#1

Romidogi

Mettlach, Deutschland

Hallo,

ich muss mal wieder fragen. 

Am 23.09. hatte mein Stiefvater (74, bis zum Unfall fit) einen schweren Unfall mit SHT, dann OP aufgrund Blutungen und Hirnschwellung mit Kraniektomie am 29.09. Seit 3.11. ist er in Frühreha B. 

Die rechte Seite ist beeinträchtigt, mit Kraftminderung. Laufen kann er noch nicht. Essen klappt etwas, er hat zusätzlich eine PEG. Er war stets sehr schläfrig, in den letzten Wochen auch im wachen Zustand sehr abwesend. Teilweise kommen sinnvolle Antworten auf Fragen, auf eine Rückfrage kommt dann aber nichts mehr.

Vor allem die kognitiven Einschränkungen machen mir Sorgen. Müssen wir uns darauf einstellen, dass dies so bleibt? Oder kann sich da noch etwas verbessern? Wie sind Eure Erfahrungen? Es sind seit dem Unfall ja doch schon 8,5 Wochen vergangen.

In der jetzigen Form können wir ihn nicht nach Hause holen, auch eine Reha C ist meiner Meinung nach so nicht möglich. Das macht uns sehr traurig.

LG

Kerstin

 

#2

Angie

Untermettingen, Deutschland

Es kann sich alles verbessern, es kann aber auch genauso bleiben. Das ist ganz verschieden, bei jedem anders.

#3

Heinz

königswinter, Deutschland

Ein SHT ist leider kein Beinbruch oder eine Grippe. Die Besserung dauert leider länger. Wie lange? Darauf gibt es keine Antwort. Leider gibt es kein Patentrezept für eine Wiederherstellung des Bestzustandes. Dafür sind viele Faktoren zu beachten. Beispiele:

  • Wie schlimm ist die Schädigung?
  • In welchem Hirnbereich trat die Schädigung auf?
  • Wie lange hat es gedauert, bis die erfolgreiche und fachlich richtige Akutbehandlung erfolgen konnte? ("Zeit kostet Gehirn")
  • Wie qualifiziert war die Aufnahmeklinik?
  • Wie verhält sich der Geschädigte?
  • Wie wird der Geschädigte womit und wobei liebevoll unterstützt?
  • Wie motiviert ist der Geschädigte?
  • Wie motiviert sind die Unterstützer?
  • Wie motiviert sind die Therapeuten?

Erst wenn diese Fragen positiv beantwortet werden können, ergibt dies eine optimale Erfolgsprognose. Denn dann können die Selbstheilungskräfte am besten die Ausfallerscheinungen wieder beheben. In einem Pflegeheim sind diese Faktoren leider kaum noch positiv zu unterstützen. (Pflegenotstand)

Leider gibt es für einen SA geschädigten keine endgültige und sichere Prognose die man beschreiben könnte oder auch keine bekannten Super-Medikamente, Super-Technik oder romanhafte Wunderheilung, mit der die Folgen einer Schädigung des Zentralen Nervensystems auf die Schnelle dauerhaft geheilt werden könnte. Hier ist Ruhe, Achtsamkeit, Zeit (Wochen-, Monate-, oder gar, je nach Schädigung, jahrelanges Training und Unterstützung) gefragt. Sich nach der kurzen Zeit schon als Wahrsager ein Bild zu machen ist nicht sinnvoll.

Geht von einer positiven Entwicklung aus und unterstützt den Betroffenen. Dann wird eine Besserung zur erneuten größtmöglichen Selbständigkeit meist möglich. Ihr habt es in der Hand.

Fragt Euch:

  • Was könnt Ihr ermöglichen ohne Euch über Gebühr zu schädigen?
  • Wer kann Euch wie helfen, damit Ihr optimal unterstützen könnt ohne Euch zu sehr zu belasten?

Holt Euch Hilfe und Unterstützung. Alles alleine geht nicht. Denn dann werdet Ihr überlastet und alles bricht zusammen.

Fragt beispielweise bei den

  • Sozialverbänden,
  • Eurer Krankenkasse,
  • der Pflegeversicherung,
  • der Hannelore Kohl Stiftung,
  • dem BdH,
  • der EUTB

und den Klink eigenen Fachleuten (Ärzten, Sozialberater und Therapeuten) nach.

Fragt Nachbarn, Freunde, Bekannte. Alles kostet Zeit. Diese Zeit am Anfang investiert spart viel Energie und so manchen Fehler und Fehleinschätzung. 

Ihr seid nicht alleine. Lasst Euch finanziell und rechtlich helfen. Für Euch ist derzeit leider alles Neuland. Behaltet die Ruhe und Nerven.

Wenn keine Unterstützung erfolgt, tritt beim Betroffenen Resignation und Depression und Stagnation ein. Eine eventuelle schnellstmögliche Besserung wird hierdurch sehr erschwert. Der Betroffene kann sich derzeit leider meist kaum selbst helfen und steht sich manchmal sogar selbst im Wege. Dafür gibt es menschliche und gesetzliche Unterstützung. Nutzt diese! Hier hilft die Familie am besten.

Bitte nimm mir meine Direktheit nicht übel.

Ich wünsche Euch viel Glück, Kraft und Vertrauen für die richtige Entscheidung. Alles wird gut!

Liebe Grüße

Heinz


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Heinz« (24.11.2022, 23:27)
#4

Romidogi

Mettlach, Deutschland

Vielen Dank für Eure Antworten! 

Die meisten Fragen von Heinz können wir positiv beantworten (Hilfe war schnell da, er kam gleich in die Neurochirurgie und wurde dort gut behandelt, von der Rehaklinik haben wir einen sehr guten Eindruck und wir Angehörigen sind extrem motiviert).

Das Gehirn war vor allem links betroffen. Wie uns der Arzt erklärt hat, soll schnellstmöglich die Deckelung erfolgen, weil der offene Teil vom Schädel tief eingesunken ist und dadurch die eine Hirnhälfte auf die andere drückt (hoffe, dass ist so richtig ausgedrückt). Dadurch lässt sich auch die Verschlechterung erklären.

Wir machen alles, was wir können, fahren so oft wie möglich hin und motivieren ihn, gut zu trainieren, damit er schnell wieder heimkommen kann. 

Im Moment warten wir auf den Termin zur Deckelung.

Die Anlaufstellen, wenn wir Hilfe brauchen, merke ich mir, vielen Dank.

#5

Angie

Untermettingen, Deutschland


Die Anlaufstellen, wenn wir Hilfe brauchen, merke ich mir, vielen Dank.

 

Das, habe ich festgestellt, ist ein Fehler. Bei uns in der Gegend ist alles total unterbesetzt. Es dauert gefühlt ewig bis einer Zeit hat. Lass dich überall auf die Warteliste setzen, absagen kannst du immer noch.

#6

Heinz

königswinter, Deutschland

Bitte macht es wie Angie sagt.

Warten kommt später sowieso gezwungenermaßen auf Euch zu. Denn in Zukunft müsst Ihr teilweise ad hoc entscheiden und das ohne große Vorbereitung. Ansonsten ist die Chance vertan und ihr müsst warten, warten, warten. Macht Euch schnellst möglich ein Bild davon wer, wie, womit schnellst möglich helfen kann. Schaut im Internet nach wo die helfenden Organisationen möglichst in Eurer Nähe sind und fragt per mail und später per Telefon welche Unterstützung, die meist im Internet bezeichnet sind, für Euch möglich sind. Dann erst geht Ihr am besten konkreter vor und macht Termine vor Ort. Das ist jetzt schnellst möglich erforderlich. Ihr müsst jetzt lernen, lernen, lernen.

Liebe Grüße

Heinz

#7

Romidogi

Mettlach, Deutschland

Vielleicht stehe ich gerade auf dem Schlauch, aber in welcher Form könnten wir denn Unterstützung brauchen?

Derzeit können wir nicht mehr tun als ihn so oft wie möglich besuchen und die Ärzte nerven (das habe ich hier schon gelernt 😉

Wenn er mal nach Hause kommt, können wir je nach Zustand Pflegegeld beantragen und einen SBA, evtl. Hilfsmittel wie Rollstuhl und so.

Unsere ganze Familie ist im VDK, hier kriegen wir Rechtsbeistand, wenn nötig (klappt auch, musste ich für meinen Sohn schon in Anspruch nehmen).

Wo könnten wir denn noch Hilfe gebrauchen? Wie geschrieben, mir fällt da nichts ein, wir stehen ja auch gerade erst am Anfang.

Umso froher bin ich für dieses Forum und Eure Tipps.

#8

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Vielleicht stehe ich gerade auf dem Schlauch, aber in welcher Form könnten wir denn Unterstützung brauchen?

 

... ehrlich gesagt bin ich auf die Antworten auch gespannt. 

Was ich aber an eurer Stelle jetzt schon tun würde:

- mit Pflegediensten Kontakt aufnehmen und fragen ob und wie kurzfristig sie einsetzbar wären

- das Gleiche mit Therapeuten - ggf. auch gleich fragen ob sie Hausbesuche machen würden.

Je nach Region kann es sein, dass ihr gar keinen Pflegedienst bekommt (hatten wir hier im Forum vor einigen Monaten - und das in der Nähe einer Großstadt). Ebenso kann es problematisch mit den Therapeuten werden.

 

#9

Annin

Bayern, Deutschland

Und jetzt schon den Pflegefall melden und eine Einordnung des Pflegegrades beantragen. Es gilt das Datum des Anschreibens! Nicht der tatsächliche Beginn der Pflegebedürftigkeit.

#10

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Und jetzt schon den Pflegefall melden und eine Einordnung des Pflegegrades beantragen. Es gilt das Datum des Anschreibens! Nicht der tatsächliche Beginn der Pflegebedürftigkeit.

Der Pflegegrad gilt erst nach der Entlassung aus der Reha. Vorher findet auch keine Begutachtung statt. Gemeldet wird das in der Regel von der Reha selbst. 

Zumindest ist das mein Kenntnisstand

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