Hallo Zusammen,
Es geht um Wesensveränderungen nach einem Schlaganfall. Meine Ma hatte Ende 2009 einen schlimmen Schlaganfall (rechte Seite total gelähmt, globale Aphasie, leichte Apraxie). Leute, die sie nicht so gut kannten wie ich und mein Dad, waren sehr schnell mit der Diagnose Wesensveränderung bei der Hand. Das hat mich persönlich immer geärgert.
Ich kann nicht ausschließen, dass es dauerhafte Veränderungen in der Persönlichkeit geben kann. Nur sollte man, speziell nach so einem drastischen Eingriff ins eigene Leben und Erleben nicht so schnell die Schubladen auftun.
Bei meiner Ma wurde die linke Hirnhälfte vom bildlichen Schlag getroffen. Die linke Hemisphäre verarbeitet und integriert Fakten. Sie beeinflusst demnach unsere Vernunft. Die rechte Hälte verarbeitet Bilder und Eindrücke, sie fühlt mehr als das sie analysiert. Bei meiner Ma fehlte anfänglich also die Impulskontrolle. D.h. sie ließ sich auch gegenüber Personen gehen, wo sie dies normalerweise nicht getan hätte. Verständlich wenn man bedenkt, dass alles über rechts verarbeitet wird, da die linke Hälfte (die Vernunft) noch halb im Koma ist. Die Kapazität reichte nicht aus um dauernt alles zu kontrollieren. Zudem war sie aus gleichem Grund anfänglich auch extrem affektlabil (kindliche Freude, kindliche Wut, kindliche Trauer).
Sicherlich macht das allen Beteiligten, einschließlich der Betroffenen selbst, große Angst, aber vor dem Hintergrund habe ich immer größtes Verständnis gehabt und es allen im nahen Umfeld versucht ebenfalls verständlich zu machen. Im Moment kann sie sich nicht kontrollieren. Es ist rein physisch nicht möglich.
Meine Ma war zudem auch oft traurig. Da hieß es sie habe eventuell eine Depression, das solle behandelt werden (dabei war sie nie antriebsschwach, sie hat von Anfang an alles super mitgemacht). Ich hab dann immer überlegt wie gut ich wohl "drauf wäre", wenn ich heute morgen aufgewacht wäre und festgestellt hätte, dass ich mich nicht mehr bewegen kann. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, müsste ich auch noch feststellen, dass ich nicht mal mehr um das Glas kalte Cola bitten kann, das ich mir ja nun selbst nicht mehr besorgen kann, das ich aber soooo dringend haben möchte, wirklich sehr dringend haben möchte. Wie wütend, wie verzweifelt und wie "depressiv" würde mich das wohl machen?
Immer wenn sich meine Ma vermeintlich wieder völlig irrational verhalten hat, haben mein Dad und ich uns umso mehr Mühe gemacht heraus zu finden was dahinter stecken kann. Leider dauerte es oft etwas. Auf das Glas kalte Cola musste meine Ma (nachdem sie endlich für s Trinken freigegeben war) leider ganze drei Tage warten. An dieser Stelle noch mal: Tschuldigung Mama!
Um so fitter Ma wurde (heute kann sie wieder gehen, den rechten arm recht gut bewegen und immer mehr ganze Sätze sprächen), desto weniger traten diese Verhaltensauffälligkeiten auf. Ich erinner nicht mal mehr das letzte Ereignis. Sie kann Ihre Bedürfnisse schon wieder gut äußern.
Ist sie öfter traurig? Ja! Und zu Recht wie ich finde. Aber das sind wir alle drei. Wir weinen dann einfach zusammen.
Ist sie auch oft fröhlich? Ja! Und ebenfall absolut zu Recht. Wir lachen dann zusammen.
Sicherlich muss sie sich noch etwas finden, in dieser schlimmen neuen Situation (nichts fühlt sich an wie vorher), aber ja, diese tolle, starke Kämpferin ist immer öfter und so eindeutig meine Mama und ich bin sehr stolz auf sie.