#1
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Unbekannt

Gelöscht

Erfahrungen

Hallo

mein Bruder hatte am 01.05.21 eine Aneurysma Ruptur mit Subarachnoidalblutung links mit anschließender Kraneotomie. Er lag fast 3 Wochen im Koma und ist jetzt seit dem 26.05. in einer neurologischen Frührehabilitation. Die Beatmungsentwöhnung hat er nach ca. 10 Tagen erfolgreich beendet. Er versucht seit ca. 14 Tagen immer mal wieder zu sprechen aber es klappt nicht so recht. Er versteht alles was wir sagen und hört auch aktiv zu. Er lacht über unsere Witze und arbeitet super bei den Therapien mit. In den nächsten Tagen soll er dekanüliert werden. Wie gesagt, dass sprechen funktioniert noch nicht und er versucht es immer wieder aber außer ein paar leiser Töne haben wir noch nichts gehört. Ein Arzt sagte uns er hätte was gesagt bei seiner Visite aber man wusste nicht ob es spanisch war. Wir kommen aus Spanien und er hat von Anfang an, nach dem langsamen wach werden aus dem Koma, immer besser auf die spanische Sprache reagiert. Er spricht beide Sprachen einwandfrei. Ich habe gehört, dass bei manchen Patienten das Sprechen nach dem ziehen der Trachealkanüle begonnen hat bzw. besser geworden ist.

Hat jemand damit Erfahrungen und eventuell Tipps wie ich ihm da helfen könnte.

 

 

#2

Angie

Untermettingen, Deutschland

Hallo,

ich will dir nicht die Hoffnung nehmen aber es kann sein das er nie wieder spricht. Es kann aber auch anders ablaufen. So früh ist noch alles offen.

Bei mir war auch zuerst gar nichts mehr, dann einzelne Wörter und im Laufe von 3 Jahren wurde es immer besser. Nach 10 Jahren ist es gut genug für mich und meine Familie und wird auch nicht besser werden, denn ich verstehe alles, ich kann alles sagen. In Gedanken. Raus kommt ein Wirrwarr und meine Familie hat noch die Geduld und Zeit um das Rauszuhören was ich eigentlich sagen will.

Nimm dir Zeit, versuche hinzuhören, gib ihm Zeit etwas zu sagen. Wenn ich an das Personal denke was dann sofort anfing Rate mal zu spielen wird mir schlecht. Für mich gabs nichts schlimmeres als Fremde die mir Worte in den Mund gelegt haben. Lass ihn weinen, wenn es nicht klappt, weine mit ihm, freue dich wenn etwas klappt.

Suche jetzt schon eine Logopädin oder Logopäden. Den braucht ihr und Termine bei solchen sind sehr weit in der Ferne. Sie sollte Erfahrung mit solchen Patienten haben. Frag in der Klinik nach ob sie jemand kennen, vielleicht kennen die Jemand.

#3
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Angie,

vielen Dank für deine Infos und deine Tipps. Wie Du sagst es ist recht früh und wir wissen, dass es ein langer Weg wird. Heute hat er das erste mal ein Wort gesagt. Seine Freundin und einer der Pfleger meinten das Wort "Wohnung" herausgehört zu haben und es schien, seinem Ausdruck zufolge, wohl richtig gewesen zu sein. Natürlich war die Freude groß und wurde mit allen geteilt. Ich werde mir deinen Rat, kein Ratespiel daraus zu machen zu Herzen nehmen, denn ich denke, dass es sehr frustrierend für den Betroffenen sein kann.

Vielen Dank nochmal. Und alles gute weiterhin für dich.

 

#4
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Angie,

darf ich fragen, wie du das mit dem Ratespiel meinst?

 

Meine Mutter (60 Jahre) hatte im Februar einen schweren Schlaganfall und ist bisher von der Sprache her noch sehr eingeschränkt. Sie kann mit ja und nein antworten, hat aber wohl auch ein sehr eingeschränktes Sprachverständnis. In der Frühreha hat man mir erklärt, dass sie z. B. auf die Frage "Sind Sie ein Mann?" ganz vehement mit nein geantwortet hat, aber solche Fragen wie "Hat Ihre Tochter ein Motorrad? (hab ich nicht, auch nie gehabt) oder sogar sowas wie "Hat eine Kuh vier Beine?" antwortet sie entweder ganz beliebig oder schaut verwirrt.

Eigene Gedanken kann sie praktisch noch gar nicht formulieren. An guten Tagen antwortet sie mit "hallo" und "tschüss", an ganz guten Tagen sagt sie z. B. mal, wenn man ihr Blumen mitbringt, "Schön!". Sowas ist derzeit schon ein riesiger Erfolg.

Ansonsten wiederholt sie aber nur immer wieder meinen Namen. Man hat mir in der Frühreha erklärt, dass das ein Automatismus sei, denn sie sagt das Wort in so ziemlich jeder Situation. Anscheinend denkt sie selbst auch, dass sie was anderes sagt, denn wenn sie sich mitteilen will und immer nur dieses Wort wiederholt, wird sie oft richtig sauer, wenn wir sie nicht verstehen. So als würde sie denken: "Ich hab's doch jetzt schon 10 mal gesagt, warum versteht ihr mich denn nicht!"

 

Bisher hab ich dann immer versucht, mit Rückfragen auf die Spur zu kommen. "Hast du Schmerzen?" "Liegst du nicht gut?" "Ist dir zu warm?" Aber in der Regel kommen wir nicht drauf. Sie kann auch leider noch nicht zielgerichtet zeigen, manchmal zeigt sie in den Raum, aber es bleibt absolut unklar, was sie dann will (Fenster auf, Fenster zu, aufstehen, nachhause...).

 

Ich hatte gehofft, ihr mit Rückfragen auf Dauer vielleicht entgegenkommen zu können. Aber du schreibst ja, dass dich solche Ratespiele nerven und nicht weiterhelfen. Kannst du das genauer erklären?

Und wenn du sagst, dass bei dir oft noch ein Wirrwarr rauskommt, heißt das aber, dass es mit dem Schreiben besser klappt? Denn dein Text hier ist ja vollkommen verständlich.

Für mich ist das Thema Aphasie noch sehr neu und es ist schwer mitanzusehen, wie verzweifelt meine Mutter in ihrer "Sprachlosigkeit" oft ist. Ich möchte sie gerne unterstützen, so gut es geht.

 

 

#5

Angie

Untermettingen, Deutschland

Ja, das Schreiben klappt bei mir besser. Zumal ich auch alles nochmal ansehen und verbessern kann.

Ich hatte den Schlaganfall auf der linken Seite, d.h. rechts habe ich die Lähmungen und ähnliches. Meine Handschrift kann niemand außer mir lesen. Zum Glück gibts die Tastatur 😃

Es ist als würde man ganz klar und deutlich sprechen, aber die anderen sehen einen an als hätte man einen an der Klatsche. Hat man ja auch 😉 aber das will man eigentlich gar nicht akzeptieren.... Ein Teufelskreis... Hast du schon mal versucht gar nicht mit deiner Mutter zu sprechen? Einfach nur da sein? Und das mit dem Automatismus würde ich so nicht stehen lassen. Denn die Namen meiner Kinder waren sofort wieder da. Nur mit dem Sprechen hats natürlich nicht geklappt womit wir wieder beim Teufelskreis wären. Der Name meines Mannes war anfangs auch bei mir der Automatismus, weil ich absolut nicht verstanden habe was diese ganzen Leute von mir wollen?

#6
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Angie,

vielen Dank für die Erklärungen, das ist wirklich interessant. Ich hoffe, dass wir zukünftig - vielleicht auch über Schrift - einen weiteren Kanal für Kommunikation mit meiner Mutter finden.

Ich probiere bei den Besuchen inzwischen viel Verschiedenes aus. Manchmal ist es tatsächlich gut, einfach zu schweigen. Wenn sie einen guten Tag hat, ist auch über die Mimik viel Austausch da, dann schauen wir uns manchmal einfach nur an und weinen zusammen.

Dass sie meinen Namen immer wiederholt, hat sie in der Klinik angefangen, als sie mit der dortigen Logopädin und den Fotos von mir und den Haustieren geübt hat. Man hat relativ schnell gemerkt, dass sie damit meistens nicht nach mir rufen wollte, sondern irgendwas anderes sagen will, aber es kommt eben immer nur dieses Wort raus.

Ich merke es auch, wenn ich mit ihr übe. Wenn sie ruhig und konzentriert ist, kann sie auch andere Wörter sagen (z. B. vorgesagte Wörter nachsprechen, Sprichwörter ergänzen, zählen... ab und zu kann sie inzwischen auch schon ein einzelnes Wort selber ablesen). Immer wieder kommt dann aber stattdessen mein Name raus. Manchmal merkt sie es selbst, dann sagt sie: "Nein, falsch" und probiert es nochmal.

Wenn sie aufgeregt ist, kommt nur mein Name bzw. inzwischen auch noch ein zweites Wort, das sie dann ständig wiederholt. Das scheint sie nicht immer zu merken, sie denkt dann wohl, dass sie eigentlich was anderes sagt und regt sich dann furchtbar auf, dass wir sie nicht verstehen.

Leider kann sie weiterhin bisher noch praktisch überhaupt keine eigenen Gedanken ausdrücken, sondern nur auf Vorgesagtes reagieren oder mit ja/nein antworten (eingeschränkt). Das ist ein großer Leidensdruck für sie, aber inzwischen lässt sie sich häufiger auf Übungen ein. Ich sage ihr immer wieder, dass sie wahrscheinlich einen ganz bestimmten Gedanken im Kopf hat, aber dass es im Moment nicht so rauskommt und wir sie deshalb nicht verstehen. Dann sagt sie "Ja, genau!", sie scheint es so langsam zu begreifen, das ist schonmal ein Fortschritt, damit sie nicht immer direkt so verzweifelt reagiert.

 

Als nächstes würde ich es gerne mal mit Bildkarten versuchen (Alltagsgegenstände mit dem entsprechenden Wort drunter), vielleicht hilft ihr das einerseits bei der Reproduktion dieser Wörter oder sie könnte irgendwann zumindest darauf zeigen. Es gibt ja auch solche Kommunikationsbücher, aber bisher fällt ihr auch das zielgerichtete Zeigen noch schwer.

 

Geschrieben hat sie in der Klinik ein paar mal mit der dortigen Logopädin. Sie konnte einzelne Wörter nachschreiben, etwas krakelig, da mit links, aber lesbar. Leider ist das aber durch das viele Hin und Her mit den verschiedenen Einrichtungen, in denen sie seither war, erstmal nicht weiterverfolgt worden. Da sie auch noch sehr schlecht im Rollstuhl sitzen kann (wg. Schmerzen), habe ich sie bisher auch fast nur liegend erlebt und dann ist sowas einfach auch schwierig umzusetzen. Ich hoffe aber sehr, dass sich da für sie noch was tut.

@petalillo: Wie geht es deinem Bruder inzwischen?

 

 

#7

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Hallo Calendula,

bei jedem wirkt sich Aphasie anders aus. Manch einer lernt das Schreiben z.B. nie wieder, andere haben die Fähigkeit gar nicht verloren. Wenn ich eines gelernt habe dann das, dass selbst Neurologen mit ihrer Einordnung was den Aphasietyp angeht daneben liegen können und Prognosen sind sowieso für den Popo. Und vieles ist auch im Fluss.

Bei meinem Mann hatte man mir nach 4 Monaten Reha mit auf den Weg gegeben: "gehen Sie davon aus, dass ihr Mann sich sprachlich nicht mehr weiter entwickeln wird". 

Mh ja.. ein halbes Jahr später war mein Mann aufgrund seines schweren epileptischen Anfalls und den daraus resultierenden Rückschritten im motorischen Bereich erneut in der gleichen Rehaeinrichtung (lies sich dank Corona leider nicht vermeiden). Der gleiche Arzt, der mir das damals gesagt hatte war ob der Entwicklung meines Mannes ziemlich überrascht. Ja klar, er spricht bis heute selten vollständige Sätze, Kommunikation ist nach wie vor manchmal mühsam und es kommt zu Missverständnissen, aber es geht deutlich mehr als vor ein paar Monaten. Unschön ist, dass er nach wie vor Ja und Nein nicht immer korrekt einsetzt. Meist wenn er müde oder geistig stark gefordert ist. Dann muss man noch mal nachhaken.. dann klappt auch das.(nervig ist es trotzdem)

Dass Du heute schon die Sprichwörter vervollständigen lassen kannst ist mehr, als das was mein Mann nach der ersten Reha zu leisten in der Lage war. Bildkarten waren bei meinem Mann damals ein echtes Trauerspiel - mit 2 Karten war er bereits überfordert. Lesen war mehr ein Raten als ein Wissen. Übrigens übt mein Mann bis heute nicht gerne mit mir wenn sich das Übung nennt. Aber wenn ich das Ganze in den Alltag einbinde, dann geht da sehr viel und er hat Freude daran. 

Klar, Du hast keine Möglichkeit Alltag zu leben. Aber wie wäre es, wenn Du mit Deiner Mutter singst. Ja.. singen. Die meisten Aphasiker können beim Singen die Texte von sich geben. Mir wurde vom Logopäden in der Reha erklärt, dass hier die andere Gehirnhälfte, die für die Emotionen zuständig ist, den geschädigten Sprachbereich unterstützt. Ob das richtig ist kann ich nicht sagen (dieser Logopäde war keine wirklich "Koryphäe") aber dass es funktioniert, das weiß ich sicher. Dieser Logopäde hatte damals diese Singerfolge als "hilft nicht gegen Aphasie" abgetan, die Logopädin die danach kam konnte das gar nicht nachvollziehen. Und Recht hatte sie, denn für meinen Mann war es schon ein riesen Erfolg und ein tolles Gefühl seine Stimme mal wieder zu hören.

Marmor, Stein und Eisen bricht... das beherrscht jeder. Selbst die, die sonst nicht singen. Mein Mann war glücklicher Weise früher sehr textsicher (sicherer als ich) und außerdem auch mal ne Zeit lang als Musiker aktiv, mit ihm gehen auch ziemlich viele alte Volkslieder. Weihnachtslieder müssten bei den meisten Menschen auch klappen - oder Kinderlieder. Marmor, Stein ... das singen wir gerne beim Kochen.. mit viel Torööööö, laut, manchmal falsch, aber mit viel Spass. Versuch's. Ein Lied ansingen das Deine Mutter sicher kennt, und dann mitten im Text stoppen und fragen.. weisst Du den Text weiter (und die Melodie weiter summen). Oder erst einmal gemeinsam eine Melodie summen und dann sachte mit dem Text anfangen.. 

Das "Vater unser" ging bei meinem Mann ab der Phase "Sprichwörter vervollständigen" auch ziemlich gut. 

Hast Du schon etwas von "Anlauthilfe" gehört und wie das eingesetzt werden kann? Auch das zu nutzen wäre einen Versuch wert.

Hat denn Lesen schon etwas funktioniert? Falls ja, dann vielleicht mal die Bildzeitung mit bringen und die Überschriften lesen lassen. Und... ach so.. Wörter bilden mit Scrabbel. D.h. Du suchst die Buchstaben für ein kurzes Wort heraus, legst im ersten Versuch einige Afangsbuchstaben und gibst ihr die übrigen Buchstaben zum vervollständigen. Auch wenn es lange dauern mag, so lange sie nicht frustriert wirkt.. versuchen lassen. 

Spiele im Allgemeinen sind gut für die Konzentration und das hilft auch beim Logopädietraining. (also unbedingt Hirnleistungstraining anstreben - B 8552 Umbr.001-141 (therapeutische-motorikspiele.de)). Memory (erst mal aufgedeckt Paare bilden lassen - mit wenigen Kartenpaaren beginnen. Dann steigern), oder Mensch ärgere Dich nicht, oder 4 gewinnt, oder Domino. Du musst ausprobieren was geht. Memory habe ich in der Reha begonnen, gleich zu Beginn als er in einer sehr schlechten Verfassung war. 4 Paare aufgedeckt sollte er zusammen bringen. Das dauerte 1,5 Std., unterbrochen von Schlafphasen. Am nächsten Tag der gleiche Versuch... da ging das schon schneller. Am Ende der Reha hat er mich manchmal beim Memory, regulär gespielt, geschlagen. Ich sollte aber ergänzen... er kann's heute nicht mehr sehen 😉.

Sofern die Motorik funktioniert... Puzzles. Am Anfang halt die für Kleinkinder (große und wenige Teile). 

Seitdem mein Mann das Lesen langsam für sich entdeckt liest er gerne Kinderkurzgeschichten. Er mochte so etwas aber schon immer gerne und findet das nicht albern. Geschichten halt mit einfachen Sätzen. 

Was mich stutzig machen würde sind die Schmerzen die Deine Mutter im Rollstuhl hat. Was ist die Ursache? Wo genau entstehen die Schmerzen? Was unternimmt die Physio dagegen? Das ist doch kein Dauerzustand. Werden mit Ihr Übungen für den Oberkörper im Bett gemacht? Was kann sie eigenständig bewegen?

Hast Du schon mal die Blutwerte Deiner Mutter bezüglich B12 + D3 bestimmen lassen? 

Jetzt habe ich ganz viel geschrieben. Was ich aber eigentlich sagen wollte, und nicht geschrieben habe, ist: Lass' den Kopf nicht hängen, habt Zuversicht, vertraue auf die Neuroplastizität des Gehirns! Die paar Monate sind doch noch gar keine Zeit.

Neuroplastizität - Institut Ruth Mischnick (i-rm.org)

#8
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Amsel,

vielen Dank für die aufmunternden Worte und die vielen Tipps und Links!

Du hast auf jeden Fall Recht. Dass man auf Prognosen in diesem Fall nicht viel geben sollte, habe ich inzwischen schon festgestellt. Die Ärzte sind wirklich immer am pessimistischsten. Als meine Mutter aus der Frühreha entlassen wurde, hat der Neurologe mir noch mitgegeben, dass ich mich nie mehr sinnvoll mit meiner Mutter werde unterhalten können. Ja, vielen Dank auch...

Die Logopäden sehen hingegen eigentlich immer noch Potential. Die Fortschritte sind zwar langsam und das viele Hin und Her zwischen den Einrichtungen mit entsprechend immer wieder Therapiepausen hat wohl auch alles schwieriger gemacht, aber z. B. die jetzige Logopädin in der Intensivpflegeeinrichtung hat mich extra angerufen, um mir zu sagen, dass ich im neuen Heim unbedingt zeitnah weitere Logopädie organisiseren soll, weil sie noch so viel Potential in der Mama sieht.

Ich habe auch von Leuten im Bekanntenkreis gehört, dass Ärzte oft so schlechte Prognosen geben. Eine Freundin der Mama, die auch einen schweren Schlaganfall hatte, 6 Wochen Koma, danach noch lange komplett stumm, hat mir auch erzählt, dass die Ärzte gesagt hätten, mit ihr wird das nichts mehr.
Als ich sie über den Schlaganfall meiner Mutter informiert habe, habe ich eine halbe Stunde mit ihr telefoniert, also soviel dazu...

Für uns wäre es schon ein großer Fortschritt, wenn die Mama zumindest einzelne Wörter kommunizieren könnte, damit sie sich selber mal mitteilen kann. Das würde wahrscheinlich auch schon ein Stück Leidensdruck rausnehmen, und das traue ich mit etwas Zeit auch auf jeden Fall zu.

Sprichwörter ergänzen ging erstaunlicherweise direkt von Anfang an. Ich sage: "Ende gut", sie sagt: "alles gut." Ich sage: "Wer anderen eine Grube gräbt", sie sagt: "fällt selbst hinein." Die Aussprache fällt noch schwer, aber trotzdem finde ich das erstaunlich.
Inzwischen macht ihr sowas auch Spaß, manchmal machen wir eine ganze Liste mit 50 Sprichwörtern durch.

Wenn sie aber ein einzelnes Wort ohne Zusammenhang reproduzieren soll, fällt ihr das viel schwerer. Da kann sie noch nicht mal ihren eigenen Namen sagen. Das scheint wirklich woanders im Gehirn verknüpft zu sein.
Es kann z. B. sein, dass sie da Wort "Sonne" nicht schafft nachzusprechen, aber wenn ich sage: "Draußen scheint die...", dann sagt sie: "Sonne". Immer, wenn es eine eindeutige Ergänzung gibt, fällt es ihr leicht.

Gesungen hat sie tatsächlich in der Frühreha mit ihren Therapeuten auch. Anscheinend konnte sie sowas wie "Bruder Jakob" oder "O Tannenbaum" komplett durch"singen". Es ist nicht wirklich singen, weil dafür ihre Stimme noch zu heiser ist, aber der Text sitzt.
Ich habe das auch mal ausprobiert, aber ich glaube, da haben wir irgendwie noch eine Hemmschwelle, vielleicht schämt sie sich da noch. Ich muss dazu sagen, dass wir nie ein wirklich enges, intimes Verhältnis hatten, wir sind beide vom Typ her eher etwas distanziert. Zusammen gesungen haben wir nicht mal in meiner Kindheit (für sowas war die Oma zuständig), vielleicht braucht das deswegen etwas mehr Anlauf.
Ich merke aber, dass sich unser Verhältnis seit dem Schlaganfall sowieso sehr ändert und da auch eine neue Nähe entsteht, die vorher nicht da war. Wer weiß, vielleicht singt sie demnächst ja auch lauthals mit mir 😉


Anlauthilfe als Begriff kenne ich jetzt nicht, ist das, wenn man nur den ersten Buchstaben andeutet als Hilfe? Sowas habe ich vorgestern beim Besuch probiert. Sie liest immer sehr gerne die Wörter mit, die wir üben, deswegen hatte ich (Tipp von der ersten Logopädin) solche Schildchen gemacht. Ganz ohne vorsagen ablesen kann sie nur in Ausnahmefällen, aber vorgestern hab ich mal versucht, nur den ersten Laut anzudeuten und nicht das ganze Wort vorzusagen. Ist das damit gemeint?

Irgendwelche Spiele, die einen Tisch benötigen, konnte ich leider mit ihr noch gar nicht machen, weil das im Liegen so schlecht funktioniert (Domino, Memory...).
Leider ist das Thema "Sitzen" bei ihr das, was mir die größte Sorge macht. Das war schon in der Frühreha das Problem, dass sie es nie lange ausgehalten hat. Sie wird sofort unruhig, unzufrieden, und dann weint und schreit sie auch ziemlich schnell, so dass man nicht mehr vernünftig an sie ran kommt.

Die Ursachen... gute Frage. Wahrscheinlich kommt vieles zusammen. Sie hatte vor dem Schlaganfall schon viel mit Schmerzen zu tun (Fibromyalgie etc.), das liegt wohl in der Familie. Ich kann ein Lied davon singen, ich halte es auch nie lange in einer Position aus, ein Film im Kino wird da schon zur Belastungsprobe. Ich befürchte, der Bewegungsmangel seit dem Schlaganfall hat das für die Mama nicht besser gemacht.
Dann ist sie recht übergewichtig, das spielt wohl auch eine Rolle. Sie will im Stuhl immer hin- und herrutschen, um die Position zu verändern, aber sie ist zu schwer und schafft das mit dem linken Arm allein nicht.

Sprich, vorher schon viel Schmerzen gehabt und absolut untrainiert (sie konnte die letzten Jahre kaum noch 50 Meter am Stück gehen und hat sich leider auch immer mehr hängen lassen), jetzt rechte Seite komplett gelähmt, Übergewicht... sie kann den linken Arm/Hand inzwischen ganz gut bewegen, greifen, sich abstützen... das Bein ist, glaube ich, noch etwas unkoordiniert. Und rechts - wie gesagt - bisher leider noch nicht die kleinste Bewegung 😞

Seit der Frühreha bekommt sie schon Schmerzmittel, sie hat jetzt durchgehend ein Fentanylpflaster und bekommt noch Schmerzmittel nach Bedarf obendrauf. Damit sie überhaupt liegen kann.
Trotzdem bekomme ich die Rückmeldung, dass sie im Sitzen immer noch ganz wenig Ausdauer hat und dann auch wirklich laut wird. Immerhin ist jetzt in der Intensivpflege regelmäßig mit ihr trainiert worden, in dem ersten Pflegeheim wurde sie ja überhaupt nicht mobilisiert (nix Bettkante, nix Rollstuhl, nur einmal pro Woche kam der Physiotherapeut).

Ich hoffe sehr, dass das im neuen Pflegeheim besser läuft und man dort dran bleibt. Klar, es ist schwierig und aufwändig mit ihr, aber ich befürchte, dass sie sonst bald zur kompletten Bettlägerigkeit verdammt ist, was ich mit 60 Jahren ganz, ganz schlimm fände.

Vitamin D und B12 steht auf ihrer Medikamentenliste, das scheint sie also zu bekommen. Mir ist allerdings auch unklar, wie oft eigentlich ein Arzt nach sowas schauen sollte. Im KH wurde alles sehr engmaschig überwacht, aber jetzt im Pflegeheim kann es ja nicht sein, dass sie 14 Medikamente jeden Tag bekommt und da ewig keine Werte kontrolliert werden. Ich als Laie kann das ja alles gar nicht beurteilen.

Ich hoffe, die anderen Leser profitieren auch ein bisschen von diesen Infos, ich hab immer etwas schlechtes Gewissen, wenn ich so aushole. Kurz fassen ist nicht so meine Stärke 😞

Liebe Grüße
Calendula


#9

Lunamaus

ba, Deutschland

Wie gehts deinem Bruder heute?

Lg

#10

Gartenfreund7

Münster, Deutschland

Hallo, auch bei uns in der Familie hat der Schlaganfall die Sprache verschlagen... geübt wurde zunächst in der Rehaklinik (top!!!), dann mit der Logopädie und dazwischen mit einer App auf dem iPad (www.myreha.ai). Diese Kombi war wirklich toll, denn so waren wir rundum versorgt..!! Das tolle an der Myreha App ist das man damit auf einem Tablet trainieren kann und sich dieses Trainingsprogramm ganz von selbst auf einen einstellt. Also die Übungen stellen sich auf einen ein. Mann kann ganz selbstständig üben und ist versortg wenn man nicht zum Logopäden geht. Trainiert auch nicht nur die Sprache sondern auch geistige Fähigkeiten wie Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Ich kann es allen nur ans Herz legen. Kostet ein bisschen, aber zahtl sich definitv aus.

Sehe gerade, wird auch hier erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=6w1TBSGHl0k

Ich wünsche euch und euren Familien auch viel kraft! Lg G

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