#21

Eule69

Heidelberg, Deutschland

Das ist tatsächlich eine gute Frage. Mein Lebensgefährte hatte vor 6 Monaten einen Schlaganfall. Er hatte und hat keinerlei körperlichen Einschränkungen aber er hat Aphasie. Anfangs ziemlich schlimm, mittlerweile geht das alles ganz gut. Noch dazu (wohl oft begleitend) kommt dass er einfach vergesslicher geworden ist. 
Er ist selbstständig und arbeitet auch wieder seit 4 Monaten (quasi direkt nach der Reha). 
Wir können naked gemeinsam unternehmen, jedoch braucht er mehr und längere Ruhephasen. 
Auch hängt haus und Garten komplett an mir, weil er es nicht sieht oder zu müde ist. Weise ich ihn drauf hin was zu tun ist macht er es auch. 
Ähnlich ist es mit allen… auch Hygiene spielt da ne Rolle. Sobald ich sage er muss duschen, rasieren usw macht er es - sag ich nichts kann das auch mal paar Tage dauern. 
Aber das für mich größte Problem ist, dass es unsere von mir so geliebten Unterhaltungen kaum noch gibt. Er spricht einfach nicht und somit ist mal schön essen gehen mittlerweile eine langweilige Angelegenheit. Auch treffen mit Freunden ist schwierig weil die Gespräche quasi an ihm vorbeigehen. Spreche ich soäter etwas davon a was bei solchen Gesprächen besprochen wurde weiß er nix davon. 
Wir sind nun etwas mehr als 3 Jahre zusammen und tatsächlich überlege ich mir manchmal ob ich das durchhalte - und wie lange. Aber was soll ich machen? Zumal ich ihn sehr liebe. 
Auch diese ewigen Wiederholungen von bereits gesagten machen mich manchmal verrückt … und wiederhole ich an einem anderen Tag etwas sagte er: das hast du mir dich schon mal erzählt. Puh… echt nicht einfach… 

Was Nähe und Sexualität angeht ist alles fast beim alten… kuscheln/schmusen steht nun an 1. Stelle und nicht Sex… das funktioniert nicht mehr so gut… 

Ich frage mich auch manchmal: will ich das wirklich so? Nein… ich will das NICHT! Aber ich möchte ihn keinen Tag missen und so bleibt mir keine andere Chance als das hinzunehmen. 

#22

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Danke für eure Antworten.

Mein Partner war 55, als er den schlaganfall bekam und ich 50.

Wir sind jetzt seit 9 Jahren ein Paar, am Anfang hatte ich noch die Hoffnung, dass er sich wieder regeneriert, aber es gibt keine Verbesserung, er kann kaum sprechen, seine rechte Seite ist gelähmt, zum Glück kann er wieder einigermaßen kurze Strecken laufen. Geistig hat er in den 2 Jahren extrem abgebaut. 

Ich bin berufstätig und und wenn ich nach Haus komme, kümmere ich mich um ihn und seine Belange. Für mich bleibt einfach keine Zeit mehr. 

Ich weiß nicht, was am schlimmsten ist...der Liebeskummer, weil mein Partner nicht mehr da ist und ich ihn schrecklich vermisse, die Belastung, weil alles an mir hängt, die ständige Auseinandersetzung mit Behörden oder das Gefühl, im Elend gefangen zu sein und nicht mehr raus zu kommen. 

Wir haben uns früher mal versichert, dass wir uns nicht gegenseitig pflegen, wenn der Fall eintreten würde, und genau das mache ich jetzt. Ich will ihn nicht im Stich lassen, aber ich will auch noch leben und weiß nicht wie. Ich habe ihm vorgeschlagen, dass ich eine behindertengerechte wohnung für ihn suche und in seiner nähe wohnen bleibe, daraufhin hat er mit suizid gedroht. 

Es gibt keine glücklichen Momente mehr bei uns, alles dreht sich nur noch um den Schlaganfall und ich bin inzwischen soweit, dass ich mir wünsche, tot zu sein. Ich werde mich nicht suizidieren, aber die Vorstellung hat was sehr tröstliches. Eigentlich bin ich ein Optimist und wir hatten ein tolles Leben. Bin ich jetzt ein schlechter Mensch, weil ich mir für mich wieder ein glückliches Leben wünsche? 

Keine Ahnung, wie ich aus der Situation raus komme ohne das Gefühl zu haben, ihn im Stich zu lassen oder zu verraten. 

 

Hallo Lilli,

darf ich Dir etwas zum Lesen empfehlen? https://www.mitbetroffen-von-aphasie.de/

Ich habe mir aufgrund der Vorträge und Kommentare der Autorin das Buch bestellt, habe aber noch nicht angefangen es zu lesen. Für mich waren bereits die beiden Vorträge auf dieser Seite eine kleine Offenbarung .... weil die Autorin so glasklar beschreibt was diese Aphasie oder auch andere Sprachstörungen mit uns Angehörigen machen. 

Und was Beratung/Gesprächsmöglichkeiten angeht: Beratungsspektrum (patientenberatung.de)

u.a. wird dort auch in diesem Bereich beraten:

Krankheitsbewältigung und psychosoziale Beratung

Gesundheitliche Probleme gehen für Betroffene und Angehörige häufig mit Gefühlen wie Angst, Trauer und Unsicherheit einher. Unser psychosoziales Beratungsteam unterstützt Ratsuchende beim Umgang mit diesen Belastungen und hilft gegebenenfalls bei der Suche nach geeigneten Kontaktstellen.

Leider, wenn ich richtig informiert bin, nur noch bis Ende des Jahres. Also wäre Eile angesagt sofern Du mal schauen möchtest ob sie unterstützen können.

ich hatte mit ihnen zu einem anderen Thema Kontakt und ich muss sagen, ich war sehr angetan. Sie konnten mir zwar beim eigentlichen Problem nicht helfen, aber das Gespräch hat dazu beigetragen, dass ich wieder eine Problemorientierung hatte. 

Die Patientenberatung ist kostenlos ... 

#23

LILLI

Viersen, Deutschland

Danke für den Tipp. Wir haben letzte Woche unseren letzten Urlaub mit dem wohnmobil gemacht. War unsere abschiedstour, weil es aus vielen Gründen nicht mehr geht. Es der vielen Dinge, die nicht mehr gehen. Eigentlich wollte ich in einer Woche endlich mal wieder alleine für ein paar Tage weg fahren, bevor mein Urlaub vorbei ist und ich wieder arbeiten muss. Heute Abend hatte er Fieber und ich sehe schon, dass es wieder nicht klappt mit meinem so dringend benötigten alleinesein. Ich verstehe nicht, warum es ausgerechnet uns erwischt hat. Bin schon wieder verzweifelt und sitze heulend auf dem Sofa. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm ziemlich deutlich gesagt, wie es mir geht und dass wir es nur schaffen, wenn wir beide an der Situation arbeiten. Aber er ist so mit sich beschäftigt, dass nicht viel von meiner not ankam. Wie kann es nur sein, dass die liebe meines Lebens einfach weg ist und der Körper doch vor mir sitzt? Ich bin so traurig und wütend und verbittert. 

#24

Anonym 0

Bonn, Deutschland

Hallo Lilli,

tja, warum grade ihr?! Wenn du dir diese Frage ernsthaft stellst, müsstet du dich auch fragen, ob es dir lieber wäre, wenn ES zum Beispiel deine Freundin und ihren Partner getroffen hätte. Niemand wünscht sich das für sich, aber es ist wie es ist.

Die „Warum-wir-Frage“ habe ich mir nie gestellt. Das ist das Leben mit seinen Aufgaben. Mein Mann und ich haben vorher eine ausgesprochen gute Beziehung gehabt und ich habe eigentlich eher gedacht, dass das Leben uns prüft, inwiefern wir wirklich ein Dream-Team sind. Ich versuche mich mit den Umständen zu arrangieren. Mein Mann ist allerdings auch vom Wesen noch genau der, der er immer war. 

Dass dein Freund mit seiner Erkrankung beschäftigt ist, das ist doch gar nicht so schlecht. Ich würde mich an deiner Stelle wirklich an eine Beratung wenden. Am besten mit ihm zusammen. Die Wut muss weg. Das Problem bekommt ihr so nicht allein gelöst. 

Du könntest ja auch in Urlaub fahren und für ihn was organisieren. Ihm zu sagen, dass du einen Urlaub allein machen möchtest, kann doch nicht das Problem sein?!

 

Übrigens: höchst beeindruckend sagte Corinna Schumacher in einem Interview, als sie gefragt wurde, ob sie sich auch mal irgendwann gefragt hat „warum grade wir?“: „Nein, nie. Das war einfach Pech“. 

LG Al Beck

#25

LILLI

Viersen, Deutschland

Was passiert, wenn ich ihn alleine lasse (er verweigert ja sämtliche Hilfe von Außen) und ihm in der Zeit was passiert? Bin ich dann als offizielle pflegende Angehörige rechtlich verantwortlich?

#26

Anonym 0

Bonn, Deutschland

Gute Frage.

ich denke, wenn er keine gesetzliche Betreuung hat, aus der man schließen könnte, dass er nicht geschäftsfähig ist, dann ist er eigenverantwortlich.

warum sagst du ihm nicht einfach, dass du für ein paar Tage wegfährst weil du eine Auszeit brauchst. Person X und Y werden sich um ihn kümmern. Das wird auch zukünftig so sein, dass du die Verantwortung zwar trägst, aber andere mit eingebunden werden um dich zu entlasten. Weil du nämlich sonst demnächst einen Nervenzusammenbruch haben wirst und dann gar nichts mehr organisiert werden kann. 

 

#27

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

#28

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

#29

LILLI

Viersen, Deutschland

Gute Frage.

ich denke, wenn er keine gesetzliche Betreuung hat, aus der man schließen könnte, dass er nicht geschäftsfähig ist, dann ist er eigenverantwortlich.

warum sagst du ihm nicht einfach, dass du für ein paar Tage wegfährst weil du eine Auszeit brauchst. Person X und Y werden sich um ihn kümmern. Das wird auch zukünftig so sein, dass du die Verantwortung zwar trägst, aber andere mit eingebunden werden um dich zu entlasten. Weil du nämlich sonst demnächst einen Nervenzusammenbruch haben wirst und dann gar nichts mehr organisiert werden kann. 

 

 Habe den Schlüssel hinterlegt und ein paar Freunden Bescheid gegeben, die im Notfall kommen. Mit meinem Partner habe ich vereinbart, dass wir morgens und abends telefonieren und wenn er nicht ans Telefon geht, ich sofort einen Freund informiere, der dann kommt. Ich hoffe sehr, dass es klappt. Er hat ja nichts dagegen, dass ich weg fahre, er will nur nicht, dass in der zeit jemand vorbei kommt. Werde morgen bei einer pflegeberatung anrufen und mich mal wegen den rechtlichen Fragen informieren. 

Ich bin so dankbar für euren Austausch hier!

#30

Marganna

Rheinland, Deutschland

Bei all deinem Leid und deiner Verzweiflung, die ich sehr gut nachvollziehen kann, bedenke eins, du hast kleine Lichtblicke für dich. Die habe ich z. B. durch meine eigene gesundheitliche Situation nicht. Bei uns ist in Urlaub fahren überhaupt nicht drin. Ich wäre auch niemals alleine weggefahren als es körperlich noch gegangen wäre, viel zu viel Panik es passiert was. 

Hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist mein Mann auch, dass meine Gesundheit aufgrund seines SA so großen Schaden genommen hat, realisiert er nicht bzw. streitet er ab. Ich befürchte, das ist Teil des Krankheitsbildes, damit müssen wir leben. 

 

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