Gesellschaftsspiele für bzw. mit einem Aphasiker?

Hallo zusammen,

kurz zu meinem Anliegen und Fragen 'in die Runde':

Hat jemand Ideen, welche Gesellschaftsspiele man in einer kleineren Gruppe (3 bis 5 Personen) spielen kann, ohne sich dabei unterhalten zu müssen? Mir fällt außer 'Mensch ärgere dich nicht', Wackelturm und Memory partout nichts ein. Und - ehrlich gesagt - ich kann diese Spiele mittlerweile auch nicht mehr sehen!

Grund:

mein Mann ist Globalphasiker. Seit seiner Hirnblutung wird er von seiner 'Verwandtschaft' (Geschwister mit Anhang) mehr oder weniger kpl. missachtet. Diese sog. 'Familientreffer' sind für uns ein Desaster, weil mein Mann sehr frustriert anschließend nach Hause fährt und ich alles ausbaden muss. Dabei gab es 'früher' (vor dem SA) bei solchen Treffen eine schöne Tradition des Spielenachmittags. Diese Tradition würde ich gerne aufleben lassen, um ihm wenigstens das Gefühl zu geben dazu zu gehören.

Ich bin auf Rückmeldungen SEHR gespannt.

Lieben Gruß an alle!

Isabelle

Guten Tag Isabelle

Zu Spielen kommt mir wenig in den Sinn, obwohl sie bestimmt sinnvoll sein können. Einerseits sind Spiele nicht so mein Ding, andererseits ist meine Konzentrationsspanne meisten sehr kurz.

Wenn Dein Mann an einer globalen Aphasie leidet, kann er dann verstehen, was um ihn herum und mit ihm kommuniziert wird? Wenn nicht, dann wäre das natürlich ein wichtiger Faktor/Auslöser seiner Frustrationen.

Von Familientreffen habe ich mich fast vollständig verabschiedet und diesen Entscheid halte ich auch heute nach über fünf Jahren für richtig. Ich sehe meine „Lieblinge“ höchstens ein- oder zweimal im Jahr, das ist mehr als genug und jeweils sehr, sehr viel Stress für mich. Vielleicht hilft es, wenn Eure Treffen/Spielnachmittage nur mit den Leuten stattfindet, die Deinen Mann wirklich respektieren, selbst wenn es sich um einen sehr kleinen Personenkreis handelt.

Mit den Angehörigen ist das so eine Sache. Es gibt Dinge, die können Aussenstehende und Angehörige schlicht nie und nimmer verstehen, das ist einfach so; sorgt aber fast immer zu Verstimmungen. Mit den Verständnisvollen kannst Du vielleicht das Eine oder Andere besprechen. Mir hat damals in der Anfangszeit diese sehr einfache Broschüre viel geholfen:

https://www.fragile.ch/fileadmin/user_upload/Downloads/05_Medien_Publikationen/Shop/fachinformationsschrift_nr3_web_Kopie.pdf

Liebe Grüsse

Christoph

Hallo Isabell,

bei meinem Mann funktionierte in seiner Anfangsphase, d.h. als er wirklich kommunikativ stark eingeschränkt war (ja, nein, tschüss, hallo.. viel mehr war da nicht)

- vier gewinnt (ist halt nur für 2 Personen)

- Mensch ärgere Dich nicht (war aber so ne Sache mit dem Zählen

- Memory (half bei ihm super Konzentrationsprobleme zu verbessern)

Seitdem die kognitiven Fähigkeiten besser werden ...

- Puzzles (bis 49 Stück - d.h. Kinder bis 5 Jahre - leider halt kein Gesellschaftsspiel - fördert aber auch die Konzentration)

- Malefiz (er fängt tatsächlich an strategisch zu denken)

- Mühle

Falls Dein Mann schreiben kann (meiner leider noch sehr, sehr wenig) würde ich Scrabble mal testen.

Probieren würde ich auch mal (entweder als Kartenspiel oder in Form von Holzklötzchen) Rommee. (das ist die Holzvariante: https://www.google.com/search?rls=com.microsoft%3Ade-DE%3AIE-Address&biw=1632&bih=847&ei=NjujX-PuLuXjkgWc9qvoDg&q=romme+holz&oq=romme+holz&gs_lcp=CgZwc3ktYWIQAzIECAAQCjIECAAQCjIECAAQCjICCAAyBAgAEAoyCAgAEBYQChAeMggIABAWEAoQHjIGCAAQFhAeOgQIABBHUPsuWIY_YJ9EaABwAngAgAG-AYgBowSSAQMzLjKYAQCgAQGqAQdnd3Mtd2l6yAEIwAEB&sclient=psy-ab&ved=0ahUKEwjj4aGyh-rsAhXlsaQKHRz7Cu04ChDh1QMIDA&uact=5#spf=1604533057794 )

Christoph, dieser Link ist sehr hilfreich! Ich habe schon einiges gelesen, aber noch nichts, was so umfassend bezüglich der möglichen Störungen war.

Danke!

Viele Grüße

Amsel

 Das sind super Tipps! Meine Mutter hatte einen Schlaganfall und ich bin immer auf der Suche nach Dingen, die wir gemeinsam machen können. Viele der Spiele haben wir oft gespielt und sie kennt sie seit ihrer Kindheit. ich freue mich mal wieder auf einen Spieleabend mit ihr!

Grüße Marc

@Amsel

Guten Abend Amsel

ich hoffe sehr, bei Euch ist etwas der Alltag und Normalität zurückgekehrt …

Danke für die Rückmeldung zur Broschüre. Die Stiftung, die sie heraus gibt und andere wertvolle Hilfe für Hirngeschädigte (und deren Angehörigen) anbietet, ist eine feine Sache.

Es gibt auf ihrer Internet-Seite einiges, zu entdecken, was sehr hilfreich sein kann. Ich kann nur empfehlen, dort etwas herum zu stöbern: https://www.fragile.ch/

In meiner Anfangszeit nahm ich an Anlässen der Stiftung teil, die mich grosse Schritte weitergebracht haben.

Liebe Grüsse

Christoph

Danke Marc... und abhängig davon, wie stark Deine Mutter geschädigt ist bzw. in welchem Bereich, musst Du halt ein wenig flexibel beim Spiel sein. Wenn Du es geschickt anstellst, dann kann das sogar eine gute Therapieunterstützung sein.

wenn z.B. das Zählen beim Mensch ärgere nicht ganz richtig klappt, dann nicht korrigieren, sondern das zusammen mit Deiner Mutter erarbeiten. Mein Mann hat z.B. immer eine Stelle zu viel oder zu wenig gezählt. Ich habe das anfangs zwar nicht immer reklamiert (muss man ja nicht bierernst bringen) aber doch immer wieder und ich habe ihn das auch dann selbst korrigieren lassen.

Bei 4 gewinnt hat er anfangs die eine Seite nicht beachtet, so dass er seine Chancen teilweise falsch eingeschätzt hat. In diesen Fällen habe ich, bevor er seine Steine setzen konnte, noch mal zu ihm gesagt "bitte prüfe das komplette Spielfeld" und wenn er dann aufgrund dessen eine andere (bessere) Strategie gewählt hat, habe ich natürlich auch ausführlich gelobt. Es hat sich dann tatsächlich mit der Zeit dieses Ausblenden einer Seite gebessert. Heute ist es so gut wie nicht mehr messbar.

Memory.. wir fingen anfangs mit offenen Karten an (und ganz wenigen). Mein Mann musste erst einmal nur Paare bilden.

Malefiz ist jetzt erst dazu gekommen. Vor ein paar Wochen hätte ich mich das noch nicht getraut. Während die Mühle-Strategie meinem Mann schon sehr früh wieder klar war.

Lange Rede, kurzer Sinn.. versuche die Gesellschaftsspiele etwas an die Schädigungen Deiner Mutter anzupassen. Man kann das dann Stück für Stück steigern.

Welche Schädigungen hat denn Deine Mutter?

Ach so.. auch puzzeln kann man zu zweit. Bei meinem Mann ist es wichtig, dass ich ein Motiv finde das ihm gefällt und das ist halt nicht immer ganz einfach wenn das Puzzle noch nicht so viele Teile haben darf. In der Regel sind das dann sehr kindliche Motive. Aber ab und zu findet man etwas im Tierbereich.

Hallo Christoph,

ja, inzwischen ist so etwas wieder erkennbar. Das musste zwar sehr energisch erkämpft werden und ich habe mich damit bei meiner Mutter ganz und gar nicht beliebt gemacht (dafür hetzt sie jetzt in der Nachbarschaft - teilweise erfolgreich. Die böse Tochter kümmert sich nicht. Zwischen 6-15 Std. pro Woche "Muttereinsatz" sind nicht genug). Während dem "Kampf" mit meiner Mutter lagen bei mir auch die Nerven blank - ob ich in der Zeit meinem Mann eine große Hilfe war? Mhh.. ich bin mir da nicht so ganz sicher

Aber mein Mann und ich kommen inzwischen ganz gut klar. Fortschritte macht er seit seiner Rückkehr aus der zweiten Reha auch deutliche - und das in allen Bereichen. Lediglich seine fehlenden Erinnerungen (Kindheit, Eltern, Jugend, die Zeit vor mir.. da fehlt viel. Zumindest nach seinem Bekunden. Mal mehr, mal weniger) die machen mir Gedanken. Anfangs hatte ich das verdrängt weil es dringendere Probleme gab. Ja, und dass mein Mann inzwischen auch mal verzweifelt ist, das beschäftigt mich auch. Ich hoffe sehr, dass sich das nicht verstärkt und er nicht die Zuversicht verliert..

Den Link schaue ich mir gerne an. Selbsthilfegruppen hatte ich zwar kontaktiert, aber dann kam Corona und hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dabei hätten wir beide Kontakte inzwischen bitter nötig. Scheixx Virus.

Liebe Grüße

Amsel

Hallo in die Runde,

Spielen ist wirklich eine klasse Sache. Mein Vater hat früher wirklich nur Doppelkopf gespielt, nichts anderes. Jetzt nach seinem Schlaganfall probiert er aber viel Neues. Am Anfang nur um seine Konzentration zu trainieren, jetzt macht es ihm richtig Spaß. Häufig endet das Ausprobieren auch in Frust, weil es ihm doch schwer fällt. Umso schöner ist es, wenn wir etwas gefunden haben, dass gut geht. Hier seine Lieblingsspiele:

1) Doppelkopf: keinesfalls etwas für Menschen, die vorher nicht gespielt haben. Mein Vater aber hat es früher geliebt. Und auch wenn es nicht mehr so gut klappt wie früher, er kann nach 1,5 Jahren wieder an den Doppelkopfrunden teilnehmen und hat damit ein Stück Normalität zurück. (Was wir den absoluten Wahnsinn finden! Die Doppelkopf-Logik scheint bei ihm einfach irgendwo anders abgespeichert gewesen zu sein. Rechnen, Zeichen und Farben zu erkennen fällt ihm schwer. Aber Doppelkopf ging schnell wieder). Anfangs haben wir Zweier-Teams mit ihm gebildet und auch jetzt ist es noch gut, wenn eine fünfte Person als "Joker" daneben sitzt und Hilfestellung leistet, wenn es zwischendurch mal schwierig wird.

2) Azul: absolute Empfehlung! Fast jeden Tag bei uns im Einsatz. Schöne gestaltetes einfaches Spiel, dass auch anderen großen Spaß macht. Mein Vater hat einige Versuche gebraucht um die Spiellogik zu erarbeiten. Aber am Ball bleiben lohnt sich

3) Quirkl: Aufgrund von Schwierigkeiten Farben und Formen zu unterscheiden und erst recht die Kombination aus beiden hinzubekommen, haben wir Quirkl zum Üben gekauft. Wir spielen mit einfacherern Regeln, ohne Punkte zu zählen. Eine Tasse Tee dazu und es ist sehr entspannend.

4) Rommikub: nicht häufig im Einsatz aber es klappt auch.

5) Patience legen: eine Beschäftigung allein, gut gegen Langeweile. Durch seine Liebe zu Doppelkopf war die Logik von Karten noch da. Einige Zeit hat meine Mutter sehr intensiv mit ihm geübt, jetzt verbringt er teilweise Stunden am Tag mit dem Spiel.

 ...vielleicht noch als Ergänzung die Spiele, die wir sonst ausprobiert haben und an die ich mich erinner: Gravity Maze, IQ-Puzzler (Beschäftigung allein), Tangram, Backgammon, Cafe international.

Die Spiele die wir spielen, orientieren sich also zu einem großen Teil an dem, was mein Vater früher schon gespielt hat, was er noch kann und ihm Spaß macht. Ich denke deswegen aus unserer Erfahrung, dass es sehr individuell ist welche Spiele gehen. Menschen die etwas verspielter sind oder mit den Kindern/Enkeln spielen möchten mögen vielleicht auch Kinderspiele.

Hilfreich war auch, dass wir einige Impulse von Ergotherapeut*innen bekommen haben. Auch der Spieleladen um die Ecke kennt uns und hält die Augen auf nach neuen passenden Spielen.

viel Geduld und natürlich Spaß beim Ausprobieren und alles Gute

Annika