt, geht halt oft auch über seine Kräfte hinaus, aber irgendwann kehrt die Erschöpfung zurück. Vielleicht liegt es bei mir auch daran, dass die Anspannung der ersten Monate nachgelassen hat. Da fängt man an, seine eigenen Gefühle wieder deutlicher wahrzunehmen.

So ähnlich, wie Du es beschrieben hast, war es in der Zeit der Frühreha Phase B bei uns auch. Ich bin täglich zur Rehaklinik gefahren, das bedeutete: 5 Stunden Zugfahrt täglich, um einfach ein paar Stunden bei ihm zu sein, mit ihm zu reden und neben ihm zu sitzen. Daneben Job, zum Glück remote, wenig schlafen, alle bürokratischen Angelegenheiten regeln, versuchen, die Zukunft zu planen, obwohl noch nichts planbar war. Da habe ich perfekt funktioniert.

Die Zeit jetzt ist einerseits nicht mehr so sehr von Ängsten geprägt, und zumindest die langen Wegstrecken sind weggefallen. Andererseits sind es andere Herausforderungen, auch im Umgang mit ihm, weil er kognitiv wieder voll da ist. Er setzt sich oft mit seiner Krankheit auseinander, auf einem hohen Niveau, Trost und Zuversicht will er dann nicht, sondern reagiert zynisch. Er weiß natürlich, dass Nicht-Betroffene seine Situation nicht nachfühlen können, daher stellt er an manchen Tagen jedes tröstende Wort in Frage. Ich verstehe das, bin aber hilflos. Im Grunde geht es dann nur darum, trotzdem da zu sein, mit ihm zu trauern. Und ihn wissen zu lassen, dass ich ihn nicht weniger liebe, wenn er wütend oder ungerecht zu mir ist.

Und das ist nur ein Aspekt unter vielen, es ist einfach ein ziemlich schweres Gesamtpaket, dass wir Angehörigen zu tragen haben.

#18

Le Chuk

Bln, Deutschland

Christine, da warst Du ja auch heftig unterwegs was der ganze notwendige Zeitaufwand erforderte.

Wir sind hier ein kleines "Häufchen" was diesen zeitlichen Aufwand betreibt oder betrieb. Mir wurde mal gesagt das ich eine rühmliche Ausnahme sei, das ein großteil der Angehörigen, respektive der Eheleute diese Zeit und auch noch Schichtwechsel nicht betreiben würde.

Ich weiß nicht genau wie ich das schaffe, es geht, ich bin manchmal platt, übel gelaunt und auch zickig aber immer funktionell. Seid dem die Storys mit fast allen Ämtern abgeschlossen ist und ich dabei bin die tausende von € abzugleichen, die durch nicht übernahme der Ämter entstanden, werde ich ausgeglichener.

In der Frühreha hat Bärbel ihre Spastik erworben und der Frontallappen und später die Vendrikel, liefen voll Gehirnwasser, so das sie im Wachkoma ähnlichen Zustand verharrte und nur wenig ansprechbar war über mehrere Wochen.

Das wurde mir im Haus auch gesagt das sie mich auch anschreien wird, ungerecht werden wird und solche Verhaltensweisen.
Bisher sind das nur immer kleine techtelmechtel die wir dann austragen.

Ihr seid da schon weiter als wir, da kann ich Dir schlecht Beistand geben. Meine Bärbel wird wohl mindestens bis Ende dieses Jahr, vielleicht auch noch einige Zeit im nächsten Jahr dort verbleiben müssen.

Ist das bei Ben eine Form von Wesensänderung oder ist er dann an diesen Zeitpunkten "nur" schlecht gelaunt und vielleicht mit sich selbst überfordert?

#19

Le Chuk

Bln, Deutschland


Und das ist nur ein Aspekt unter vielen, es ist einfach ein ziemlich schweres Gesamtpaket, dass wir Angehörigen zu tragen haben.

 unbedingt

unterschreibe ich

#20

Christine

Koblenz, Deutschland

Christine, da warst Du ja auch heftig unterwegs was der ganze notwendige Zeitaufwand erforderte.

Wir sind hier ein kleines "Häufchen" was diesen zeitlichen Aufwand betreibt oder betrieb. Mir wurde mal gesagt das ich eine rühmliche Ausnahme sei, das ein großteil der Angehörigen, respektive der Eheleute diese Zeit und auch noch Schichtwechsel nicht betreiben würde.

 

Ja, das ist auch meine Erfahrung. In der Frühreha gab es ein paar Ehefrauen, die ich fast jeden Tag gesehen habe, eine wechselte sich mit dem Bruder des Betroffenen ab. In der Rehaklinik jetzt nur sehr wenige Patienten, die eine Begleitperson haben oder regelmäßig besucht werden.

 

 

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