#1

LILLI

Viersen, Deutschland

Überfordert mit der Situation

Hallo, mein Partner hatte vor 2 Jahren den Schlaganfall und ich bin inzwischen ziemlich am Ende. Würde mich gerne mit Gleichgesinnten austauschen. 

#2

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Was passiert, wenn ich nicht mehr kann?

Ja, diese Frage möchte man am liebsten in die Welt schreien und ich habe sie mir am Anfang auch fast täglich gestellt und unlängst, als ich nur noch die Treppe hoch gekrochen bin weil ich starke Schmerzen hatte, da kam die Frage wieder hoch.

Ich habe nie eine Antwort darauf gefunden. Außer der:

Dann landen wir beide im Pflegeheim und mit ganz viel Glück schaut der Sohn meines Mannes 1x im Monat bei uns rein (wobei ich mir nicht sicher wäre - trotz gutem Verhältnis - ob ich bei den Besuchen mit einbezogen wäre)

Schlimm finde ich bei uns, dass mein Mann selbständiger sein könnte, wenn er nur ein ganz klein wenig Interesse daran hätte. Tja, wenn .. 

Bei meinem Mann liegt der Schlaganfall übrigens jetzt fast auf den Tag genau 4 Jahre zurück. Ich pflege alleine und bin noch berufstätig. Freunde haben sich alle verkrümelt, einer der uns erhalten geblieben ist wohnt weiter weg. 

Aber erzähl doch mal von Dir und Deinem Mann. Wie sehr bedarf er denn der Pflege?

Und...

Was macht Dich so fertig? Das ist ja bei jedem von uns etwas anderes. Was ist es bei Dir?

 

#3

Marganna

Rheinland, Deutschland

Liebe LILLI,

herzlich willkommen hier! Die Frage die du stellst, ist berechtigt und ich lese daraus, dass es dir nicht gut geht. Das kann ich absolut nachvollziehen. Mich hat die Überforderung nach dem Schlaganfall meines Mannes leider vollkommen in die Knie gezwungen. Ich war vorher schon chronisch krank und habe nun noch ein paar weitere "nette" Krankheiten dazubekommen. Die Angst, die Sorgen, arbeiten, das Haus, der Haushalt, die Pflege - zu viel. Das Ende vom Lied war für mich ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt, massiver Gewichtsverlust etc. Ich will dir keine Angst machen, sondern schildere nur, wie es mir ergangen ist und hoffe, du bist stärker! 

Nun könnte ich sagen, pass auf dich auf, nimm dir Auszeiten, such dir Hilfe usw. Ja, alles schöne und gutgemeinte Ratschläge, die aber leider nicht jedem helfen. Es ist und bleibt ein schweres Schicksal, man kann nichts beschönigen. Der Mensch, der derjenige vor dem Schlaganfall war, kommt nicht zurück und man muss irgendwie damit weiterleben. 

Darf ich fragen, wie alt dein Mann ist und welche Folgen er davongetragen hat? Mein Mann hat es um die gleiche Zeit erwischt wie Amsels Mann. Es war ein sehr schwerer Schlaganfall, den er beinahe nicht überlebt hätte. Er hat es jedoch glücklicherweise geschafft, dass er heute wieder laufen kann, arbeitet, Auto fährt. Danach sah es für mich lange nicht aus. Vielleicht musst du nur noch ein wenig auf Fortschritte/Besserung warten? Bei mir kam das leider etwas zu spät, da war mein Zusammenbruch schon passiert.

#4

Angie

Untermettingen, Deutschland

Jepp, war bei mir genauso. Freunde haben sich verkrümmelt, zum Glück habe ich erwachsene Kinder. Sie waren wirklich eine große Hilfe, besonders in Bezug auf die Kleinen Kinder. Und dieser Corona-Quatsch war auch eine verdammte Sache.

Was macht man? Gute Frage. Darauf kann dir wohl keiner eine Antwort geben. Bei jedem ist es anders. Ich denke jetzt, das ich manches hätte anders machen können, aber das ist Schnee von gestern.

Bei mir kam dazu dass mein Mann, der zum Glück wieder voll einsatzfähig ist, aus einem anderen Grund 3 Wochen in Reha, fast genau nach einem Jahr, war. Ich habe dort erst gemerkt was für eine Belastung das alles war.

Hast du denn Beistand in irgeneiner Weise?


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Angie« (24.08.2023, 07:47)
#5

LILLI

Viersen, Deutschland

Danke für eure Antworten.

Mein Partner war 55, als er den schlaganfall bekam und ich 50.

Wir sind jetzt seit 9 Jahren ein Paar, am Anfang hatte ich noch die Hoffnung, dass er sich wieder regeneriert, aber es gibt keine Verbesserung, er kann kaum sprechen, seine rechte Seite ist gelähmt, zum Glück kann er wieder einigermaßen kurze Strecken laufen. Geistig hat er in den 2 Jahren extrem abgebaut. 

Ich bin berufstätig und und wenn ich nach Haus komme, kümmere ich mich um ihn und seine Belange. Für mich bleibt einfach keine Zeit mehr. 

Ich weiß nicht, was am schlimmsten ist...der Liebeskummer, weil mein Partner nicht mehr da ist und ich ihn schrecklich vermisse, die Belastung, weil alles an mir hängt, die ständige Auseinandersetzung mit Behörden oder das Gefühl, im Elend gefangen zu sein und nicht mehr raus zu kommen. 

Wir haben uns früher mal versichert, dass wir uns nicht gegenseitig pflegen, wenn der Fall eintreten würde, und genau das mache ich jetzt. Ich will ihn nicht im Stich lassen, aber ich will auch noch leben und weiß nicht wie. Ich habe ihm vorgeschlagen, dass ich eine behindertengerechte wohnung für ihn suche und in seiner nähe wohnen bleibe, daraufhin hat er mit suizid gedroht. 

Es gibt keine glücklichen Momente mehr bei uns, alles dreht sich nur noch um den Schlaganfall und ich bin inzwischen soweit, dass ich mir wünsche, tot zu sein. Ich werde mich nicht suizidieren, aber die Vorstellung hat was sehr tröstliches. Eigentlich bin ich ein Optimist und wir hatten ein tolles Leben. Bin ich jetzt ein schlechter Mensch, weil ich mir für mich wieder ein glückliches Leben wünsche? 

Keine Ahnung, wie ich aus der Situation raus komme ohne das Gefühl zu haben, ihn im Stich zu lassen oder zu verraten. 

 

#6

Marganna

Rheinland, Deutschland

NEIN!!! Du bist kein schlechter Mensch! Die Gedanken sind menschlich und nachvollziehbar. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mir "mein altes Leben" zurückwünsche, auch wenn mein Mann sich wieder erholt hat und es ihm besser geht wie deinem Partner. Es ist nichts mehr, wie es war. 

Die Entscheidung gehen oder bleiben kann dir niemand abnehmen, aber solltest du die Belastung nicht mehr aushalten und nicht auch noch deine Gesundheit riskieren willst (ich habe ja geschildert was passieren kann) dann ist das nachvollziehbar. Lass dir von NIEMANDEM etwas anderes einreden!

Ich fühle so sehr mit dir.

#7

Anonym 0

Bonn, Deutschland

Hallo Lilli,

ich bin zwar selbst noch „neu“ mit Ehemann, der pflegebedürftig ist, aber sehr interessiert am Austausch hier. 

Wie ist bei Dir der Tag organisiert? Bist du Vollzeit beschäftigt? Wer kümmert sich, wenn du arbeitest? Wie läuft ein normaler Tag bei dir ab? 

 

Ich kann von uns nur berichten: 

schwerer Schlaganfall mit linksseitiger Hemiparese, SA im Juli 2022. Der Arm schwerer betroffen als das Bein. Laufen geht noch gar nicht. Komplette Sondenernährung mit einer kleinen Mahlzeit zwischendrin. Schlucken hat sich sehr verbessert, reicht aber lange noch nicht, um die Sonde entfernen zu lassen. Sprechen geht, wenn auch oft undeutlich. Geistig fit. Pflegegrad 4. 

ich bin 30 Stunden pro Woche / 4 Tage Woche berufstätig, vormittags im Büro und nachmittags Homeoffice. Da mein Mann nicht allein bleiben kann, kommt 3 mal pro Woche jemand für 5 Stunden am Tag. Das gibt mir etwas Freiraum. Das Homeoffice am Nachmittag mache ich meistens am späten Nachmittag. Hätte ich nicht die Unterstützung, ich weiß nicht, wo ich wäre. Es kostet zwar Geld, aber es entlastet mich sehr und nimmt mir das schlechte Gewissen. 

Da mein Mann auch ab 18:00-19:00 Uhr schläft, habe ich die Abende für mich. Wenn man das so sagen kann. Allein bin ich dann trotzdem. Und die Verantwortung für alles habe ich auch allein. 

Ich bin zwar noch nicht so lange in dieser Situation, aber die Entlastung durch das Abgeben der Verantwortung bzw. der Kontrolle ist wirklich spürbar. Vor allen Dingen habe ich jemanden, mit dem ich mich über die konkrete Situation austauschen kann. Wir überlegen dann zusammen, was gemacht werden könnte. Das ist besser als jeder Pflegedienst. 

Man muss auch nicht immer alles allein machen oder der alleinige Bespaßer sein. Und man darf es auch Scheixxe finden und vor allen Dingen auch sagen. Das ist wirklich grandios an diesem Forum. Man kann offen sein und muss sich weder schämen noch entschuldigen. Menschen, die diese Situation nicht selbst erlebt haben, verstehen nicht, was einen bedrückt. Das ist kein Vorwurf, aber es ist einfach eine Parallelwelt. 

Da ich beruflich mit Menschen unterschiedlichster, meistens ungünstiger Lebenssituationen zu tun habe, finde ich da sogar oft Trost. 

Über Perspektiven für mich/uns kann ich noch gar nicht nachdenken. Ich bin noch mit den kleinen Zielen beschäftigt. Ich fürchte eher langfristige Isolation. 

LG 

Al Beck 

 

#8

LILLI

Viersen, Deutschland

Ich kann ihn unter normalen Umständen alleine lassen und arbeite 75 %. Bislang haben meine Kolleginnen viel Verständnis. Es wären auch viele Freunde da, die uns unterstützen würden, leider ist es so, dass mein Partner keine Hilfe von außerhalb annimmt, sich ziemlich isoliert und darauf verlässt, dass ich alles erledige. 

Im Mai war ich eine Woche mit meiner Mutter im Urlaub und hab vorher alles organisiert, pflegedienst, hausnotruf, Freunde...er hat einfach alle weg geschickt. Hat mich fassungslos zurück gelassen, aber auch klar gemacht, dass er alleine zurecht kommt, zumindest für einen überschaubaren Zeitraum. 

Es gäbe einiges, was mich entlasten würde, nur verweigert er sich jedem Vorschlag und mir. Das macht mich inzwischen auch richtig sauer, den er sieht ja, wie schlecht es mir geht, wir sprechen auch darüber, wobei ich mir nicht mehr sicher bin, wieviel er davon noch versteht. 

 

#9

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Ich kann ihn unter normalen Umständen alleine lassen und arbeite 75 %. Bislang haben meine Kolleginnen viel Verständnis. Es wären auch viele Freunde da, die uns unterstützen würden, leider ist es so, dass mein Partner keine Hilfe von außerhalb annimmt, sich ziemlich isoliert und darauf verlässt, dass ich alles erledige. 

Im Mai war ich eine Woche mit meiner Mutter im Urlaub und hab vorher alles organisiert, pflegedienst, hausnotruf, Freunde...er hat einfach alle weg geschickt. Hat mich fassungslos zurück gelassen, aber auch klar gemacht, dass er alleine zurecht kommt, zumindest für einen überschaubaren Zeitraum. 

Es gäbe einiges, was mich entlasten würde, nur verweigert er sich jedem Vorschlag und mir. Das macht mich inzwischen auch richtig sauer, den er sieht ja, wie schlecht es mir geht, wir sprechen auch darüber, wobei ich mir nicht mehr sicher bin, wieviel er davon noch versteht. 

 

 

Ihr seid nicht verheiratet? Und.. warum nimmst Du ihn nicht beim Wort und lässt ihn nicht alleine zurecht kommen? 

Ich fürchte, Du wirst Tacheles mit Deinem Partner reden müssen. Aber vorher musst Du Dir klar machen, was Du zu geben bereit bist und was nicht. Und im Grunde musst Du auch mal belastbar geklärt haben was Dein Partner wirklich kann und was nicht.

Du schreibst, Du bist nicht sicher was er versteht. Hat er denn eine diagnostizierte Aphasie? Erhält er Therapien - Logopädie, Ergotherapie? Nimmt er sie wahr?

 

 

#10

Silkfisch

Tauberbischofsheim, Deutschland

Hallo, mein Partner hatte vor 2 Jahren den Schlaganfall und ich bin inzwischen ziemlich am Ende. Würde mich gerne mit Gleichgesinnten austauschen. 

 Hallo Lilli,

mit dem Problem bist du wahrlich nicht allein auf weiter Flur.

Mein Mann hatte vor ca. 6 Jahren in Folge eines Motorradunfalls einen Schlaganfall, mit dem Ergebnis: rechtseitige Lähmung und globale Aphasie. Pflegestufe 3 Damals war er 54. Seitdem wurschteln wir uns durchs Leben. Ich bin wie Du berufstätig, habe die Arbeitszeit allerdings reduziert. Alles bleibt an mir kleben. Es gab viele schlechte Tage, aber auch gute. Frage nicht wieviel ich die ersten zwei bis drei Jahre geheult habe. Jeder von uns hätte gern sein altes Leben zurück. Aber die Uhren kann man bekanntlich nicht zurückdrehen. 

Wichtig ist, dass Du dir regelmäßig Auszeiten nimmst. Ob es ihm passt oder nicht, da muss dein Partner durch. Wenn du vor die Hunde gehst, geht es ihm nicht anders. Ich mache regelmäßig ein bis 2x pro Jahr alleine bzw. mit einer Freundin Urlaub. Da bringe ich meinen Mann in der Kurzzeitpflege unter. Er akzeptiert das, zumindest beklagt er sich nicht. Während dieser Zeit hat er wie gewohnt seine Therapien. 

Als zweiten Tipp würde ich dir raten, mit deinem Mann Tacheles zu reden. Sag ihm wie du dich fühlst und was du denkst. Man sollte wirklich ehrlich zu einander sein. So wie Du für ihn sorgst, muss er auch für dich Verständnis haben. Er hat sich den Schlaganfall nicht ausgesucht - Du aber auch nicht! Es kann nicht sein, dass sich alles nur um den Betroffenen dreht. Du hast auch nur dieses eine Leben.

Ich habe meinem Mann klipp und klar gesagt, dass ich mich nicht drangsalieren lasse und er sich im Haushalt/Garten nach seinen Möglichkeiten einbringen muss. Mein Mann hat es verstanden, Gott sein Dank. Wir haben uns gut in der neuen Situation zusammengerauft.

Lange habe ich gebraucht meinen Mann zu überreden, es mit dem Fahrradfahren zu versuchen. Das haben wir früher - vor dem SA - leidenschaftlich gern gemacht. Mir zu liebe hat er es versucht und siehe da, jetzt ist er mit Feuer und Flamme dabei. Er fährt ein Liegerad von HP mit Akku. Jetzt können wir schöne Radtouren machen, mitunter fahren wir um die 70 km. Das ist für ihn Freiheit und wir verbinden das immer mit einer Einkehr in einem netten Biergarten oder Restaurant. Ich will damit sagen, dass ihr euch etwas suchen solltet, was ihr zusammen als Paar machen könnt. Nur zu Hause sitzen ist keine Option, da versauert er. Durch das Radfahren haben wir im übrigen andere Betroffene und Partner kennengelernt - das wäre auch für dich eine Möglichkeit Leute kennenzulernen. Wie du schon richtig erkannt hast, viele der damaligen Freunde/Bekannte machen sich rar. Nur wenige werden dir erhalten bleiben, ist leider so. 

Mein dritter Tipp: sprich mit einem Neurologen/Hausarzt. Mein Mann (und auch ich!) nehmen ein Antidepressivum, wenn auch nur in sehr geringer Dosis. Aber es hilft mir ausgeglichener zu sein, ich fühle mich einfach besser. Mir hat es über die schwere Anfangszeit ungemein geholfen.

Das unsere Männer immer wieder depressive Phasen haben, ist nur allzu verständlich. So einen Schlag muss man erstmal verarbeiten und das Schicksal muss derjenige annehmen. Dazu kann eine kleine medikamentöse Unterstützung hilfreich sein. 

 Kopf hoch!

 

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