#1

Marlene

Salzburg, Österreich

Mein Vater hatte vor einigen Tagen einen Schlaganfall und leidet seitdem an einer Aphasie..

Hallo Leute, 

Ich heisse Marlene(20).

mein Vater (59) hatte letztes Wochenende einen Schlaganfall, da er leider alleine wohnt bin ich (wahrscheinlich erst 2 Tage später) drauf gekommen das etwas nicht stimmt. Als ich ihm am Sonntag dem 2 Februar 2020 auf Whatsapp eine Nachricht schicken wollte, hab ich gesehen das er das letzte mal am Freitag dem 31.01.2020 Abends online war.

Sofort war ich innerlich beunruhigt da dieses Verhalten nicht typisch für meinen Vater ist. Er ist normal so gut wie immer erreichbar und meldet sich fast täglich bei mir. Fragt ob alles okay bei mir ist usw. Nach vielen vergeblichen Versuchen ihn telefonisch zu erreichen, beschloss ich Montag um 5 in der Früh mit meiner Mutter zu ihm zu fahren. Wir beide spürten das etwas ganz komisch an der Sache ist. Noch am weg zu ihm riefen wir die Rettung+Polizei. Sie informierten uns das er "Wohl auf" ist aber sehr verwirrt rüberkommt. Wir sagten der Rettung sie sollen ihn bitte mitnehmen.

Im Krankenhaus stellte sich heraus das mein Vater einen schweren linksseitigen Schlaganfall hatte. Er reagierte nicht auf Fragen und wiederholte ständig den gleichen Satz "Passt schon" "Passt schon". Konnte nicht sagen wie er heisst, wo er ist usw. 

Für mich brach eine Welt zusammen. Ich gab mir Schuldgefühle warum ich ausgerrechnet dieses Wochenende nicht bei meinem Vater war, obwohl ich doch so oft am Wochenende bei ihm bin da mein Freund in der Ecke wohnt. Ausgerechnet dieses Wochenende besuchte mich mein Freund. Ich konnte nicht klar denken, hatte so Angst...nach wie vor. 

Jetzt ist es 6 Tage her..Mein Vater leidet an einer schweren Form der Aphasie. Er hat eine Sprachstörung erworben. Er hat starke Probleme sich mitzuteilen..redet oft die gleichen Floskeln und sein Kurzzeitgedächtnis ist auch sehr stark davon beeinträchtigt... mich belastet das alles sehr..ich hab einen sehr sehr engen Bezug zu meinen Vater und ihn so zu sehen ist das schlimmste was mir in meinen 20 Jahren je passiert ist.

Den Anschluss zu einem so wertvollen Gesprächspartner zu verlieren macht mir echt Angst. Seit Montag habe ich so manche spontane Verbesserungen in der Sprache und dem Wortschatz gesehen. Er nennt mich noch bei Nicknamen ( Schatzi, Mausi..etc) aber das ändert sich jeden Tag..einmal hat er mehr Wortschatz und einmal fast nichts..Ihn macht das alles Psychisch sehr fertig da er andauernd versucht sich mitzuteilen, zu erzählen was passiert ist und das er es einfach nicht versteht. Er sucht vergeblich nach Wörtern und da es ihn so stresst sagt er dann lieber egal..durch den innerlichen Stress erhöht sich auch sein Blutdruck und das ist in der Lage garnicht gut..sie dürfen ihn die nächsten 14 Tage auch kein Medikament bzgl. des Blutdrucks geben da, so das Risiko innerlich zu bluten sehr erhöht ist da er etwas mit seinem Herz (Vorhoffflimmern) hatte.

Ich hab so Angst um ihn und um seine Psyche vorallem...das muss der totale Horror sein..in seinem eigenen Kopf gefangen zu sein, sich nicht ausdrücken können..keine Form von guten Unterhaltungen führen.. Plötzlich nicht mehr richtig Lesen oder schreiben zu können...(Er hat sonst mindestens 2 Bücher die Woche verschlungen)

..Ich hab so Angst das er in eine Art depression fällt..Momentan steigt sein Risiko noch einen Schlaganfall zu erleiden um 1% Jeden Tag in den nächsten 2 Wochen meint der Arzt. �

Hat da jemand Erfahrungen? Für mich ist das ganz neu und ich komm wenig damit klar...

Um Rat würde ich mich sehr freuen..

Danke Lg M.


Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »Marlene« (08.02.2020, 10:35)
#2

jup11

Quarnbek, Deutschland

Hallo Marlene,

die Auswirkungen vom Schlaganfall sind bei jeden anders, gut ist schon einmal, dass dein Vater überhaupt etwas sprechen kann. Bei mir waren es starke Wortfindungsstörungen, dies sich durch Training mit der Logopädin gebessert haben, aber noch heute merke ich, dass mir manchmal einzelne Wörter nicht einfallen wollen, meist kann ich es denn umschreiben. Wichtig ist, dass dein Vater Sprechtherapie bekommt. In den ersten halben Jahr nach dem Schlaganfall kommen noch viele Funktionen zurück, nachher wird es schwieriger.
Hier findest du viele Informationen
https://www.fragile.ch/broschueren-hirnverletzung/

Jürgen

https://www.schlaganfall-info.de/com/Drei_Jahre_danach.pdf

 

#3
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Marlene,

die Auswirkungen vom Schlaganfall sind bei jeden anders, gut ist schon einmal, dass dein Vater überhaupt etwas sprechen kann. Bei mir waren es starke Wortfindungsstörungen, dies sich durch Training mit der Logopädin gebessert haben, aber noch heute merke ich, dass mir manchmal einzelne Wörter nicht einfallen wollen, meist kann ich es denn umschreiben. Wichtig ist, dass dein Vater Sprechtherapie bekommt. In den ersten halben Jahr nach dem Schlaganfall kommen noch viele Funktionen zurück, nachher wird es schwieriger.
Hier findest du viele Informationen
https://www.fragile.ch/broschueren-hirnverletzung/

Jürgen

https://www.schlaganfall-info.de/com/Drei_Jahre_danach.pdf

 

 Hallo Marlene,

auch ich habe hatte vor 5 Jahren einen Schlaganfall, seit dem habe ich Aphasie. Die Wörter und Sätze kommen wieder. Mit dem Sprechen und Schreiben ist so eine Sache. Ich gehe immer noch zur Logopädie und bin froh damit. Üben, üben ist das Beste. Bei mir läufts soweit geht. Und wenn die Sätze nicht rund sind, was solls. Das Leben geht weiter.

😉

LG Eddy

#4

Manuela Liebig

Himmberg, Österreich

Aphasie ist schon ein gravierendes Problem nach einem Schlaganfall. Kommt aber leider vor. Nach meinen Erfahrungen kann man da nur schauen das man lernt damit umzugehen. 

#5
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Marlene,

du hast dich leider nicht mehr zum Stand der Gesundheit deines Vaters gemeldet. Wie hat sich alles in der letzten Zeit entwickelt? Wie geht es deinem Vater heute? Was hat sich gebesser bzw. geändert oder sogar verschlechtert?

Ich hatte nach meinen diversen Schlaganfällen letztes Jahr jedes Mal aufs Neue eine Aphasie. Die Worte waren im Kopf, ich habe sie gesehen wie ein "Spruchband". Aber die dazu gehörende "Tonspur" war um vieles langsamer und teils einfach .....ja, unterbrochen. Eine total frustrierende Situation!!! Ich habe "vorher" auch unheimlich viel gelesen....das ging nicht mehr. Die Logik der Worte wollte nicht in meinen geschädigten Kopf. Auch das: frustrierend!

Nur durch sofortige Logopädie, immer wieder üben (auch wenn es manchmal kaum auszuhalten war) habe ich langsam wieder sprechen gelernt. Jedes Mal musste ich wieder von vorne anfangen, weil jeder neue Schlag das bereits Erreichte zerstört hat.

Da ich im Anschluss an den letzten Schlaganfall im Oktober 2019 eine schwere Depression entwickelt habe und deswegen 2 Monate in der Psychiatrie war, um die Depression mit viel Ruhe, Gesprächen und Therapien "behandeln" zu lassen, musste und muss ich seitdem Antidepressiva nehmen. Diese bewirken zwar einen traumlosen, tiefen und erholsamen Schlaf, aber jeden Morgen grüßt das Murmeltier: meine Aussprache ist wieder langsamer, verwaschen und mir fehlen oder verdrehen sich die Worte. Auch nach einem dreiviertel Jahr ist das jeden Tag eine neue Herausforderung. Mal davon abgesehen, dass vieles einfach anders geworden ist und auch teils nicht mehr besser wird, aber das ist eben so.

Da du deinem Vater so nah stehst, ist klar, dass dich das unheimlich mitnimmt. Aber mach dir bitte keinen Vorwurf, von wegen: du hättest da sein müssen, als es passiert ist. Das ist Schicksal und es hätte auch in jeder anderen Situation passieren können!!!! Du bist deinem Vater eine größere Hilfe, wenn du ihn unterstützt. Nicht, indem du ihm gegenüber Schuldgefühle hast und dich auch noch schlecht fühlst. Du hättest das, was passiert ist, nicht verhindern können!!!! Um das zu verdauen braucht es Kraft. Und wenn dir die Einsicht, dass du nicht Schuld bist, hilft und Kraft gibt, dann profitiert von dieser Kraft auch dein Vater, langfristig!

Vielleicht meldest du dich ja hier noch mal wieder und erzählst, wie es dir, bzw. wie es deinem Vater in der Zwischenzeit ergangen ist. In den meisten Forenberichten vermisse ich hier oft nämlich etwas sehr Wichtiges: die Fortsetzung! - Wie ist es den Betroffenen (Patienten UND Angehörigen) in der weiteren Zeit gegangen, nachdem sie sich hier im Forum nach Hilfe umgesehen haben. Was gibt es im Verlauf zu erzählen, was auch anderen Forenbesuchern weiter helfen kann. Die Gemeinschaft von Gleichgesinnten kann schon oft helfen.....Von daher: alles Gute für dich und deine Lieben und vielleicht hältst du ja, wenn du Zeit und Lust hast, Kontakt zu diesem Forum.....

#6

Marlene

Salzburg, Österreich

Hallo Senne1,

Ich hoffe dir geht es mittlerweile auch besser, beim Schreiben scheint es dir ja schon recht gut zu gehen:)

Dieses Forum ist mir leider etwas in Vergessenheit geraten die letzten paar Monate, aber hier bin ich.

Der Schlaganfall von meinem Vater ist mittlerweile 7 Monate her und es hat sich seither einiges getan!

Mit der Reha war er überhaupt nicht zufrieden, er ist sich eher 'dumm' vorgekommen weil diese ihm Aufgaben gegeben haben die an Kinderaufgaben erinnern..er erzählte immer wieder wie wenig ihm das geholfen hat..weder mit Sprache oder sonstigen Ergo Therapien..Die Einheiten pro tag waren immer nur sehr sehr Kurz 25 Min Logopädie, 25 Min Ergo, 25 Min Sport usw..dann war er dann um die 3 Stunden beschäftigt und das wars dann..und besuchen konnte ihn wegen Corona auch keiner..war NICHT erlaubt..er wurde sogar 2 Wochen FRÜHER nachhause geschickt weil die Reha Kliniken schließen mussten..Meiner Meinung komplett falsch wenn es sich um Schlaganfall Patienten handelt!!

Nun ja, wir haben jedenfalls jeden Tag telefoniert..da hat er sich die meiste Zeit darüber aufgeregt das es nichts und nichts zu tun gibt da das Therapiezentrum am Berg oben ist..

Beim Telefonieren konnte ich trotzdem jeden Tag Verbesserungen bemerken..er erklärte mir einmal das die 'Zeitung' für ihn endlich wieder mehr sinn ergab..ich verstehe bis heute nicht genau was er damit meinte aber er war fasziniert und glücklich so einen 'Durchbruch' mit der Zeitung gehabt zu haben. Ich war es auch.

Zuhause angekommen, habe ich ihm erstmal einen Logopäden organisiert. Das ging gut für knapp 3-4 Wochen bis er auch diesen abgelehnt hat..Er war der Meinung das dieser Privatlehrer sich auch garnichts bringt da er ihm immer wieder nur die selben Hausaufgaben gibt, diese aber nicht kontrolliert oder mit ihm durchgeht..während der Therapie Stunde hat er anscheinend auch nur mit dem Handy gespielt. Ich habe ihm angeboten einen neuen Logopäden zu organisieren. VERGEBLICH. Er wollte niemanden mehr. Er ist fest davon überzeugt das die Sprache von allein viel besser wieder kommt. Er ist dann auf LinguAdapt umgestiegen..ein online Programm wo er zuhause auf dem Computer diverse Übungen machen kann, die dann automatisch kontrolliert werden..er hat das für einige Zeit gemacht..Jedenfalls meint er das Logopädie hauptsächlich nur reine Ausbeute ist, da er immer mehr gemerkt hat wie sich seine Sprache von allein immer mehr zurückbildet. Ich kann ihm da auch nichts anderes einreden.

 

Zu seinem heutigen Zustand: Er hat sich viel verbessert, man kann mit ihm heute fast normal sprechen, das einzige Problem sind seine Wortfindungsstörungen..die umschreibt er aber dann meistens. Er wohnt alleine und kann wieder alles selbstständig machen. Auto fahren, Kochen, einkaufen...das einzige was ihm noch zu schaffen macht ist zum einen das Schreiben: Der Satzbau ist teils noch sehr gestört und beim Lesen muss er sich auch viel mehr anstrengen..Bevor er z.B eine Email bzgl seiner Arbeit abschickt (Er ist Selbstständig, eigene Firma), kontrolliere und verbessere ich diese vorher immer. Er meint es wäre trotzdem besser die Firma aufzugeben, da ihm das soviel Druck bereitet..

Alles in einem kann ich sagen das er mit der Zeit immer besser wird, auch wenn es am Anfang hoffnungslos erscheinen mag, ist Licht am Ende des Tunnels!! Ich merke bis heute, jeden Tag, Verbesserungen. Meistens ist die Sprache mehr gestört wenn er unter Druck steht (oder er sich selber Druck macht) und denkt er muss schnell reden. Das ist auch so ein Problem, er redet die meiste Zeit viel zu schnell, wenn er sich allerdings Zeit lässt dann geht es ziemlich gut. Er erklärt es immer so: Wenn jemand mit ihm redet, dann braucht sein Gehirn ein paar Sekunden länger bis er das gesagte verarbeitet. In Unterhaltungen mit Leuten kann dies dann zur Last für ihn werden weswegen er gewisse Gesellschaften & Orte noch meidet. 

Ich sage ihm immerwieder er soll sich einfach Zeit lassen und vorallem Geduldig sein. Ich bestätige dann immer das er im Vergleich zu Februar heute SO GUT redet. Es kann sich noch einiges tun in den nächsten Monaten..er sagt er glaubt nicht das es wieder zu 100% wird oder besser..ich persönlich glaub schon fest daran, zumindest wenn ich mir den Fortschritt der letzten Monate angesehen habe. 

Momentan ist er mit seinem Wohnmobil campen und genießt die Ruhe..ich bin super froh das er wenigstens all diese Dinge wieder machen kann..

 

Übrigens: Da er alleine wohnt: Ich besuche ihn mehrmals die Woche und wir gehen auch öfter was essen am Wochenende. Telefonieren sowieso jeden Tag. Leider ist es aufgrund meiner Arbeit und Wohnsitz nicht anders möglich aber ich gebe mein bestes das er sich nicht alleine fühlt!! Ausserdem habe ich seither eine Art Trauma entwickelt das ich die ganze Zeit ANGST hab das es nochmal passiert..ich versuche ständigen Kontakt zu halten.

 

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen, werde das Forum ab jetzt öfter besuchen.

Danke und Liebe Grüße

Marlene


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Marlene« (26.11.2020, 14:19)
#7
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Marlene und all die Anderen, die hier Posten, ich bin stiller Teilnehmer des Forums und wollt nur mal loswerden wie gut es tut von den Fortschritten zu lesen, das macht Mut und ich merke auch bei meinem Mann täglich kleine Fortschritte.

LG an Alle

Birgit

#8
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Malene (oder Alice?),

 

mein Vater hatte vor drei Wochen einen Schlaganfall und deine Erfahrung zu lesen hat mir echt Mut gemacht.

Ich wollte auf einen Aspekt deiner letzten Nachricht eingehen, weil ich mich in den letzten Tagen viel damit beschäftigt habe, denn auch mein Vater hat bis zum Schlaganfall alleine gelebt und wurde erst nach ein paar Stunden gefunden.

Es gibt für Alleinstehende viele Möglichkeiten, auch in Notsituationen um Hilfe zu rufen. Sei es in Form von SOS Armbändern oder dem Hausnotruf der Caritas oder, was viele nicht wissen, mit dem iPhone. Hierzu muss nur 5x schnell hintereinander die obere Ausschalttaste am iPhone gedrückt werden und es wird ein Alarm ausgelöst. Dabei muss man im Vorfeld Notfallkontakte hinterlegen und diese erhalten dann automatisch eine SMS. Zudem wird auch die Ortung eingeschaltet, sofern sie deaktiviert ist. Seit dem Update auf 13.3 wird auch direkt der örtliche Rettungsdienst benachrichtigt. 

https://www.t-online.de/digital/handy/id_86998048/notruffunktion-fuer-iphone-jetzt-finden-rettungskraefte-schneller-zum-unfallort.html

https://support.apple.com/de-de/HT208076


Natürlich muss man in der Notsituation auch in der Lage sein, das zu machen. Mein Vater hatte z.B. sein Handy bei sich, ist aber leider nicht in der Lage gewesen, es zu bedienen. Trotz Gesichterkennung.

Da wäre dann z.B. der Hausnotruf der Caritas (oder einer anderen Organisation) hilfreich, die dich dann, wenn du den Knopf drückst kontaktieren und wenn du nicht reagierst, den Notruf aktivieren und, da sie den Haustürschlüssel vorher von dir bekommen, zu dir fahren. 

https://www.caritas.de/glossare/hausnotruf

Vielleicht findet ihr ja eine Möglichkeit, dass du die Sorge um ihn, da er alleine lebt, etwas ablegen kannst.

Ich drück euch die Daumen, dass es bei dem einen Schlaganfall bleibt und dein Vater noch viele, viele Jahre glücklich und gesund lebt.

 

Liebe Grüße 

Susanna

#9
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Marlene und alle anderen hier.

Ich melde mich nach längerer Abwesenheit heute zurück.

Über meine beiden in 2019 zurückliegenden SA´e habe ich ja damals schon erzählt. Auch über die schwierigen und lästigen Wesensveränderungen, die diese Krankheit mit sich gebracht hatte. Es ist mir damals sehr schwer gefallen, mich wieder selber zu finden. Nicht unbedingt, damit ich, wie ich damals schon erzählt habe, wieder in die Familie "passe", oder sage, was sie hören wollen und nur, um wieder die zu werden, die sie alle gekannt haben.

Rückblickend kam es nach dem 2. Schlaganfall, der mich, so wie der erste, wieder komplett zurück geschmissen hat und nach dem ich dann auch noch gekündigt wurde, erst mal noch dicker. Die ersten beiden SA´e hatte ich im Abstand von ziemlich genau 3 Monaten. Kein Wunder, dass ich, als es wieder auf das Ende der nächsten 3 Monate zu ging, total in Panik ausbrach. Und voilá, wieder 3 Monate später passierte der dritte SA! Diesmal war wieder das Sprachzentrum zerschossen, aber diesmal hat es auch den Trigeminus-Nerv erwischt und mein Geschmackssinn war komplett dahin. Seitdem habe ich z.B. extreme Empfindungsstörungen zwischen dem linken Auge und dem Scheitel. Mit den Fingern brauche ich da nicht dran gehen, Haare bzw. der Pony ist nur "geduldet".

Ende vom Lied war damals erst mal, dass es, weil der Abstand zu kurz war, erst mal keine dritte Reha für mich gab. 10 Tage Krankenhaus, wieder auf der Stroke Unit, waren okay. Und dann? Noch während ich im Krankenhaus lag und absolut keinen Hoffnungsschimmer mehr hatte, wie ich, arbeitslos und durch den 3. SA also weiterhin krank, weiter machen könnte, bemerkte man bei mir den Beginn einer Depression, nicht zuletzt, weil mir durch den fehlenden Geschmackssinn auch der letzte Rest an Hofflung und ein bisschen restliche Lebensqualität genommen war. Nach den 10 Tagen Krankenhaus kam ich dann auch sofort im Anschluss im Oktober 2019 in eine örtliche Klinik mit der tatsächlichen Diagnose "schwere Depression".

In der Klinik habe ich dann 2 Monate an dem Trauma der Schlaganfälle und den daraus entstandenen Ängsten mit allen Therapeuten gearbeitet, aufgearbeitet, was zu den Schlaganfällen geführt haben konnte und es war überlebenswichtig, mich 2 Monate lang und unter entsprechenden Medikamenten wie in einer tröstenden Glasglocke zu fühlen. In dieser Zeit lernte ich sehr viele sehr wertvolle Menschen kennen, die an den unterschiedlichesten Formen der Depression und Ängsten litten, was ein paar wenige, aber sehr enge Freundschaften entstehen ließ.

Mit einer Sozialarbeiterin, die dort stundenweise für uns zuständig war, habe ich langsam und Schritt für Schritt an meiner Zukunft gearbeitet. Zuerst hat sie mir geholfen, meinen Grad der Behinderung (GdB) durchzubekommen. Mein erster, eigener Anlauf war in der Zwischenzeit mit "unter 10" abgeschmettert worden. Eigentlich eine Frechheit, bei der Vorgeschichte! Die Sozialarbeiterin riet mir daraufhin, den Antrag erneut über den VdK, wo ich inzwischen Mitglied war, einzureichen. Der Erfolg war, dass ich heute einen GdB von 50 habe und zwar unbefristet!

Außerdem hat sie mir die Möglichkeit weiterer Hilfestellung aufgezeigt. So bin ich über eine ambulante psychiatrische Pflegeeinrichtung an eine Pflegerin gekommen, die mich 2 x die Woche für eine Stunde aufgesucht hat, mit mir Sprachübungen gemacht hat und mich auch mental unterstützt hat, wenn es mir aufgrund meiner immer noch andauernden Sprachdefizite, Mutlosigkeit und Stimmungsschwankungen mies ging.

Nächster Schritt war, über das Kolpingwerk an einer Maßnahme für psychisch Kranke (mit meiner Vorgeschichte der SA´s war das gut zu Erklären) zur "Teilhabe am Arbeitsleben" teil zu nehmen. Im Vordergrund stand erst mal, überhaupt wieder einen strukturierten Alltag hin zu bekommen, denn an manchen Tagen ging es mir so schlecht, dass ich nicht mehr aufstehen wollte, trotz gut eingestellter Medikamentierung. Denn, für wen? Kein Job, krank.....?!?! Jedenfalls hat diese Maßnahme mir geholfen, meinen Weg trotz Einschränkungen weiter zu gehen. Die Voraussetzung der Maßnahme war, sich ein Praktikum zu suchen, um später eine Anstellung zu finden, die "leidensgerecht" wäre. In meinem Fall war es mein Glück, dass ein ehemaliger Chef mir dieses Praktikum anbot. Nach den Schlaganfällen konnte ich z.B. nicht mehr Kopfrechnen. Einfachste Additionen oder sogar Prozentrechnen ging gar nicht. Und das in meiner Position als gelernte Bürokauffrau und ehemalige Direktionsassistentin. Fatal für mich, aber die Chance bekam ich trotzdem.

Über dieses Praktikum, durch das ich langsam wieder geistig gefordert wurde, bekam ich die Sicherheit, dass ich auch mit technischen Hilfsmitteln mein Rechnen-Defizit kaschieren konnte. Das beim ersten SA entstandene Trauma aus dem Telefonat mit einem sehr aufgebrachten Kunden konnte ich gut in den Griff bekommen, indem ich darum bat, mit möglichst vielen Kunden am Telefon zu sprechen. Viele haben die Sprachstörung raus gehört, aber ich habe das bei Bedarf mit einer Vorerkrankung (die ich nicht näher erklärt habe) gerechtfertigt und mit einem Lachen überspielt und alles war gut. Ich habe mich also quasi als die Quoten-Behinderte hingestellt und fand das für mich völlig okay.

Am Ende habe ich über dieses Praktikum dann Anfang August 2020 und nach fast 17 Monaten Krankenstand wieder eine Stelle als Direktionsassistenz bei der kleinen Schwester einer großen, deutschen Bank bekommen und zwar nur (!), weil ich beim Vorstellungsgespräch ganz ehrlich gesagt habe, dass alle meine bisherigen Qualifikationen Makulatur wären, weil ich ganz neu anfangen müsste, mich hochzuarbeiten, denn einige Fähigkeiten wie Rechnen, logisches Denken, Verstehen von logischen Abläufen, klares Sprechen, Stress-Resistenz waren ja nicht mehr gegeben. Meinem neuen Chef hat es imponiert, dass ich nicht gesagt habe, ich könnte dies und das und alles kein Problem. Nein, ich war, ohne Mitleid haben zu wollen, einfach ehrlich und habe signalisiert, dass ich mich zurückkämpfen möchte, aber Zeit brauche und wir halt beide Geduld bräuchten. Die Anstellung wird bis zum heutigen Tag und für ein ganzes Jahr aufgrund meiner Vorgeschichte von der DRV gefördert, so dass mein Chef auch eine gewisse finanzielle Unterstützung für Situationen, wo er mich halt leider nicht einsetzen kann, hat.

Rückblickend kann ich sagen: ja, es war ein Kampf! Und ja, auch in der Familie ist es heute so, dass ich manchmal noch an-ecke, weil mich die lange Vorgeschichte (natürlich) verändert hat.

Meine Sprachdefizite sind jetzt, nach gut 2 Jahren, zumindest tagsüber fast völlig verschwunden! Die Schwindelanfälle, die mich nach den SA´n noch lange begleitet haben, haben irgendwann quasi langsam und fast unbemerkt von selber aufgehört. Durch die Medikamente (Blutverdünner, Blutdruck, Schilddrüse, Cholesterin und 2 Antidepressiva) brauche ich zwar jeden Morgen (!) immer noch eine gute Stunde, bis ich wieder klar und verständlich sprechen kann und mein Motor im Hirn anspringt, aber damit kann ich leben, da ich insgesamt mit allem gut eingestellt bin und sagen kann: es braucht einfach Geduld. Meine Motorik der rechten Hand ist nur noch eingeschränkt, wenn ich versuche, die Zahnbürste kreisen zu lassen. Na und? Dann putze ich mit links und brauche dafür 1 Minute länger. Der Geschmack ist immer noch eingeschränkt, aber immerhin schmecke ich noch ein bisschen. Und wem das Essen zu wenig gewürzt ist, weil ich mit dem Würzen natürlich jetzt sehr vorsichtig bin, der muss eben nachwürzen.

Ich kann sicher nicht behaupten, dass die drei SA´e einfach nur leichter bei mir abgelaufen sind als bei anderen. Das war nicht so und der lange Weg bis heute war sicher mindestens genauso beschwerlich für mich und meine Familie. Nur möchte ich einfach Mut machen, dass es zwar manchmal lange dauern kann, dass es aber von großer Wichtigkeit ist, immer an sich zu glauben. Alles mitzumachen, was einem empfohlen wird, um auch nur die kleinsten Schritte zu meistern. Dass man alle Hilfe annehmen sollte, die einem angeboten wird. Es ist eine Stärke, "ja" zu Hilfe zu sagen. Keine Schwäche! Dass man immer daran glauben muss, dass es auch eine Besserung geben kann. Bei mir hat es jetzt gut 2 Jahre gedauert.

Inzwischen bin ich soweit, dass ich einen Teil der Hilfe wieder zurück geben möchte. Ich arbeite nur noch in Teilzeit in meinem Hauptberuf, weil ich meinen Kopf sonst total überlaste. Dann stellen sich sofort Konzentrations- und Seh-Störungen sowie Bluthochdruck und Panik-Attacken ein. Aber ich habe mich kürzlich einer örtlichen Haushaltshilfe angeschlossen, wo ich mich um Kunden kümmere, die aufgrund von Krankheit kurzzeitig selber, so wie ich damals, z.B. nicht mehr ihren Haushalt erledigen können. Oder nicht mehr einkaufen können. Oder die einfach stundenweise ein bisschen Unterstützung im Alltag brauchen. Mir gibt es das gute Gefühl, etwas zurück geben zu können und außerdem erspart es mir das Fitness-Studio, da ich mich bei dieser Nebentätigkeit ausreichend bewege. Und bei Bedarf gebe ich den Kunden auch immer gerne eine Portion Zuversicht und Energie mit auf den Weg. Und es gleicht durch den Stundenlohn auch den Verlust aus, dass ich halt nicht mehr Vollzeit arbeiten gehen kann (und auch nicht mehr will).

So, das war jetzt ein langer Roman und ich bedanke mich bei allen, die vorher so nett und ausführlich ihre eigenen Geschichten geschrieben haben und auch mir so viel Mut zugesprochen haben!!- Danke !! - Ich bin glücklich, dass ich wieder "da" bin und wünsche euch allen, dass ihr das auch schafft, auch wenn es seine Zeit braucht. Und auch alles Gute und viel Geduld denjenigen, die Angehörige sind und einfach die Zuversicht brauchen, dass sich, auch in den kleinsten Schritten, etwas immer auch zum Positiven wenden kann!!!!

 

#10

Etcetera

Basel, Schweiz

Guten Tag Senne1

Rückmeldungen "die das Leben schrieb", so wie Deiner, finde ich hier im Forum wichtig und interessant. Also vielen Dank für Deinen "langen Roman", wie Du es nennst 🙂

Es gefällt mir, dass und wie Du die Dinge angepackt und Deinen eigenen Weg trotz aller Widrigkeiten gefunden hast.

Liebe Grüsse
Christoph

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